Warum wir mehr als Inflationsausgleich fordern müssen

14.07.2022, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Simon Zinnstein

Ver.di Chef Werneke spricht vom Inflationsausgleich als "sportliches Ziel" in kommenden Tarifverhandlungen. Bei den rapide steigenden Preisen müssen die Gewerkschaften für mehr als den reinen Ausgleich kämpfen. Alles andere können wir uns nicht leisten.

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland kündigt der Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke an in kommenden Tarifauseinandersetzungen „um jeden Euro und jeden Cent“ kämpfen zu wollen. Der immense Preisanstieg könne nicht durch Einmalzahlungen kompensiert werden, sondern verlange nach dauerhaft höheren Löhnen, hält Werneke fest. Er stellt sich richtigerweise gegen die These, dass höhere Löhne für Inflation sorgen würden und meint, dass man sich auf kämpferische Tarifrunden stellen soll.

Danach definiert er aber den vollen Inflationsausgleich lediglich als ein „sportliches Ziel“ für anstehende Verhandlungen. Damit signalisiert er die Bereitschaft im Zweifelsfall von einem ordentlichen Ausgleich abzurücken. Im Vorfeld mehrerer Tarifrunden ist so eine Ansage demobilisierend und kontraproduktiv. Der Chef einer der wichtigsten deutschen Gewerkschaften sollte stattdessen die Mitglieder seiner Organisation, die Öffentlichkeit und die Unternehmensbosse darauf einstellen, dass er es ernst meint, wenn er sagt, dass um jeden Cent gekämpft wird. Statt jetzt schon die absolut notwendige Forderung nach einem Inflationsausgleich verbal aufzuweichen, müssen die Gewerkschaften ein Herangehen an die kommenden Tarifauseinandersetzungen signalisieren, in dem klar wird, dass der Inflationsausgleich das Mindeste ist, was die Beschäftigten brauchen, um mit den enormen Teuerungen fertig zu werden. Werneke und Co. sollten mit noch weitreichenderen Forderungen in die Verhandlungen gehen, die das Mindestmaß übersteigen. Die streikenden Hafenarbeiter:innen in Deutschland, die von Donnerstag bis Samstag morgen ihre Arbeit niederlegen, zeigen in welche Richtung es gehen kann: Sie fordern neben dem Inflationsausgleich noch eine Lohnerhöhung um mindestens 1,20 Euro.

Neben der Debatte um höhere Löhne plädiert der Bundesvorstand für Gas- und Strompreisdeckel, was eine richtige Forderung ist, während sich die Preise für Verbraucher:innen verdreifachen sollen. Bevor die soziale Misere im Winter und mit kommenden Nebenkostenabrechnungen ins Unermessliche steigert, sollte der gesamte DGB dafür kämpfen, dass es nicht soweit kommt.  Was wir brauchen sind Großdemonstrationen und Aktionen der Gewerkschaften, die sich dagegen stellt, dass die Folgen der vielen Krisen, die aktuell zusammenlaufen, jetzt von den Arbeiter:innen, Studierenden und Jugendlichen bezahlt werden. Anstehende Tarifrunden wie beim TVöD in Berlin, oder der IG-Metall ab Herbst sollten mit solchen Aktionen für Preisobergrenzen und für eine Erhöhung der Sozialhilfen für Arbeitslose, Rentner:innen und Studis begleitet werden.

Bei der Frage der Finanzierung dieser Maßnahmen ist es richtig die Schuldenbremse anzuklagen, wie es Werneke tut. Dabei dürfen wir jedoch nicht stehen bleiben. Was wir brauchen, um die Krise abzufedern und ihre Kosten von den Schultern der Beschäftigten zu nehmen, sind Vermögenssteuern und Vermögensabgaben. Während mit nutzlosen Maßnahmen wie dem Tankrabatt Milliarden Euro an Steuergeldern verpulvert werden, sitzen die Kriegs- und Krisenprofiteure weiter auf enormen Summen, die sie durch die Ausbeutung von Not und Elend erwirtschaftet haben. Bei jeder gewerkschaftlichen Kundgebung müssen wir unseren Kolleg:innen klar machen, dass das Geld in Deutschland da ist, es ist nur falsch verteilt.

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