Vom Protestcamp zur Vollversammlung an der LMU München: Kräfte sammeln gegen Genozid und Rechtsruck
Die Studierendenproteste gegen den Völkermord in Gaza haben München erreicht. Nach dem Protestcamp vor der Ludwig-Maximilians Universität (LMU) ist es nötig, die Solidarität in der Vollversammlung am Dienstag auszuweiten.
Nicht nur in den USA, sondern europaweit kommt es in den letzten Tagen und Wochen zu zahlreichen Aktionen und Mobilisierung von Studierenden. Mit Akten des zivilen Ungehorsams setzen sie sich für die Befreiung Palästinas ein, ähnlich wie das international in den 1960er Jahren mit den Antikriegsprotesten der Fall war.
Die Studierendenbewegung bildet in den imperialistischen Zentren aktuell eine Avantgarde des Protests. Sie kritisiert die Unterstützung ihrer Regierungen für den Genozid in Gaza und fordert ihre Unversitäten mit Hilfe von Camps, Besetzungen und Blockaden dazu auf, wissenschaftliche und finanzielle Kooperationen mit dem israelischen Staat und seinen Universitäten zu kappen, vor allem unter dem Gesichtspunkt der militärischen Forschung. Im Zuge dieser Proteste kam es in den USA zu zahlreichen Exmatrikulationen. In einer Pariser Universität wurden 88 Studierende verhaftet, weil sie in Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung Teile ihrer Uni besetzten. Auch in Berlin und Amsterdam kam es zu exzessiver Polizeigewalt.
Die LMU-Leitung lügt
Mit einer ersten Kundgebung und einem Protestcamp hat die Bewegung auch die LMU München erreicht. Es dauerte nicht lang, da distanziert sich die Unileitung von den Protesten: „Kein Platz für Antisemitismus an der LMU!“ titelte sie in einer Pressemitteilung. Ohne irgendwie inhaltlich auf die Forderungen einzugehen, diffamierte sie diese pauschal als „antisemitisch“, obwohl besonders in den USA zahlreiche jüdische Studierende an den Protesten gegen den Völkermord teilnehmen.
Die LMU-Leitung setzt Kritik an Israel ohne jeden Beweis mit angeblichem Antisemitismus gleich, ohne sich überhaupt nur zu Gaza zu äußern. Wie dreist sie lügt, zeigt sich an der Behauptung, Gewalt, Waffen und Bedrohungen hätten an der LMU keinen Platz. Sie konstruiert ein rassistisches Feindbild gewalttätiger Palästinenser:innen, während sie seit Jahren Bombenforschung betreiben lässt und kein Problem hatte, die Polizei auf die letzte Palästina-Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Uni zu hetzen.
Die Diffamierung der Palästina-Solidarität als „gewalttätig“ und „antisemtisch“ ist keineswegs zufällig. Es knüpft an den antimuslimischen Rassismus der AfD an, der längst in der politischen „Mitte“ und der Regierungspolitik angekommen ist. Er wird nun genutzt, um unliebsame Proteste zu diffamieren und zu verbieten. Die Haltung der LMU-Leitung steht somit ebenso im Kontext des Rechtsrucks. Dazu gehören eben auch Polizeieinsätze, das Kooperationsgebot mit der Bundeswehr oder das Gender-Verbot an öffentlichen Einrichtungen von Markus Söder. Mit letzterem versucht er, kritische und feministische Stimmen zu disziplinieren und trans Personen unsichtbar zu machen. Der Kampf gegen Genozid und Militarisierung muss daher unbedingt zusammengeführt werden mit dem Kampf gegen den Rechtsruck.
Die Polizei will die Proteste isolieren: Lassen wir das nicht zu!
Die entscheidende Frage ist nun, wie wir als Studierende diesen Schwung nutzen können, um die Solidarität auszuweiten. Wir brauchen die Beteiligung von tausenden Kommiliton:innen, die zwar vielfach gegen den Völkermord sein müssen, aber bisher nicht aktiv geworden sind. Wir brauchen die Unterstützung und Zusammenarbeit unserer Dozierenden und weiterer Hochschulbeschäftigter. Die City University New York hat vorgemacht, dass dies geht. Dort sind hunderte Beschäftigte in den wilden Streik getreten. Nach der Räumung der FU Berlin haben rund 1.000 wissenschaftliche Beschäftigte eine Unterschriftenliste unterzeichnet, die sich gegen den Einsatz der Polizei an den Universitäten richtet.
Die Räumung von Camps durch die Polizei soll verhindern, dass sich größere Teile der Studierendenschaft und der Belegschaften den Protesten anschließen können. Die Regierungen in Deutschland, Frankreich und den USA haben Angst vor einer massiven Jugendbewegung, die auch die Arbeiter:innenschaft anstecken und eine breite Protestwelle gegen den Genozid und die Kriegspolitik auslösen könnte.
Es ist wichtig, dass wir uns von der Polizei nicht einschüchtern lassen. Gleichzeitig werden skandalöse Bilder von Polizeigewalt nicht „automatisch“ dazu führen, die Proteste auszuweiten oder zu radikalisieren. Die moralische Wirkung, welche Polizeieinsätze auf die Protestierenden sowie die abwartenden Teile der Studierendenschaft haben, hängt in erster Linie davon ab, wie gut es gelingt, darüber zu sprechen und die Gewalt vor einer breiten Menge als illegitim bloßzustellen. Das entscheidet, ob sie etwa einschüchternd wirkt oder Trotzreaktionen hervorruft.
Die wichtigste Aufgabe der Bewegung ist es also, die Diskussionen in die Studierendenschaft zu tragen. Es gilt jetzt, Kräfte zu sammeln, um den Protest auszuweiten: Er kann nicht nur von einigen dutzend Leuten getragen werden. Es braucht hunderte und tausende, die sich zu einer Bewegung gegen Genozid, Militarisierung, Kürzungspolitik und Rechtsruck formieren und sich mit der Arbeiter:innenbewegung verbinden. Wir rufen auch die Gewerkschaften GEW und ver.di, die die Beschäftigten der Unis organisieren, sowie die Betriebsgruppen von LMU und Technischer Universität auf, die Proteste zu unterstützen. Ebenso sollte sich die aktuell formierende Initiative von ver.di gegen Aufrüstung und Sozialabbau, die sich am 14. Mai trifft, mit der Studierendenbewegung verbinden.
Wir müssen die Protestcamps mit Vollversammlungen auf größere Teile der Uni ausweiten. Wenn wir die „offiziellen“ Organe der Studierendenschaft, Fachschaften und Konvent, für die Ausweitung der Proteste gewinnen, kann die Bewegung viel leichter einen wirklichen Masseneinfluss entwickeln. Sie haben die nötigen Mittel und die Präsenz an den Instituten, um in jedem Winkel der Münchner Unis zu Versammlungen und Aktionen aufzurufen. Dies würde der Bewegung gleichzeitig eine größere Legitimität verschaffen und es somit erleichtern, den Brückenschlag zu Sektoren der Arbeiter:innenklasse und der sozialen Bewegungen außerhalb der Universität zu schaffen.
Dienstag: Vollversammlung an der LMU
Solch eine vom Konvent der LMU geplante uniweite Diskussionsversammlung findet nächste Woche Dienstag ab 18 Uhr in Raum B006 im Hauptgebäude der LMU am Geschwister-Scholl-Platz statt. Wir wollen dort über das drohende Kooperationsgebot sprechen, dass die bayerische Staatsregierung plant. Sie will damit ihre Politik der „Kriegstüchtigkeit“ in immer mehr gesellschaftliche Bereichen voranbringen, da das Gebot eine verpflichtende Zusammenarbeit zwischen staatlichen Universitäten und der deutschen Bundeswehr, also auch der gesamten Nato, vorsieht. Die Waffen, mit denen Israel seinen Genozid vollzieht, werden auch an deutschen Universitäten entwickelt. Mit ihrem Kooperationsgebot will die bayerische Staatsregierung dies zur Regel machen.
Es ist notwendig, mit den Versammlungen für eine Demokratisierung der Universitäten einzusetzen. Wie dringlich dies ist, zeigte das Statement des „Freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften“ (fzs) zu den Protesten. Das formal höchste Gremium von Studierendenvertretungen in Deutschland vertritt formal rund eine Million Studierender. Nun glänzte der fzs mit der Forderung, „antisemitische“ Protestcamps von den Unis zu „verweisen“. Der fzs legitimiert damit die Polizeieinsätze und fordert gar die Hochschulen auf, sich für das „Existenz- und Verteidigungsrecht Israels“ auszusprechen. Ein Haufen reaktionärer Karrierist:innen feiert hier offen und angeblich im Namen der Studierenden den Genozid, ohne jede demokratische Legitimiation. Wir wollen in den Fachschaften mit all denjenigen zusammenarbeiten, die sich gegen Krieg und Militarismus einsetzen. Denjenigen, die gegen diese Perspektive sind, werden wir ihren politischen Einfluss streitig machen.
Wir rufen alle linken Kräfte in München, die sich unter Studierenden organisieren, dazu auf, gemeinsam diesen Kampf zu führen, gegen die Rechten in Konvent und Fachschaften, die mit bürokratischen Mitteln die Ansätze der Selbstorganisierung und der Weiterentwicklung der Bewegung bremsen und blockieren wollen und die nicht davor zurückschrecken werden, im Zusammenspiel mit der Unileitung die Proteste zu diffamieren. Wir rufen entsprechend unsere Kommiliton:innen aus dem Unikomitee für Palästina sowie Gruppen wie Der Funke und die Aktion gegen Krieg und Militarisierung (AKM) oder auch Queer Resistance dazu auf, mit uns, Waffen der Kritik, diesen Weg zu gehen, und in der Vollversammlung am Dienstag für ein Programm der Mobilisierungen einzutreten:
1. Für Waffenstillstand in Gaza und einen Stopp aller Waffenlieferungen. Die Unis müssen sich hinter diese Forderungen stellen.
2. Offenlegung aller bisheriger Rüstungskooperationen und Verbot aller Rüstungsforschung
3. Gegen die Repression: Polizei runter vom Campus!
4. Gegen die Disziplinierung der Uni: Kein Genderverbot, keine Werbung für Polizei, Konzerne, Bundeswehr
5. Für eine demokratische Uni unter Kontrolle der Studierenden
6. Für die Einheit von Studierenden und Beschäftigten. Die Gewerkschaften müssen den Kampf aufnehmen im öffentlichen Dienst, Logistik, Industrie und weiteren Sektoren: Gegen Genozid, Militarisierung und Kürzungspolitik. Lasst uns gemeinsam große Demos und Streiks organisieren!
Wir schlagen vor, zum 18. Mai anlässlich des Nakba-Tages, dem Jahrestag der Vertreibung der Palästinenser:innen, zu einem großen Protest aus der Uni mit Werbung an allen Instituten zu mobilisieren. Eine Demo von Palästina Spricht ist für diesen Tag um 15 Uhr am Marienplatz angemeldet.
Universitätsweite Austauschveranstaltung
Dienstag, 14. Mai 2024
18 Uhr
Raum B006, LMU-Hauptgebäude