Wahlwiederholung in Berlin: Warum uns das geringere Übel in die Sackgasse führt

08.02.2023, Lesezeit 6 Min.
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Am 12. Februar findet in Berlin die Wiederholung zur Wahl des Abgeordnetenhauses statt. Wir möchten hier darstellen, weshalb es wichtig ist, mit der Logik des geringeren Übels zu brechen.

Wenn am 12. Februar die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus wiederholt wird, dann findet an den Urnen auch eine Zwischenbilanz der Politik des aktuellen rot-grün-roten Berliner Senats statt.

Wie schon im September 2021 proklamiert die Linkspartei eine “Mietenwahl”. Doch obwohl die Linkspartei vor der letzten Wahl für den Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. Enteignen (kurz DWE) geworben hatte, wird dieser von ihr in der Regierung bis heute mit verschleppt. Während die Lehrer:innen für kleinere Klassen und mehr Personal an den Schulen streiken – eine Forderung, die sowohl SPD als auch Linkspartei in ihrem Programm haben – wird von beiden Parteien in Regierungsverantwortung nichts getan, um diese real umzusetzen. Stattdessen werden Bildungsbudgets gekürzt, Wohnungen geräumt und Obdachlose von ihren Schlafplätzen vertrieben, während man die Polizei, die dies umsetzt, weiter aufrüsten lässt.

Die aktuellen Umfragen zeigen: Die CDU ist auf dem Vormarsch und Schwarz-Rot eine mögliche Option nach den Wahlen. Das darf für uns aber nicht bedeuten, auf die Linkspartei zu setzen, um eine CDU-Regierung zu verhindern. Rechte Parteien lassen sich nicht durch die Wahl einer reformistischen Partei stoppen. Im Gegenteil zeigt ja gerade die Politik der rot-grün-roten Berliner Regierung, dass sie zur Wiedererstarkung der CDU und der AfD führt. Wir müssen uns den Rechten deshalb vor allem auf der Straße, in den Unis, Schulen und Betrieben entgegenstellen, in Streiks intervenieren und so die Interessen unserer Klasse voranbringen.

Es gibt derzeit keine breite Bewegung gegen die Verschleppung von DWE, was sich aber durchaus ändern könnte, wenn man nicht mehr fälschlicherweise davon ausgeht, Verbündete im Parlament an seiner Seite zu haben. Es bringt nichts als falsche Hoffnungen und Enttäuschung, zur Wahl einer Partei aufzurufen, die nicht einmal versucht, ihr eigenes Programm umzusetzen. Die LINKE hat schon lange ihre Glaubwürdigkeit verloren. Als revolutionäre Linke auf sie zu setzen ist eine Illusion.

Bundestagswahl 2021

Auch auf Bundesebene zeigte die letzte Wahl und die dadurch folgende Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP, was vielen längst klar war: Die neoliberale Politik dieser Parteien liegt nicht im Geringsten im Interesse der Arbeiter:innenklasse. Nachdem Scholz eine militärische Zeitenwende heraufbeschwor, werden 100 Milliarden Euro in Aufrüstung gesteckt und etliche Existenzen zerbrechen an Inflation, Krieg und Krise. Auch eine angeblich feministische Außenpolitik täuscht nicht über die Fortführung und Intensivierung von imperialistischen Interessen der Bundesregierung hinweg. Wir müssen die Parteien daran messen, was sie tatsächlich umsetzen.

Die Linkspartei selbst bietet keine konsequente Opposition gegen die Politik der Ampelregierung, geschweige denn eine sozialistische Perspektive, während sie in Regierungsverantwortung antisoziale Politik mit umsetzt. Die Waffe der Kritik verkommt bei ihr zu einer hohlen Phrase und so wundert es nicht, dass sie kein sozialistisches Programm gegen diese Krise und gegen die Ampelregierung generell liefert.

Bruch mit der Logik der kritischen Wahlunterstützung

Viele radikale Linke unterstützen dennoch die Wahl der Linkspartei, wenn auch auf mehr oder weniger kritische Weise. Dabei gehen sie in ihrer kritischen Wahlunterstützung davon aus, die reformistischen linken Parteien würden an der Regierung eine inwieweit auch immer humanere Politik durchführen als andere Parteien der herrschenden Klasse. Dies ist jedoch – gezeigt an den obigen Beispielen, aber auch Tatsachen wie den höchsten Abschiebezahlen der Bundesrepublik unter R2G in Berlin – ein Irrglaube. Durch eine Politik des geringeren Übels helfen wir unserer Klasse nicht, sondern spielen den Herrschenden in die Hände. Denn wie der Verrat der Linkspartei an DWE zeigt, führt ihre Regierungsbeteiligung nur zur Demobilisierung. Die Mitverwaltung der Linkspartei hat jede Hoffnung in sie in den Sand gesetzt. Egal, welche der etablierten Parteien man mit seiner Stimme unterstützen würde, die eigenen Interessen werden dadurch jedenfalls nicht unterstützt. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Wer zur Wahl dieser Parteien aufruft, fällt den aktuellen Kämpfen in den Rücken und verliert als revolutionäre Linke jede Glaubwürdigkeit.

Ein Argument, welches häufig aufkommt, ist die finanzielle Unterstützung linker Gruppen durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung durch Gelder, die nur durch die Wahl der Linkspartei ausgezahlt werden. Doch was bedeutet das konkret, Stipendien und finanzielle Unterstützung von Kulturgruppen und linken Gruppen? Die Forderung sollte doch sein, dass solche Gruppen unabhängig von Parteien finanziell abgesichert werden müssen, dass Stipendien überflüssig sind und es gleiche Bildungschancen für jede:n gibt. Das Beispiel Linksjugend zeigt uns, dass die Linkspartei unliebsamen Stimmen gerne die Gelder streicht. Wir müssen für die Unabhängigkeit der revolutionären Linken kämpfen, statt sie aufzufordern, sich an die gemäßigte Linke anzupassen, um finanziell abgesichert zu bleiben.

Es braucht eine tatsächliche revolutionäre Kraft, die sich nicht auf die Linkspartei stützen kann. Da es sich am 12. Februar um eine Wiederholungswahl handelt, können wir dem R2G-Senat und den rechten Parteien keine eigene revolutionär-sozialistische Kandidatur entgegenstellen. Doch wir werden auch nicht die Linkspartei wählen. Wir können uns auch nicht auf einzelne Kandidat:innen berufen, die eine antikapitalistische Politik innerhalb der Linkspartei betreiben wollen, da sich auch diese nicht öffentlich gegen Die LINKE und gegen eine Regierungsbeteiligung positionieren. Eine erneute Regierungsbeteiligung kann und sollte keine Option sein, sie wird nichts ändern. Stattdessen fordern wir dazu auf, am 12. Februar ungültig zu wählen, und zugleich dafür zu kämpfen, dass wir bei den nächsten Wahlen mit einer revolutionären Wahlfront revolutionär-sozialistische Kandidaturen aufstellen und eine tatsächliche sozialistische Alternative aufbauen, auf der Straße, in den Unis und Betrieben.

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