Vorwahlen in Argentinien: Front der Linken und der Arbeiter*innen (FIT) erhält knapp eine Million Stimmen
Angesichts der Polarisierung der politischen Situation in Argentinien konsolidiert sich die Front der Linken und der Arbeiter*innen (FIT) als einzige unabhängige Alternative gegen die Spardiktate der Kapitalist*innen. Besonders in einigen Provinzen konnte die FIT punkten.
Am gestrigen Tage fanden in ganz Argentinien die obligatorischen Vorwahlen (PASO) für die Legislatur statt. Bis in die frühen Morgenstunden konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die starke Polarisierung zwischen der Regierungsfront Cambiemos des rechten Präsidenten Mauricio Macri und der kirchneristischen „Unidad Ciudadana“ („Bürger*innen-Einheit“) in der Provinz Buenos Aires. Dort bot sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem Cambiemos mit knapp 35% vor der kirchneristischen Liste mit etwas mehr als 32% gewann. Während Macri die Wahlen als einen Triumph verkaufen will, ist diese Frontstellung nur der schärfste Ausdruck einer landesweiten Polarisierung, bei dem die Vorwahlen als eine Art „Plebiszit“ über die bisherige Amtszeit von Mauricio Macri gesehen wurden. Es bleibt zu sehen, ob diese Polarisierung bei den tatsächlichen Wahlen im Oktober zu einer Kräfteverschiebung im nationalen Parlament führt, die die zweite Amtshälfte Macris schwieriger machen wird.
Für die FIT sind die Wahlen als ein Erfolg zu verbuchen. Mit 950.000 Stimmen für die von allen Varianten der Bosse unabhängige und antikapitalistische Wahlfront verbucht sie 250.000 mehr als vor zwei und circa 50.000 mehr als vor vier Jahren. Die Schwankung im Vergleich zu den anderen erklärt sich dadurch, dass vor zwei Jahren die Wahlen zur Präsidentschaft stattfanden, bei denen viele Sektoren der Wähler*innenschaft tendenziell für größere Parteien stimmen, während bei den Wahlen zur Legislatur die Oppositionsparteien bessere Resultate erzielen.
Die FIT konnte sich in den 22 der 24 Provinzen, in denen sie zur Wahl trat, als stärkste linke Kraft durchsetzen. Wie auch bei den vorigen Wahlgängen ist zu erwarten, dass sie zu Oktober die Stimmen anderer, kleinerer linker Wahlbündnisse kanalisiert, die es nicht über die 1,5%-Hürde geschafft haben, und somit einen quantitativen Sprung machen kann. Die Prognose ist, dass zum Nationalkongress, in dem die FIT zur Zeit vier Abgeordnete hat, sich ein*e weitere*r für die Provinz Jujuy summiert. Wie es für die Wahlfront der drei Parteien (PTS, PO und IS) üblich ist, rotieren innerhalb einer Legislaturperiode die Positionen zwischen diesen. Zudem könnten einige Abgeordnete für diverse Provinzparlamente hinzugewonnen werden.
In der Provinz Buenos Aires hatten nach der vorläufigen Auszählung die Spitzenkandidaten der FIT Nicolás del Caño (PTS) und Néstor Pitrola (PO) 3,62% bzw. 3,38% bekommen, in der Hauptstadt Myriam Bregman (PTS) und Marcelo Ramal (PO) 4,38% bzw 3,79%. In Mendoza konnte Neolia Barbeito (PTS) sogar 8,82% erlangen.
Besonders bemerkenswert ist jedoch der Wahlausgang in der Provinz Jujuy: Dort hatte der Spitzenkandidat Alejandro Vilca der PTS, Arbeiter und Gewerkschafter im städtischen Reinigungsdienst, 12,6% der Stimmen bekommen. Dieses historische Ergebnis für einen Müllarbeiter sowie auch die guten Zahlen für Raúl Godoy in Neuquén (Arbeiter der Keramikfabrik Zanon unter Arbeiter*innenkontrolle und Provinzabgeordneter für die FIT) und andere finden im Kontext eines neuen Phänomens statt: Die FIT konnte nicht nur ihre Stimmenzahl erhöhen, sondern auch die Stimmenzusammensetzung ändern. Im Vergleich zu den vergangenen Wahlen stammen mehr Stimmen für die FIT aus Arbeiter*innensektoren. Das hatte viel mit der Wahlkampagne zu tun, wo in den vergangenen Wochen Millionen von Arbeiter*innen die Kandidat*innen der FIT wie Nicolás del Caño, Myriam Bregman und andere im Fernsehen gesehen haben, wie sie gemeinsam mit den Arbeiter*innen von PepsiCo kämpfen – während weder die Gewerkschaftsspitzen noch die falsche Opposition des Kirchnerismus etwas für diesen Widerstand getan haben. Währenddessen erhob die FIT ein Programm für die Forderungen der Arbeiter*innen, wie die Reduzierung des Arbeitstages auf sechs Stunden täglich und 30 Stunden wöchentlich, bei vollem Lohnausgleich.
Jedoch bleiben die Wahlen für die antikapitalistische Front nur ein Mittel zum Zweck. Die Position im Parlament wird genutzt, um Kämpfen auf der Straße Gehör zu verschaffen und das Parlament somit als Bühne für gesellschaftliche Kämpfe zu benutzen. Um nicht dem Bürokratismus der politischen Kaste zu verfallen, erhalten die Abgeordneten das durchschnittliche Gehalt eine*r Lehrer*in und spenden den Rest für gesellschaftliche Zwecke und Kämpfe. Der hohe Politisierungsgrad, der während der Wahlen existiert, wird benutzt, um Sympathien für das Programm der Front und für Kämpfe wie den gegen die Entlassungen bei PepsiCo zu generieren. Das Wahlergebnis ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass alle größeren Parteien im Gegensatz zur FIT Leute für den Wahlkampf engagierten.
Aufgrund der Sympathie, die der Großteil der argentinischen Bevölkerung für den Kampf bei PepsiCo hat, und den Fakt, dass dieser von vielen mit der FIT assoziiert wird, konnten viele freiwillige Wahlhelfer*innen gewonnen werden. Nun gilt es, bis Oktober die Zahl der Helfer*innen zu vergrößern, um mehr Personen für eine linke Perspektive auf den Ausweg aus der Austeritätspolitik zu gewinnen. Dazu ist eine intensive Kampagne notwendig, die in einer politisch immer zugespitzteren Lage eine unabhängige Position aufzeigt. Die Dirigentin der PTS und Gründerin der sozialistischen Frauenorganisation „Pan y Rosas“, Andrea D‘Atri, sagte hierzu: „Gebt uns 24 Stunden Ruhe und wir fangen an mit der Kampagne bis Oktober“.