Wahlkampf an der LMU: Wie holen wir uns den gratis Nahverkehr?
Die Fachschaftsinitiative Soziologie an der LMU München will mit Gremienverhandlungen ein billigeres Deutschlandticket erreichen. Als Waffen der Kritik wissen wir: Kostenlosen ÖPNV müssen wir auf der Straße erkämpfen.
Vom 27. bis 29. Juni finden an der Ludwig-Maximilians-Universität München Fachschaftswahlen statt. Am Soziologie-Institut macht die Fachschaftsinitiative Soziologie Wahlkampf mit dem Versprechen eines billigeren Deutschlandtickets. Diese Forderung ist populär, beispielsweise fordern auch die Aktivist:innen der Letzten Generation die Wiedereinführung eines bundesweiten 9-Euro-Tickets. Auf ihre aufsehenerregenden Aktionen gab es jede Menge rechte Hetze und Repression, aber dem Ziel konnten sie dadurch nicht wirklich näher kommen. In ihrem Wahlprogramm wirft die Fachschaftsinitiative Soziologie die Frage eines billigen Tickets nur für Studierende auf:
„Wir können auf eine lange Historie am Institut zurückblicken und gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gremien der Universität. All diese Erfahrung ermöglicht uns eure Interessen, ein billigeres Deutschlandticket für Studierende zum Beispiel, eher zu erreichen.“
Sind also Hinterzimmerverhandlungen der erfolgversprechendste Weg? Als marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik treten wir ebenfalls zu den Fachschaftswahlen am Institut für Soziologie der LMU an – unsere Antwort ist ein klares Nein.
Der Kabinettsbeschluss der CSU
Das ermäßigte Deutschlandticket von 29 Euro für Auszubildende und Studierende wurde bereits im April vom bayerischen Staatskabinett beschlossen. Er soll ab September dieses Jahres gelten.. Eine Erleichterung von 20 Euro im Monat ist gut, aber in Zeiten rasender Inflation nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir sollten ein Misstrauen gegenüber einem Beschluss haben, der einer konservativen Regierung einen sozial-ökologischen Anstrich geben soll. Insbesondere angesichts des Skandals der 2. Stammstrecke, die in einem dubiosen Verfahren teurer sein wird als die miserablen Projekte Stuttgart 21 und dem BER Flughafen und nun erst 2037 fertig werden soll.
Auch der Klimafrage ist nur begrenzt geholfen, wenn das Bahnnetz und der ÖPNV nicht ausgebaut werden und nur Studierende und Auszubildende Erleichterung erhalten. Insbesondere durch die Lockerung des Klimaschutzgesetzes, hat die Ampelregierung klar gemacht, dass wir nicht bloß hoffen können, sondern selber Forderungen aufstellen müssen für die es sich lohnt zu kämpfen. Deswegen fordern wir den Ausbau des Bahnnetzes unter Kontrolle der Beschäftigten mit Unterstützung von Wissenschaftler:innen und einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr für alle.
Es stellt sich aber die Frage: Geht die Fachschaftsinitiative davon aus, dass ihre Gremienarbeit einen Einfluss darauf hatte? Die Gremien der LMU sind äußerst intransparent. Die Satzung der LMU schreibt zum Beispiel vor, dass die Gremien nicht öffentlich tagen. Diese undemokratische Funktionsweise der Universität lehnen wir ab. Aber auch eine etwas größere Transparenz würde nicht ausreichen: Wie wir in unserem Wahlprogramm erklären, braucht es einen Kampf für eine Demokratisierung der Hochschule: die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft mit allgemeinpolitischem Mandat und ein allgemeines Studierendenparlament mit ständiger Abwählbarkeit der Delegierten.
Wir halten es für illusorisch, dass allein innerhalb dieser Gremien politische Ziele erreicht werden können. Es ist gesetzlich garantiert, dass die Studierenden keine Mehrheiten in beschlussfähigen Gremien haben können. Außerdem müssen solche politische Projekte von der Landesregierung beschlossen und finanziert werden. Die überwältigende Mehrheit der CSU ist in Bayern seit Jahrzehnten stabil in der Landesregierung. Was die Überlegung hinter dem Kabinettsbeschluss ist, ist unklar. Klar ist nur, dass keine Regierung ohne politisches Kalkül dahinter Geld ausgibt. Die Minderheit der Studierenden in Gremien der Hochschulen Bayerns werden dabei keine Rolle gespielt haben.
Anstatt einer Fachschaft der Hinterzimmergespräche, die auf ein absolutes Gremienvertrauen setzt, wollen wir eine Fachschaft der sozialen Kämpfe, die die gesamte Studierendenschaft aktiv einbezieht und beispielsweise im Kampf für einen kostenlosen Nahverkehr Vollversammlungen und Mobilisierungen durchführt, um tausende Studierende und Beschäftigte zu erreichen.
Jede:r muss aktiv sein
Die historische Erfahrung zeigt, dass nur der umfassende Druck auf der Straße Regierungen dazu bewegt, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Eventuell ist es Frucht vor eben solchen Bewegungen in Zeiten der ökonomischen Krise, die Söder dazu treibt, präventive Entlastungsmaßnahmen zu ergreifen. Die „Strategie“ der Fachschaftsinitiative, wenn man so möchte, dient genau dazu, solche Bewegungen von Anfang an zu unterbinden und schadet der Studierendenschaft langfristig. Man soll einfach für sie stimmen und darauf hoffen, dass sie dadurch in den Gremien gestärkt würden. Es läuft auf ein Abgeben der eigenen Handlungsfähigkeit an jemand anderen hinaus, die sich letztlich in den bürokratischen Apparaten der Universität verliert.
Genauso ist es illusorisch, von einer „Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gremien der Universität“ zu sprechen, wie es die Fachschaftsinitiative tut. Die eigenen Interessen zu vertreten bedeutet oft, sich gegen andere durchzusetzen. Im August 2022 wurde das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz verabschiedet, dass das alte Hochschulgesetz novelliert hat. Anfang 2021 wurde klar, dass dieser Gesetzentwurf eine Neoliberalisierung der Hochschule bedeuten würde und es bahnte sich Protest an. Damals beschwichtige die Landesastenkonferenz Bayerns – der bayernweite Zusammenschluss der Studierendenvertretungen – die Studierendenschaft und meinte, sie würde ja eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium praktizieren und im Interesse der Studierenden Lobbyarbeit machen. Jetzt haben die Institute dank der Reform ihre Studienzuschüsse verloren und es tun sich Lücken im Budget für Lehre auf. War das das Interesse der Studierenden, für das Lobbyarbeit gemacht wurde?
Wir stehen für eine Fachschaft der sozialen Kämpfe, weil wir unsere Kommiliton:innen nicht bloß vertreten wollen. Wir wollen nicht anstelle der Studierenden aktiv sein, sondern mit ihnen. Wir wollen gemeinsam mit euch auf die Straße gehen, politische Vorschläge und Ideen erarbeiten und tatsächliche Veränderung erzielen. Anpassung an die restriktiven Verhältnisse, die uns Hochschulleitung und Landesregierung aufzwingen, wird uns nicht weiterbringen. Dafür müssen wir Verbündete suchen. Unmittelbar an den Hochschulen bei den nicht-akademischen Beschäftigten, die unser Studium ermöglichen, und den prekären akademischen Beschäftigten, die uns unterrichten.
Doch bei der Frage des ÖPNV müssen wir uns auch mit den Beschäftigten zusammenschließen, die in diesem Sektor arbeiten. Sie haben ein Interesse an einem guten und bezahlbaren Nah- wie Fernverkehr und ein Verständnis für ihre Aufgabe in der Bekämpfung des Klimawandels. Im März streikte der ÖPNV zu einem Aktionstag von Fridays for Future. Wenn der ÖPNV streikt, steht die Welt still. Es ist genau diese Einheit von Arbeitenden und Schüler:innen und Studierenden, die wir vorantreiben wollen. Das ist der Druck, den wir brauchen, um einen kostenlosen guten ÖPNV mit anständigen Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Das werden wir nur erreichen, wenn wir gemeinsam gegen die Regierung streiken, und nicht, indem wir im Hinterzimmer bei der Regierung betteln.