Warum wir Palästina-Komitees an den Unis aufbauen
In vielen Städten waren in den letzten Wochen Studierende auf der Straße. An der FU haben über 200 Menschen eine Kundgebung besucht. Wir wollen uns deshalb mit allen palästinasolidarischen Studierenden und Beschäftigten in Komitees organisieren.
Auf der ganzen Welt demonstrieren Menschen in Solidarität mit Palästina, gegen den Genozid in Gaza und für ein Ende der israelischen Besatzung. Auch in Deutschland mehren sich Stimmen, die das systematische Bombardieren von Krankenhäusern und anderen zivilen Einrichtungen durch den israelischen Staat verurteilen. Doch die Bundesregierung, alle Parteien und die Führungen von Gewerkschaften und wissenschaftlichen Einrichtungen stehen geschlossen an der Seite der in Teilen rechtsextremen Regierung Netanjahus. Innenministerin Faeser hat Samidoun verboten und plant weitere Verbote, in Münster wurde ein Teilnehmer einer friedlichen Demonstration gegen den Krieg von der Polizei brutal geschlagen, so dass er im Krankenhaus behandelt werden musste, Springer-Presse und öffentlich rechtliche produzieren Fake-News über Demonstrationsteilnehmer:innen, Inhalte und Parolen. Und FFF Deutschland reiht sich wieder einmal ein in den Chor der Kriegstreiber:innen und distanziert sich von Greta, die aufzeigte, dass es auf besetztem Land keine Klimagerechtigkeit geben kann.
Studierende müssen sich auf die Seite Palästinas stellen
Als junge Menschen, als Studierende haben wir den Anspruch, dass die Welt, in der wir leben, eine bessere ist, als die, in der wir geboren wurden. Viele von uns waren mit FFF das erste Mal auf der Straße im Kampf um einen lebenswerten Planeten, gegen das Profitstreben von Konzernen, die mit Erlaubnis der Regierungen die Umwelt zerstören. Die BLM-Bewegung hat uns politisiert und gezeigt, dass die Polizei abgeschafft werden muss, Rassismus und Kapitalismus eng miteinander verwoben sind und wir beides überwinden müssen.
Wir stehen gegen Krieg und Kolonialismus und das bedeutet, dass wir für ein freies Palästina stehen. Als Studierende ist unser Anspruch, kritisch zu hinterfragen und nicht alles zu glauben, was uns erzählt wird. Deshalb müssen wir die einseitigen Positionierungen von Regierungen und Rektoraten hinterfragen. Deutschland rüstet auf und will wieder stärker auch militärisch seine imperialistischen Interessen durchsetzen. Deshalb wurden 100 Milliarden Sondervermögen in die Bundeswehr investiert, während für Bildung und Soziales angeblich kein Geld da sei.
Kämpfen an unserem Lebensmittelpunkt
Mit Waffen der Kritik tragen wir unsere Solidarität mit Palästina nicht nur auf die Straße, sondern an den Ort, an dem wir sind: die Universität. Die Kundgebung vor der FU Berlin, die wir gemeinsam mit anderen palästinasolidarischen Studierenden und Aktivist:innen organisiert haben, hatte gut 200 Teilnehmende, wenngleich das im Vergleich zur Größe der Studierendenschaft noch gering ist, zeigt diese Mobilisierung, dass es ein Potential gibt, eine Bewegung kämpferischer Studierende aufzubauen, die sich gegen den Krieg, gegen Genozid und Imperialismus stellt.
Es gab und gibt ein großes Interesse von Politik und Medien an den sich politisierenden und mobilisierenden Studierenden. Die Unileitung und der Berliner Senat haben sich von der Kundgebung schon distanziert, bevor sie überhaupt stattgefunden hat. Diese Reichweite und Aufmerksamkeit kommt daher, dass Unis nicht irgendwelche Orte sind, sondern zentrale Einrichtungen im kapitalistischen System. Hier wird Ideologie produziert, hier werden die „Expert:innen“ ausgebildet, die in Talkshows sprechen, die in den Zeitungen Interviews geben und die Politiker:innen beraten. An den Unis entstehen Antisemitismus- und Extremismusdefinitionen, hauptsächlich gelehrt werden die Definitionen, die am besten zum politischen System passen.
Dennoch bilden Unis auch Räume für kritische Ideen, so gibt es beispielsweise einen offenen Brief von über 400 Professor:innen und Wissenschaftler:innen wie Angela Davis, Judith Butler und Etienne Balibar, die unter „Philosophy for Palestine“ den Genozid verurteilen. Universitäten als Forschungseinrichtungen sind durch Kooperationen nicht einfach außenstehende Beobachter:innen der israelischen Besatzungspolitik, so kooperiert beispielsweise die FU Berlin mit der Hebrew University, die Unigebäude auf Gebieten baut, die völkerrechtswidrig besetzt sind.
Wir können unseren Alltag als Studierende nicht vom Aktivismus trennen. Wir können nicht einfach nachmittags auf die Straße gehen und laut sein und dann in der Uni schweigen, wenn die Unileitung wie in Kassel die Trauerfeier für einen in Gaza ermordeten ehemaligen Studenten mit Polizeieinsatz unterbindet. Die Unis sind politische Orte und wir dürfen uns diese Räume nicht nehmen lassen. Unter dem Slogan #NotinourName haben sich an der FU Berlin Studierende zusammengefunden und bringen ihr Anliegen damit auf den Punkt: Das Präsidium der Universität handelt not in our name, wenn sie sich mit dem Krieg gegen Gaza solidarisieren. Am vergangenen Freitag nahmen 40 Studierende an der Sitzung des Studierendenparlaments an der FU teil, um einen Antrag von Waffen der Kritik zu unterstützen, der die Bombardierung und Besatzung Palästinas verurteilt. Als Studierende und Beschäftigte der Universität sind wir in Gremien der Universität mit unseren Stimmen immer in der Minderheit. Deshalb müssen wir uns zusammentun und in demokratischen Versammlungen diskutieren, was wir fordern und auf wessen Seite wir stehen. Denn es sollte unsere Uni sein, an der wir entscheiden, was und wie wir lehren und lernen, mit wem kooperiert wird.
Auflehnen gegen die falsche Führung
Deshalb ist es umso wichtiger, laut zu sein und laut zu bleiben, gegen den Genozid des israelischen Staates an den Menschen in Gaza. Wie das Präsidium der FU handelt ist kein Einzelfall sondern die traurige Norm. Es ist notwendig, dafür zu kämpfen, dass die Mehrheit der Studierenden, die kein Interesse daran hat, dass in ihrem Namen ein Völkermord beschönigt wird, durch die gemeinsame Organisierung in Komitees eine Stimme bekommen und so der Druck auf ASten und insbesondere Präsidien der Universitäten erhöht wird, den Genozid zu verurteilen und gemeinsam zu fordern, dass sich der israelische Staat komplett aus Gaza zurückzieht und sämtliche Angriffe stoppt.
Den deutschen Staat ins Visier nehmen
Damit der israelische Staat seinen brutalen Vernichtungskrieg führen kann, ist er auf internationale diplomatische und materielle Unterstützung angewiesen. Der deutsche Staat unterstützt den Genozid an vorderster Front. Gerade erst wurden die Rüstungsexporte an den israelischen Staat verzehnfacht. Gleichzeitig feuern deutsche Regierungsvertreter die israelische Armee regelrecht an, wenn sie vehement einen Waffenstillstand ablehnen. In diesem Sinne organisiert der deutsche Staat auch massivste Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung in Deutschland mit dem Samidoun-Verbot, Demoverboten und massivster Polizeigewalt.
Gleichzeitig organisiert das Regime Asylrechtsverschärfungen und treibt den allgemeinen Rechtsruck voran. Ein Palästina-Komitee muss sich all dem entgegenstellen. Das bedeutet, dass sich das Komitee für den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an den israelischen Staat, die Rücknahme sämtlicher Demonstrations- und Organisationsverbote einsetzen muss. Genauso muss sich so ein Komitee für die Garantie der vollständigen Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie für offene Grenzen für alle und den Stopp sämtlicher Abschiebungen einsetzen.
Wir brauchen Unis gegen Krieg und Genozid
Sich gegen den deutschen Militarismus einzusetzen bedeutet auch, den Kampf um umfassende Zivilklauseln zu führen. An Hochschulen sollte keine Militärforschung stattfinden. Schaut man sich die bestehenden Kooperationen von deutschen mit israelischen Universitäten an, so ist das Gegenteil der Fall. Beispielsweise unterhält die TU Berlin eine Kooperation mit dem Israel Institute of Technology in Haifa, das sowohl am Zaun rund um Gaza geforscht hat als auch an Drohnen, mit denen Menschen in Gaza beschossen werden. Solche Partnerschaften gehören aufgekündigt, bis auch die Unis im israelischen Staat auf zivile Forschung umstellen. Palästina-Komitees müssen dafür kämpfen, dass der Inhalt sämtlicher Kooperationen und Forschungen offengelegt wird, und demokratisch von Studierenden und Hochschulbeschäftigten abgestimmt werden kann, welche Forschung gemacht wird und welche nicht, anstatt diese Entscheidung wie aktuell von einer professoralen Kaste diktiert zu bekommen.
Zur demokratischen Kontrolle über die Forschung und Lehre gehört auch, über die nicht unmittelbar militärischen Teile zu bestimmen. Führende Verteidiger:innen der israelischen Apartheid wurden dazu an der Universität ausgebildet. Wenn aktuell die Situation in Palästina in Lehre und Forschung thematisiert wird, dann fast immer aus zionistischer Sicht. Dagegen braucht es demokratisch Kontrollierte Palästinastudien-Fachbereiche an jeder Universität. Es braucht Fachbereiche, die die Geschichte der Vertreibung der Palästinenser:innen, die aktuellen Zustände der Besatzung und Apartheid sowie die Rolle des israelischen Staats als Gendarm des Imperialismus im Nahen Osten thematisieren und so einen Beitrag zur Befreiung der Palästinenser:innen leisten. International gibt es bereits Beispiele, wie das European Center for Palestine studies an der Universität Exeter, die in diese Richtung gehen. Für uns ist jedoch auch zentral, dass diese Fachbereiche von Anfang an unter der Kontrolle von Studierenden und Hochschulbeschäftigten stehen, und dass diese unabhängig vom Zwang zur Akquirierung von Fördergeldern und den imperialistischen Interessen der Bundesregierung demokratisch über die Inhalte von Forschung und Lehre bestimmen können. So könnte man einen gewaltigen Beitrag im ideologischen Kampf für ein freies Palästina leisten.
Für eine Studierendenbewegung in Solidarität mit Palästina!
Deshalb laden wir dazu ein, gemeinsam Palästina-Solidaritäts-Komitees an den Unis aufzubauen. Komitees, in denen Studierende und Unibeschäftigte zusammen kommen, und gemeinsam, demokratisch diskutieren und entscheiden über Aktionsformen und Forderungen. Komitees, die inhaltliche Veranstaltungen über die Geschichte Palästinas oder über die Verstrickungen des deutschen Imperialismus mit dem Zionismus organisieren, die das Ziel haben, Studierende zu informieren und dazu zu motivieren, sich zu organisieren. Dafür brauchen wir Vollversammlungen an allen Universitäten.
Wir sind nicht alleine, als palästinasolidarische Studierende. In Neapel haben Studierende einen Teil ihrer Uni besetzt, um ein Ende der Kooperation ihrer Uni mit Israel zu fordern, in den USA gab es Unistreiks und im Spanischen Staat wird morgen unter dem Motto „Stoppt den Genozid“ von Student:innen gestreikt.
Internationalismus und Moral
Während es Proteste in den imperialistischen Staaten gibt, formiert sich auch studentischer Protest in Palästina. Die Student:innen der Universität Bir Zait im Westjordanland rufen dazu auf, sowohl in Palästina als auch international Widerstand zu leisten. Wir sollten ihren Aufruf kämpferisch beantworten. Während wir eindeutig die Möglichkeit haben, den israelischen Kolonialismus durch den Kampf gegen deutsche Waffenlieferungen und Miitärforschung materiell zu schwächen, ist es auch unsere Aufgabe, dem palästinensischen Widerstand durch internationale Unterstützung Moral zu geben. Denn die koloniale Gewalt wird nicht enden, solange die zionistische Besatzung nicht endet. Deshalb müssen wir den Widerstand vor Ort unterstützen und für ein freies Palästina kämpfen. Für uns bedeutet dies ein multiethnisches Palästina der Arbeiter:innen.
Wir haben jetzt die historische Chance, teil einer internationalen Bewegung zu sein, die sich scharf gegen Genozid, Besatzung und Apartheid richtet. Lasst es uns deshalb den Studierenden in Neapel, USA dem spanischen Staat und ganz besonders den Student:innen von Bir Zait gleichtun und in einem Komitee zusammenkommen, um gemeinsam die nächste Besetzung, den nächsten Streik und die nächste Vollversammlung zu planen.
Komm mit Waffen der Kritik zum Palästina-Komitee!
Komitee an der FU:
Am Montag den 20.11. findet um 18:00 das Treffen des Student Collective statt, an dem wir als Waffen der Kritik teilnehmen.