Wahlen in Rumänien: Zwischen Neoliberalismus und Nationalismus
Die Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Rumänien werfen ein Schlaglicht auf die wachsende soziale Spaltung im Land. Aber der Erfolg rechter Kräfte ist nicht nur Ausdruck politischer Polarisierung, sondern eine Folge jahrelanger neoliberaler Politik und der Schwäche der Linken.
[Update 6. Dezember: Das oberste Gericht Rumäniens hat die Präsidentschaftswahl wegen angeblicher russischer Einflussnahme annulliert. Damit steht eine Wahlwiederholung an.]
Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Rumänien sind ein weiterer Baustein im internationalen Aufstieg der Rechten und verdeutlichen das Versagen etablierter Parteien und ihrer neoliberalen Politik. Diese Dynamiken spiegeln eine tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Krise wider, die das Land über Jahrzehnte hinweg geprägt hat. Es drängt sich die Frage auf, wie sozialistische Bewegungen der berechtigten Frustration der Menschen begegnen können, ohne den Rechtspopulist:innen das Feld zu überlassen.
Der Erfolg des unabhängigen Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu und der nahestehenden Partei AUR (deutsch „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“) ist ein unmissverständlicher Weckruf. Georgescu, ein Ultrarechter mit prorussischen Positionen, erreichte in der ersten Wahlrunde 22,94 % der Stimmen und zog mit einfachen, nationalistischen Parolen Aufmerksamkeit auf sich. Forderungen wie das Ende der Hilfe für die Ukraine oder Skepsis gegenüber der NATO zielten auf Ängste und Ressentiments ab, ohne konkrete Lösungen zu bieten. Gleichzeitig konnte die AUR mit 17,6 % der Stimmen bei der Parlamentswahl ihren Slogan „Glaube, Nation, Familie und Freiheit“ erfolgreich verbreiten.
Dieser scheinbare Triumph des Nationalismus ist jedoch weniger eine Stärke der Rechten als ein Symptom der gesellschaftlichen Krisen. Jahrzehntelange neoliberale Reformen haben Rumänien schwer getroffen: Der Sozialstaat wurde abgebaut, korrupte Eliten plünderten den Staat, und die versprochenen Vorteile des EU-Beitritts blieben für die Mehrheit unerreichbar. Stattdessen stiegen die Lebenshaltungskosten, während Löhne stagnierten und die soziale Ungleichheit wuchs.
Die etablierten Parteien trugen maßgeblich zum Aufstieg der Rechten bei, indem sie die Bedürfnisse der Bevölkerung ignorierten. Parteien wie die PSD (deutsch „Sozialdemokratische Partei“) und die PNL (deutsch „Nationalliberale Partei“), einst Garanten sozialer Stabilität, wandelten sich zu Eliten-Werkzeugen, unfähig, auf drängende Probleme wie hohe Lebenshaltungskosten oder die Perspektivlosigkeit junger Menschen zu reagieren.
Die jüngsten Wahlergebnisse offenbaren nicht nur eine zunehmende politische Polarisierung, sondern werfen auch grundlegende Fragen zu den gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen auf, die den Aufstieg rechter Kräfte begünstigen. So nutzte Georgescu soziale Medien wie TikTok effektiv, um vor allem junge, frustrierte Wähler:innen zu mobilisieren. Er zieht als Erstplatzierter in die Stichwahl ein, während der sozialdemokratische Kandidat Marcel Ciolacu mit 19,16 % knapp hinter der Mitte-Rechts-Kandidatin Elena Lasconi (19,17 %) lag. Zum ersten Mal erreichte weder ein Kandidat der PSD noch der PNL die Stichwahl – ein alarmierendes Zeichen für die Schwäche der traditionellen Parteien.
Auch die Parlamentswahl brachte einen deutlichen Rechtsruck: Drei rechte Parteien zogen ins Parlament ein und erzielten gemeinsam über 30 % der Stimmen. Die AUR unter George Simion erreichte 17,6 %. Obwohl die regierende PSD mit 22,9 % stärkste Kraft blieb, zeigt ihre Bereitschaft zu Koalitionen mit den nationalistischen Kräften, wie angespannt die politische Lage ist.
Linke Bewegungen – in Rumänien und darüber hinaus – müssen sich fragen, warum sie es nicht geschafft haben, diese Unzufriedenheit in sozialistische Politik zu übersetzen. Der Kampf gegen den Rechtsruck kann nicht allein auf parlamentarische Arbeit oder moralische Appelle reduziert werden. Es bedarf einer tiefgehenden Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Ursachen dieses Aufstiegs sowie einer Rückbesinnung auf die Kernprinzipien sozialistischer Politik: die Selbstorganisation der Arbeitenden und Unterdrückten. In diesem Sinne ist der Rechtsruck in Rumänien auch Versagens der Linken.
Die Stichwahl zwischen Georgescu und Elena Lasconi wird die politische Zukunft des Landes maßgeblich prägen, doch unabhängig vom Ausgang bleiben die grundlegenden Probleme bestehen. Der Kampf gegen die Rechte muss nicht nur mit dem Kampf gegen soziale Ungleichheit verbunden werden, sondern auch mit der Selbstorganisierung der Beschäftigten und Unterdrückten gegen die Parteien, die dem Rechtsruck nichts mehr entgegenzusetzen haben. Die Entwicklungen in Rumänien zeigen, dass der Vormarsch der Rechten nicht nur ein nationales, sondern ein globales Problem ist – ein Ausdruck der Krise des Kapitalismus.