Wahlen in Katalonien: Mehrheit stimmt für die katalanische Republik und gegen den Artikel 155
Trotz des institutionellen Putsches und der Repression gewann die Unabhängigkeitsbewegung die Wahlen am 21. Dezember. Die neoliberale rechte Partei Ciudadanos erlangte die meisten Stimmen, während die PP abstürzt. Die linken Wahlbündnisse der "Comunes" und die CUP verlieren Sitze. Die Debatte, welche Kraft wir brauchen, um die reaktionäre Offensive zu bekämpfen und die Ergebnisse des Referendums am 1. Oktober zu verteidigen, ist wieder offen.
Am Morgen nach der Wahl bestätigt sich das Bild, was sich schon zum Ende des Wahlabends abzeichnete: Die rechte Partei Ciudadanos gewinnt die Wahlen und wird mit 37 Sitzen (25,38 Prozent) die stärkste Kraft im katalanischen Parlament bilden. Gleichzeitig aber bleibt die absolute Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter*innen im Parlament bestehen: Sie erhalten 70 Sitze, 68 wären nötig. Ein Paradox, dass sich dadurch erklärt, dass auf der Seite der Gegner*innen der Unabhängigkeit die Stimmen sich auf Ciudadanos konzentrierten, während die PP massiv eingebrochen ist und nun mit nur noch drei Abgeordneten (4,2 %) fast schon eine außerparlamentarische Position einnimmt. Auch das erbärmliche Resultat der sozialdemokratischen PSC von 2015 erhält sich aufrecht, mit 17 Sitzen (13,88 %).
Im Unabhängigkeitsblock teilten sich die Stimmen unter den zwei wichtigsten Kandidaturen, ERC (32 Sitze, 21,4 %) und Junts per Catalunya (JxC, 34 Sitze und 21,65 %), auf, die zusammen vier Abgeordnete mehr erhalten als 2015. Damals waren beide Kräfte im Wahlbündnis Junts pel Sí gemeinsam angetreten. Die CUP verliert sechs Abgeordnete und kommt nun nur noch auf vier Sitze, während Catalunya en Común-Podem von elf Sitzen 2015 auf acht Sitze fällt. Welche ersten Schlussfolgerungen können aus diesen Ergebnissen abgeleitet werden?
Artikel 155: ein institutioneller Putsch, der das Ziel verfehlt hat, die Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen
Trotz des Jubels von Ciudadanos wurde das Maximalziel des pro-monarchistischen Blocks nicht erreicht. Weder die Suspendierung der Regierung und die Auflösung des Parlaments, noch die Beschneidung der Autonomie und die Verhaftung von Regierungsbeamt*innen und den Anführern der Unabhängigkeitsorganisationen ANC und Òmnium, noch die Anklagen gegen mehr als 800 Funktionär*innen und Aktiivst*innen, noch die systematische Verletzung von Meinungs- und Informationsfreiheit durch die Wahlbehörde, die den verhafteten oder exilierten Kandidat*innen die Teilnahme am Wahlkampf verwehrt hat… Nichts davon hat den Millionen von Katalan*innen Angst einflößen können, die die Gründung einer Republik wünschen, die mit der Krone und dem Regime von 1978 bricht.
Auch wenn der Putsch versucht hat, durch eine eskalierende Repression mittels Staatsanwaltschaft, Oberstem Gerichtshof, Verfassungsgericht und Polizeikräften die Anführer*innen von ERC und PdeCat, der Partei von Carles Puigdemont, die bei diesen Wahlen als JxC angetreten sind, zur Aufgabe dieses Projektes zu bewegen – die gezeigt haben, dass sie bereit sind, „zur Normalität zurückzukehren“ –, konnten diese Inquisitionsmethoden nicht die Millionen von Menschen überzeugen, die gestern dem Unabhängigkeitsblock erneut den Wahlsieg gebracht haben.
Das Ergebnis des Referendums für eine katalanische Republik wird bestätigt
Tatsächlich ist der Wahlergebnis in absoluten Zahlen sogar leicht angestiegen: 47,5 Prozent der Katalan*innen haben Unabhängigkeitsorganisationen gewählt – ein fast identisches Resultat wie 2015 (47,74 Prozent) –, während die Wahlbeteiligung mit 80 Prozent auf einen historischen Höchststand steigt (bei den letzten Wahlen waren es 77,44 Prozent). Gegenüber diesem Block haben die Unterstützer*innen des reaktionären Verfassungsartikels 155, der die Grundlage für den institutionellen Putsch bildete, 43,5 Prozent der Stimmen bekommen – ein besseres Ergebnis als 2015 mit 39,17 Prozent. Die „Común“-Wahlbündnisse bekommen 7,3 Prozent, die weder in das eine noch das andere Lager gezählt werden können. Damit hat sich der Mehrheitswille der katalanischen Bevölkerung klar bestätigt, der sich schon im Referendum am 1. Oktober und den Generalstreiks vom 3. Oktober und 8. November ausgedrückt hatte.
Hin zur Überwindung der monarchistischen Rechten?
Eines der Elemente, das auf der landesweiten politischen Bühne die meisten Auswirkungen haben könnte, ist der Absturz der PP und der Aufstieg von Ciudadanos, die ihr Image einer „neuen Rechten“ konsolidieren. Ihr Diskurs ist demagogischer auf der sozialen Ebene und stellt sich als Anti-Korruptions-Kraft dar. In Katalonien konnte die Partei von Inés Arrimadas sich als beste Option darstellen, um die Unabhängigkeitsbewegung zu bekämpfen, da sie den Artikel 155 schon lange vor seinem Einsatz einforderten oder sich offen gegen die Förderung der katalanischen Sprache aussprachen. Die PP hat versucht, diesen Aufstieg zu verhindern, indem sie selbst ihren Diskurs immer weiter radikalisierte, bis hin zu einem „Le Pen“-artigen Diskurs gegen Migrant*innen. Albiol, Chef der katalanischen PP, hat sich zudem als der Vordenker der Verhaftung und Exilierung der katalanischen Regierung präsentiert.
Es wird sich noch zeigen, welche Konsequenzen dieser interne Streit im rechten Flügel des monarchistischen Blocks innerhalb der PP auf landesweiter Ebene und auf die Stabilität der Rajoy-Regierung haben wird. Aber es steht fest, dass ein weiterer Rechtsruck des 78er-Regimes vom Präsidentenpalast ausgehen wird, unterstützt von der Monarchie. Rajoy wird, um nicht weiter zu verlieren, die Repression mit Vollgas fortführen und eine Rezentralisierung des Staates mittels Richter*innen, Staatsanwält*innen und Polizist*innen durchsetzen.
Der Rückschritt der „Común“-Bündnisse und der CUP – und die Herausforderung, eine Linke aufzubauen, die für ein antikapitalistisches Programm und eine Republik der Arbeiter*innen kämpft
Catalunya en Común-Podem, angeführt von Xavier Doménech, ist eine weitere Verliererin der Wahlnacht: Sie verloren zwei Prozentpunkte und drei Abgeordnete im Vergleich zu 2015. Die gleiche Distanz zum Artikel 155 und zur Unabhängigkeitserklärung, und ihr Diskurs, „einfach weiterzumachen“ und das Ziel der Republik und des Verfassungsgebenden Prozesses unter die Erlaubnis von Regierung, Gerichten und Krone unterzuordnen, kam sie teuer zu stehen. Vor allem entlarvt es sie als eine gezähmte Linke, die immer weiter in das 78er-Regime integriert ist.
Die CUP ihrerseits ist von zehn auf vier Abgeordnete abgestürzt. Das lässt sich nicht allein mit einer „nützlichen Stimme“ für die ERC erklären, die möglicherweise bei diesen außerordentlichen Wahlen eine Rolle gespielt hat. Die unkritische Zusammenarbeit und die Unterordnung unter die Strategie der katalanischen Regierung hat es ihr verunmöglicht, eine Alternative in der Politik und der Mobilisierung gegen die Führung von ERC und PdeCat aufzubauen, die schlussendlich kapituliert haben und die Republik nicht verteidigen wollten.
Weder die Politik der paktierten Reform des Regimes von 78, noch die Unterordnung unter Oriol Junqueras (ERC) und Carles Puigdemont (PdeCat) sind geeignet, um sich den Gefahren der kommenden Monate entgegenzustellen. Einerseits gibt es die reale Möglichkeit, dass die Führung des Unabhängigkeitsprozesses – die aus diesen Wahlen gestärkt hervorgeht, sogar Puigdemont und die PdeCat, die die ERC überholt haben –, letztlich auf den Weg einer stärkeren Autonomie und Verhandlungen mit dem Zentralstaat zurückkehren. Andererseits gibt es die Notwendigkeit, sich gegen die repressive Offensive des Zentralstaats zu wappnen, die Freiheit und das Fallenlassen der Anklage gegen die politischen Gefangenen und Angeklagten zu erlangen, und das Projekt der reaktionären Restauration des 78er-Regimes durch den monarchistischen Block zu bekämpfen.
Gegen beide Szenarien ist es unabdingbar und dringend notwendig, eine Linke aufzubauen, die unabhängig von den Parteien ist, die gezeigt haben, dass sie den Kampf für eine Republik nicht bis zum Ende führen wollen. Eine Linke, die sich vornimmt, die Republik durch die soziale Mobilisierung und die Vereinigung dieses Kampfes mit der Eroberung eines Programms zu erreichen, damit die Krise die Kapitalist*innen bezahlen.
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