Vierter Kongress der PTR: Neue Herausforderungen in neuer Situation
Am vergangenen Wochenende fand der IV. Kongress der Partei Revolutionärer Arbeiter*innen aus Chile statt. Dort wurde über die Aufgaben der Revolutionär*innen in der aktuellen politischen Situation diskutiert.
Zwischen dem 8. und 10. Oktober kamen fast 200 Menschen in Santiago de Chile zum IV. Kongress der Partei Revolutionärer Arbeiter*innen (PTR) zusammen. Die Delegierten kamen aus zahlreichen Städten des lang gestreckten Landes, von Arica im hohen Norden bis Puerto Montt im Süden.
Studierende der wichtigsten Universitäten des Landes sowie Arbeiter*innen verschiedener Branchen wie den Kupferminen, dem Bildungswesen, der Post, etc. führten lebhafte Debatten. Sie diskutierten über die internationale Situation, neue politische Phänomene und den Klassenkampf in Chile und die Aufgaben der Revolutionär*innen, um eine politische Alternative der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Frauen aufzubauen.
Wirtschaftskrise
Die neue Phase der Wirtschaftskrise trifft Chile genauso wie andere sogenannte Schwellenländer besonders hart. Der Preisverfall des wichtigen Rohstoffs Kupfer hat eine Verlangsamung der Wirtschaft zufolge, die von der herrschenden Klasse auf Kosten der breiten Massen mit Steuererhöhungen und Budgetkürzungen bezahlt werden soll. Gleichzeitig können sich die nationalen und imperialistischen Konzerne milliardenschwerer Gewinne sicher sein.
Chile galt lange als Vorzeigemodell für andere, krisengeplagte lateinamerikanische Länder. Doch seit einigen Jahren erschüttern all die für Halbkolonien typischen Krisen auch das Andenland: Omnipräsente Korruptionsskandale zeigen die Verbindungen zwischen politischer Kaste und den Unternehmer*innen auf und stellen sowohl die Mitte-Links-Regierung als auch die rechte Opposition infrage. Besonders die Beliebtheit der Präsidentin Michelle Bachelet befindet sich auf historischen Tiefstwerten. Doch die Opposition kann von dieser Unzufriedenheit nicht profitieren, da sie sich in der Verteidigung ihrer reaktionären und neoliberalen Werte verschanzt.
Protestbewegungen
Chile ist auch eines der lateinamerikanischen Länder, das die größten Mobilisierungen der vergangenen Jahre erlebte. Seit 2011 protestieren die Studierenden für kostenlose Bildung mit riesigen Streiks, Besetzungen und Demonstrationen. Es bildete sich eine kämpferische Avantgarde heraus, die kein Vertrauen in das Regime hat, das die Bewegung mit Repression und kosmetischen Veränderungen des Bildungssystems niederschlagen will. In dieser Situation trug die Politik der Führungen der Studierendenbewegung entscheidend zu einem Rückgang der Proteste bei: Sie schürten Hoffnungen in Verhandlungen mit der Regierung, anstatt auf die konsequente Mobilisierung zu setzen.
In diesem Jahr betrat eine neue Protestbewegung die politische Bühne: Sie wendet sich gegen das private Rentensystem (AFP), das ebenso wie das private Bildungs- und Gesundheitssystem aus der Militärdiktatur von Augusto Pinochet stammt. In den vergangenen Monaten konnten zwei landesweite Demonstrationen jeweils fast eine Million Teilnehmer*innen auf die Straßen bringen. In den kommenden Wochen finden eine weitere landesweite Mobilisierung und ein Generalstreik gegen das AFP statt.
Neue politische Phänomene
Im Rahmen der Krise des politischen Regimes und massenhafter Mobilisierungen von Studierenden, Arbeiter*innen und Rentner*innen entstehen neue politische Phänomene. So ist es nicht zu verwundern, dass die ehemaligen Vertreter*innen der Studierendenbewegung und linksreformistischen Abgeordneten Giorigio Jackson und Gabriel Boric heute zu den beliebtesten Politiker*innen des Landes gehören. Sie sind nur die Spitze eines Eisberges aus neu entstehenden gewerkschaftlichen Strömungen, linken Zusammenschlüssen und Figuren, die die Hoffnungen auf Veränderung von Millionen ausdrücken.
Dieses Szenario bietet neue, seit der Rückkehr der bürgerlichen Demokratie vor 26 Jahren nie dagewesene Möglichkeiten für die revolutionäre Linke. In den vergangenen Jahren konnte die PTR mit den Sektoren der Studierendenbewegung verschmelzen, die am konsequentesten für die kostenlose Bildung und gemeinsam mit den Arbeiter*innen kämpften. In der Arbeiter*innenklasse gewinnt sie zunehmende Unterstützung von Sektoren der Basis und Gewerkschaftsdelegierten, die für eine antibürokratische und klassenkämpferische Ausrichtung der Gewerkschaften und der Arbeiter*innenbewegung eintreten. Auch die sozialistische Frauenorganisation Pan y Rosas Teresa Flores entwickelte sich zu einem Referenzpunkt innerhalb der radikalen feministischen Bewegung des Landes, in dem Abtreibungen verboten und die kirchliche Moral vorherrschend sind.
Neue Aufgaben
Um zu einer Strömung von hunderten Arbeiter*innen, Jugendlichen und Frauen mit Verankerung in den Schulen, Universitäten, Betrieben und Fabriken anzuwachsen, nahm sich der IV. Kongress den Aufbau breiter und dynamischer Gruppierungen vor. Eine besondere Beachtung soll außerdem die theoretische und ideologische Arbeit bekommen, um nicht nur neue Arbeiter*innen und Jugendliche im revolutionären Marxismus zu schulen, sondern auch kommunistische Kader auszubilden.
Gemeinsam mit den Tageszeitungen in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Spanien, Frankreich und Deutschland gibt die PTR seit anderthalbJahren eine digitale Tageszeitung der revolutionären Linken heraus. In dieser Zeit konnte sie sich durch konkrete Kampagnen zu einem Bezugspunkt innerhalb der Linken entwickeln und die Ideen der PTR Hunderttausenden Menschen bekannt machen.
Um diese Sichtbarkeit für die breiten Massen noch zu erweitern, und im Rahmen neuer politische Phänomene eine revolutionäre Alternative in ganz Chile zu positionieren, nahm sich die PTR außerdem vor, sich als legale Partei zu konstituieren, um zu den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr anzutreten. Den positiven Erfahrungen der Genoss*innen der Trotzkistischen Fraktion aus Argentinien, Mexiko und Brasilien folgend, wollen sie auch in Chile eine politische Alternative der Arbeiter*innen, Jugendlichen und Frauen aufbauen, die für die sozialistische Revolution und eine Regierung der Arbeiter*innen kämpft.