Warum wir ein Palästinakomitee anstelle von Aktionsbündnissen aufbauen wollen
An der Universität Bremen wird diskutiert, ob ein Palästinakomitee oder ein Aktionsbündnis aufgebaut werden soll. Wir erklären, warum wir ein Komitee aufbauen wollen.
In den letzten Monaten der Palästinabewegung haben sich verschiedene Arten der Organisation herausgebildet. In vielen Städten sind Komitees an den Universitäten entstanden, in denen sich hunderte Studierende organisieren. Nachfolgend erklären wir, warum dies eine sehr gute Entwicklung ist und wie Komitees sich positiv von Aktionsbündnissen abgrenzen.
Studierende auf der Straße gegen den Genozid
Schon seit letztem Jahr finden sehr viele Aktionen der Palästinabewegung an Universitäten statt. Inspiriert von den Camps in den USA gab es auch an deutschen Universitäten einen Aufschwung und es wurden Protestcamps unter anderem an der FU Berlin, der LMU München, der WWU Münster und der Universität Bremen organisiert. Jedoch fehlen in Deutschland im Gegensatz zu den Camps in den USA noch materielle Erfolge. Es ist zentral, dass die Palästinabewegung nicht nur um Aufmerksamkeit kämpft, sondern auch darum, Siege zu erringen, die Israel darin einschränken, den Genozid fortzusetzen. Dafür ist es besonders wichtig, den deutschen Imperialismus zu schwächen, da er einer der wichtigsten Verbündeten und Waffenlieferanten Israels ist.
Wofür kämpfen wir in der Palästinabewegung an den Universitäten?
Unis nehmen eine zentrale Rolle in der kapitalistischen Gesellschaft ein. Wichtige gesellschaftliche Diskussionen werden zuerst an den Universitäten geführt, bis sie danach in die breite Öffentlichkeit gelangen. Zusätzlich werden an den Universitäten auch wichtige technische Errungenschaften in der Forschung geleistet, darunter aber leider auch in der Rüstungsforschung. Außerdem werden an ihnen die zukünftigen wichtigsten Führungskräfte von Staat und Unternehmen ausgebildet.
Zusammengefasst ist sie ein wichtiger Stützpfeiler für die Herrschaft des deutschen Imperialismus, weshalb seine Kontrolle über die Universitäten so elementar ist. Wenn wir den deutschen Imperialismus schwächen wollen, müssen wir also seine Kontrolle über die Universität brechen und sie mit Hilfe eines antiimperialistischen Programms unter unsere eigene stellen. Besonders zentral dabei sind die Forderungen nach einer demokratisch kontrollierten und umfassenden Zivilklausel, die sowohl militärische Forschung als auch solche, die mit vorgeschobenen zivilen Bestrebungen für militärische Zwecke genutzt werden, ausschließt. Eine weitere wichtige Forderung ist die nach der Einführung eines demokratisch kontrollierten Fachbereichs für Palästinastudien, in dem wir entscheiden wie wir über Palästina lernen und lehren wollen.
Warum Komitees?
Sowohl ein Fachbereich für Palästinastudien als auch umfassende Zivilklauseln wären institutionalisierte Erfolge der Palästinabewegung. Das bedeutet, dass man dauerhaft verstetigte Erfolge erkämpft, die langfristig den deutschen Imperialismus behindern und den Kampf für ein freies Palästina befördern. Für diesen Kampf ist es notwendig, so viele Teile der Studierendenschaft wie möglich zu mobilisieren genauso wie Beschäftigte der Universität. Denn aktuell hat die zahlenmäßig absolute Minderheit der Professor:innen fast alle Macht an der Uni, gegen die man die absolute Mehrheit in Stellung bringen muss. Dafür ist ein Komitee, dessen einzige Voraussetzung zur Teilnahme die Solidarität mit Palästina ist, die passende Organisationsform. Es ist somit nicht überraschend, dass insbesondere für viele Studierende die Komitees die erste politische Organisierungserfahrung bedeuten.
In den Komitees finden sich Einzelpersonen und politische Gruppen zusammen, um in gemeinsamen Versammlungen darüber zu diskutieren und demokratisch abzustimmen, welche nächsten Schritte gegangen werden sollen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Zusammenschlusses ist ihr demokratischer Charakter. Um die Bewegung nach vorne zu bringen, ist es von elementarer Notwendigkeit, dass alle Mitglieder aktiv an dem Entscheidungsprozess teilnehmen und dass dieser demokratische Grundpfeiler bewahrt und von allen verteidigt wird. Somit wird gewährleistet, dass Studierende und Beschäftigte politische Eigenständigkeit entfalten und wirklich überzeugt sind vom gemeinsamen politischen Projekt.
Die Einheit von Studierenden mit Beschäftigten ist zentral, da Beschäftigte durch die Möglichkeit des Streiks einen viel stärkeren politischen Hebel besitzen als Studierende. Im Komitee können mit den Beschäftigten und den Studierenden all diejenigen, die ein Interesse an einer antiimperialistischen Universität haben, gleichberechtigt diskutieren. Die Komitees bieten auch die Grundstruktur um potenziell zu erkämpfende Erfolge wie die Zivilklausel demokratisch zu kontrollieren anstatt das einem auf der Seite der Bundesregierung stehenden Präsidiums zu überlassen. Im Falle des Palästinafachbereichs würde dies bedeuten, dass man in einer gemeinsamen Diskussion von Studierenden, Beschäftigten und Professor:innen die Lehrpläne und Forschungsschwerpunkte festlegt und demokratisch mit einer Stimme pro Person anstelle der heute institutionalisierten professoralen Mehrheit zwischen allen Beteiligten abgestimmt wird. Somit bieten die Komitees die beste Struktur für den Kampf und die Kontrolle über mögliche Erfolge.
Warum sind wir für ein Komitee anstelle eines Bündnisses?
Ein Bündnis anstelle eines Komitees würde dazu führen, dass viel weniger Studierende aktiv in die Palästinasolidarität eingebunden werden würden. Wenn Menschen sich in einer Gruppe organisieren, dann tun sie dies, weil sie deren Programm und Strategie mindestens größtenteils zustimmen. Das bedeutet, dass dies viel höherschwelliger ist als die Teilnahme an einem Komitee, das auch die erstmalige politische Aktivität von Studierenden ermöglichen soll. Anstatt in möglichst großen Versammlungen die politische Selbsttätigkeit idealerweise der gesamten Studierendenschaft und aller Beschäftigten zu fördern, wird es vielmehr darum gehen, zwischen Organisationen oder vereinzelter Individuen Kompromisse zu schließen, da die Diskussionen in viel kleineren Zirkeln verschwinden. Bündnisse können keine nachhaltigen Veränderungen an der Universität erzielen, da man dafür die Mehrheit der Studierenden und Beschäftigten braucht. Die Notwendigkeit die Mehrheit der palästinasolidarischen Studierenden zu überzeugen fällt in einem Bündnis weg und es wird sich zwangsläufig in symbolischen Kämpfen verloren, weil die Perspektive einen Teil der Universität zurückzuerobern verloren geht. Die beste Form, um dies zu organisieren, ist ein Komitee, das den Anspruch hat, alle Studierenden und Beschäftigten zu gewinnen.
Lasst uns gemeinsam ein Komitee aufbauen!
Eine Universität, die in den Händen der Studierenden und Beschäftigten liegt, würde sich gegen den Genozid in Gaza positionieren und sich dem Kampf dagegen unterstellen. Sie würde keine Kooperationen mit anderen Universitäten eingehen, die an der systematischen Vertreibung und Ermordung von Menschen beteiligt ist.
Mit symbolischen Aktionen, die von einem losen Bündnis angeführt und durchgeführt werden, werden wir solch eine Universität nicht erkämpfen, denn sie konfrontieren den deutschen Imperialismus und seine Kontrolle über die Universitäten nicht auf einer materiellen Ebene. Auch das Rektorat und die professorale Minderheit wird uns solch eine Universität nicht geben, wenn wir nur genug Protestaktionen gemacht haben. Es braucht eine demokratische, an die gesamte Studierendenschaft gerichtete Organisierung in einem Komitee, um eine Universität zu gestalten, die für ein gutes Leben für alle steht, lehrt und forscht. In diesem Sinne wollen wir alle Palästinasolidarischen Studierende und Beschäftigte an der Universität Bremen dazu einladen, solch ein Komitee aufzubauen.