War die DDR sozialistisch?
Die Deutsche Demokratische Republik wurde 1949 im ehemaligen sowjetischen Besatzungssektor gegründet. Anders als der erste ArbeiterInnenstaat weltweit – die Sowjetunion – ging die DDR nicht aus einer Revolution hervor, sondern wurde in letzter Instanz von oben, nach den Vorstellungen des stalinistischen Parteiapparats der KPdSU und seinen VasallInnen in der DDR, bürokratisch gegründet: nicht auf der Grundlage eines ausgedehnten demokratischen Rätesystems, sondern als Diktatur einer Partei, die über eine bürokratische Planwirtschaft herrschte.
Dabei war es keineswegs vorbestimmt, dass die DDR gleich als degenerierter bzw. deformierter ArbeiterInnenstaat zur Welt kommen würde. Im Deutschland der Nachkriegszeit herrschte durchaus ein revolutionärer Geist in Teilen der ArbeiterInnenklasse. Doch die großflächige Zerschlagung der deutschen ArbeiterInnenbewegung durch den Faschismus, die Niederhaltung und Schwächung der sozialistischen Tendenzen durch die imperialistischen Alliierten, sowie die mächtige stalinistische Bürokratie, die durch die Befreiung Deutschlands vom Faschismus eine Legitimität in der ArbeiterInnenklasse wiedererlangt hatte – trotz der verräterischen und mörderischen Rolle, die der Stalinismus im Spanischen BürgerInnenkrieg, in den politischen „Säuberungen“ in der Sowjetunion, aber auch im Aufstieg des Faschismus in Deutschland selbst gespielt hatte –, verunmöglichten die Etablierung einer rätedemokratischen Perspektive des Sozialismus, die die besten Elemente der russischen Oktoberrevolution auf höherer Grundlage in Deutschland hätte aufbauen können. Auch sorgte die Kriegszerstörung in der Sowjetunion für eine ungleich schlechtere Ausgangslage zur wirtschaftlichen Unterstützung der späteren DDR, als sie die imperialistischen Mächte für die spätere BRD gewährleisten konnten.
So wurde in der DDR eine bürokratisch geführte Planwirtschaft, durchgesetzt von einer Kaste von privilegierten ParteifunktionärInnen, etabliert, die weit entfernt von einem wirklichen Pfad zur klassenlosen Gesellschaft, zum Kommunismus, war. Nichtsdestotrotz war die Gründung der DDR mit einer großen Bandbreite an sozialen Errungenschaften verbunden, beginnend mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und somit der Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise. Darauf aufbauend konnte die DDR, obwohl sie nicht ansatzweise dieselben materiellen Mittel wie die durch den Marshall-Plan und ähnliche Projekte finanzierte BRD-Ökonomie verfügte, einen erstaunlichen Wiederaufbau der kriegszerstörten Industrie und Infrastruktur leisten. Universeller Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, die fast völlige Abwesenheit von Arbeitslosigkeit, eine weitaus gleichberechtigtere Stellung von Frauen als im Westen, waren weitere Errungenschaften, um nur einige zu nennen.
Die Schattenseiten lagen in der bürokratischen Mangelwirtschaft, die insbesondere gegenüber dem „Wirtschaftswunder“ BRD immer stärker ins Hintertreffen geriet; in den bürokratisch vorgegebenen Arbeitsnormen, gegen die sich beispielsweise am 17. Juni 1953 die ostdeutsche ArbeiterInnenklasse erhob und eine revolutionäre Übergangsregierung forderte, bevor sie von sowjetischen Panzern niedergeschlagen wurde; in der Ausschaltung jeglicher politischer Opposition, insbesondere seit dem Bau der Berliner Mauer; und im Allgemeinen in der großflächigen Abwesenheit wirklich demokratischer Organisations- und Entscheidungsformen, die einen Schritt hin zum Absterben des Staates hätten sein können.
Die DDR war eine bürokratische Diktatur, allerdings auf der sozialen Grundlage der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Diese Grundlage hätte 1989/90 mittels einer politischen Revolution gegen die DDR-Bürokratie und gegen die Expansion des westdeutschen Imperialismus verteidigt werden müssen, in der Perspektive einer vereinigten sozialistischen Räterepublik in Deutschland.