Warum die 20-Uhr-Tagesschau über den Hafenstreik schweigt und die BILD lügt

18.07.2022, Lesezeit 4 Min.
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Bild: Inés In (KGK)

Beim Hafenstreik in Norddeutschland haben die Kolleg:innen klare Kante gegen die Inflation gezeigt. Trotz einstweiligen Verfügungen und Polizeirepressionen forderten 5.000 Beschäftigte 14 Prozent mehr Lohn. Doch in der bürgerlichen Presse war es verdächtig stumm.

Wenn man sich in Deutschland über das Leitmedium der Öffentlich-rechtlichen – die Tagesschau – informiert, dann hat man nichts vom Hafenstreik mitbekommen. Sowohl die Tagesschau um 20 Uhr – die wichtigste Nachrichtensendung des Landes – also auch ihre Instagram-Seite berichteten nicht über den Streik. Lediglich ein Bericht vom vergangenen Donnerstag sowie einen Clip vom Freitag mittag findet man auf ihrer Website, wenn man eine Weile sucht. Aber die 20-Uhr-Nachrichten, die Millionen erreichen, schwiegen.

Ihre Redaktion, die übrigens in Hamburg sitzt, könnte nun sagen, es handele ja nur ein kleines lokales Phänomen, das für das Millionenpublikum der Tagesschau nicht relevant genug ist. Aber das ist es ganz und gar nicht. Der Streik stellte sich durch die Forderung eines Inflationsausgleiches der Löhne gegen eine der größten Sorgen der Bevölkerung in Deutschland: Das Steigen aller Lebenskosten. Ein Kollege brachte es gegenüber Klasse gegen Klasse auf den Punkt:

“Ich glaube, dass dieser Tarifkampf im Hafen für jeden richtungsweisend sein kann. Wir reden hier über den realen Inflationsausgleich, der für jeden nicht unwichtig ist und die nächsten Tarifkämpfe, glaube ich, darauf aufgebaut werden.”

Der Kampf der Kolleg:innen ist einer der wenigen Lichtblicke für die Massen in Deutschland, die unter der Inflation leiden, ihre Miete und ihr Essen nicht zahlen können, denen buchstäblich die Butter vom Brot geklaut wird. Und in der Tagesschau hören sie nur ohrenbetäubendes Schweigen. Selbst dass ein Radfahrer in Ratingen mit 62 km/h geblitzt wurde, haben sie auf Instagram gepostet. Es zeigt auch ihre politische Agenda, die sich vermeintlich neutral gibt. Es ist aber keineswegs neutral, hauptsächlich die Vorgaben der Regierung wiederzukäuen, dass wir gegen den Krieg, die Klimakrise und die Inflation frieren und hungern sollen, und gleichzeitig vollständig darüber zu schweigen, wenn die Lohnabhängigen sich dagegen wehren.

Ganz anders verhielt sich die BILD. Auf ihrer Website titeln sie: “Hafenarbeiter greifen Polizei an”. Eine dreiste Lüge. Nachdem eine Person angeblich einen Böller zündete, griff die Polizei die Kolleg:innen – unter dem Vorwand der von Böllern ausgehenden Gefahr – mit Pfefferspray an. Die Widersprüchlichkeit dieses Vorgehens ist absurd … In diesem Video, was die Situation vor Ort zeigt, ist klar zu sehen, dass die Polizei zuerst eskaliert. Auch im Artikelfoto der BILD ist zu sehen, wie die Polizei Pfefferspray unrechtmäßig aus nächster Nähe einsetzt. Das Springer-Blatt verharmlost die Gewalt, die von den bewaffneten Einsatzkräften ausgeht, als „Gerangel“. Die BILD zeigt mit solchen Hetzartikeln mal wieder, dass sie auf der Seite der Bosse stehen und dreist über die Streikenden lügen.

Gerade in solchen Momenten, in denen die Darstellung der Realität durch große Medien komplett verzerrt oder ignoriert wird, ist es besonders wichtig, die Stimmen der Arbeiter:innen vor Ort und deren Arbeitskampf laut zu machen. Während die Streikenden polizeiliche Repressionen erfahren, werden sie – wie die Streikenden der Unikliniken NRW – juristisch angegriffen. So beschlossen die Bürokrat:innen der Gewerkschaft und das Arbeitsgericht Hamburg über die Köpfe der Basis hinweg ein Ende der Streiks. Sie brechen somit das grundlegendste Kampfmittel und Recht der Beschäftigten – das Streikrecht.

Jana Kamischke und Deniz Askar Dreyer, ver.di Mitglieder und Hafenarbeiter:innen, haben eine Petition initiiert, in der sie sich gegen jegliche Einschränkungen des Streikrechts, sei es durch juristische oder polizeiliche Maßnahmen stellen. Wir fordern mit ihnen:

1. Die Aufhebung der Friedenspflicht!
2. Keine erzwungene Schlichtung! Lasst die Arbeiter:innen über ihren Streik selbst entscheiden!
3. Für das uneingeschränkte Streikrecht für alle Arbeitskämpfe!
4. Keine Polizeimaßnahmen gegen den Streik.

Hier kannst du die Petition unterschrieben! Auch wenn du nicht gewerkschaftlich organisiert bist oder im Hafen arbeitest, hast du die Möglichkeit, dich für das uneingeschränkte Streikrecht zu positionieren.

Sieg dem Hafenstreik, nieder mit allen polizeilichen und juristischen Angriffen auf unseren Streik! Nein zur Medienhetze!

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde behauptet, dass keinerlei Berichterstattung der Tagesschau stattgefunden hätte. Richtig ist, dass die Hauptsendung der Tagesschau um 20 Uhr den Streik ignoriert hat.

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