Vier Lehren und ein Vorschlag aus #NoGroKo

07.03.2018, Lesezeit 5 Min.
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123.329 Mitglieder der SPD haben gegen eine neue Große Koalition gestimmt. Viele davon aus der ehrlichen Sorge, dass weitere soziale Standards verkauft werden. Das Problem: Aktuell ist keine Alternative in Sicht. Wie können diejenigen weitermachen, die gegen die GroKo sind? Vier Lehren und ein Vorschlag.

Auch gegen die letzte Große Koalition gab es vor vier Jahren Vorbehalte. Doch diesmal sitzt der Unmut tiefer. Nach zwölf Jahren „Alternativlosigkeit“ unter Angela Merkel mit Sozialabbau und Kriegseinsätzen, sehnen sich viele nach einem Wandel. Eine Initiative innerhalb der Partei, #NoGroko, hat sich organisiert und über einen Mitgliederentscheid gegen die Regierungsbeteiligung geworben, aber verloren. Wir haben vier Lehren und einen Vorschlag für diejenigen Sozialdemokrat*innen und andere gesammelt, die nach einer echten Alternative suchen:

1. Unter Merkel geht es nicht weiter

Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Statt Vermögende zur Kasse zu bitten, sind laut BILD, AfD und Co an der sozialen Misere „die Ausländer“ schuld. Aber um die Ungleichheit zu besiegen, braucht es kein rassistisches Treten nach unten, das zur Spaltung und Entsolidarisierung führt, sondern eine Kampfansage nach oben. Die SPD-Spitze verkauft die neue GroKo als einzige Option. Aber sie bedeutet weitere vier Jahre Angriffe auf die Arbeiter*innen und die von Unterdrückung Betroffenen, Sozialabbau, Kriegseinsätze, eine verheerende Klimapolitik und ein Erstarken des Rechtsextremismus.

2. Hartz IV muss weg

Im Jahr 1993 gab es in Deutschland eine einzige Tafel, die Lebensmittel an Bedürftige ausgab. 2003 waren es schon 330. Nach den Hartz-“Reformen“ unter Bundeskanzler Gerhard Schröder stieg die Notversorgung für die Ärmsten drastisch auf mittlerweile über 900 Tafeln. Altersarmut und prekäre Jobs sind heute weit verbreitet. Die Tarifbindung in den deutschen Betrieben nimmt ab. Die Hartz-“Reformen“ haben zu Sozialkürzungen und kapitalistischem Wettbewerb in allen Lebensbereichen geführt. Ob auf dem Arbeitsmarkt, in Schule und Uni oder bei der grundlegenden Versorgung mit Gesundheit oder Wohnungen: Alles ist nur noch auf Profitmaximierung ausgerichtet. Damit muss Schluss sein.

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(Grafik: Zahl der Tafeln in der BRD, Quelle: www.tafel.de)

3. GroKo bedeutet kriegerische Außenpolitik

Die Bundeswehr ist in 14 Ländern oder Gewässern außerhalb der EU unterwegs. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Aktuell belagern Panzer aus deutscher Produktion, die an den türkischen Diktator Erdoğan verkauft wurden, das kurdische Kanton Efrîn in Nordsyrien. Waffenlieferungen und Kriege, die unter sämtlichen SPD-Regierungen der letzten Jahre mitgetragen wurden, sorgen für Vertreibung, Tod und internationale Spannungen. Begleitet wird die kriegerische Außenpolitik von einer Militarisierung nach innen mit immer neuen Gesetzen für Überwachung, Abschiebungen und Polizeistaat. Der Krieg nach außen trifft durch Terror und Repression auch die Bevölkerung hierzulande.

4. Kevin Kühnert bietet keine Alternative

Der Chef der Jusos hat ernsthaft gegen die GroKo gekämpft. Aber er hat aus den falschen Gründen und ohne Perspektive gekämpft. Er hat weder eine Absage an Hartz IV noch an deutsche Kriegseinsätze ausgesprochen. Sein Ziel war, die SPD aus den Scharmützeln der Regierungsbeteiligung herauszuhalten, um ihr Überleben zu sichern, damit er selbst im Laden aufsteigen kann. Eine andere Perspektive als „dann muss es Merkel in einer Minderheitsregierung alleine machen“ hat er nicht geboten. Die fehlende Alternative und die Angst vor einer noch schlimmeren Regierung hat viele SPD-Mitglieder dazu bewegt, mit Ja zu stimmen – obwohl sie vom Koalitionsvertrag nicht überzeugt waren.

5. Vorschlag: Beenden wir selbst den Pflegenotstand, statt auf laue Versprechungen der GroKo zu warten

Aus den Parlamenten alleine erwächst keine Alternative, die die Interessen der Mehrheit gegen Prekarisierung, Renten- und Sozialabbau, steigende Mieten, Kriege, Rassismus und Sexismus durchsetzen könnte. Aber es gibt Bewegungen in der Arbeiter*innenklasse: Die Beschäftigten bei der IG-Metall traten erstmals seit Jahren in den Kampf um kürzere Arbeitszeiten. Pfleger*innen wehren sich gegen Personalmangel und die neoliberale Durchorganisierung von Heimen und Krankenhäusern. Zudem gibt es Arbeitskämpfe von studentischen Beschäftigten, im Nahverkehr, dem Einzelhandel, der Reinigung, bei Lehrer*innen, Post-Angestellten, Flugpersonal, Erzieher*innen, Logistik und weiteren Branchen.

Momentan haben sie noch das Problem, vereinzelt zu kämpfen. Mit der Verbindung und gegenseitigen Unterstützung bei Streiks könnte viel mehr erreicht werden als die kleinteiligen Versprechungen, die im Koalitionsvertrag ausgehandelt wurden. Die neue GroKo hat vereinbart, dass 8.000 Jobs für Pfleger*innen neu geschaffen werden sollen. Aber um den Pflegenotstand zu bewältigen, bräuchte es über 100.000 zusätzliche Stellen bundesweit. Da die Regierung und Krankenhäuser nicht gewillt sind, das nötige Personal einzustellen, muss von den Arbeiter*innen wirtschaftlicher Druck über Streiks aufgebaut werden.

Damit die Pfleger*innen und die Beschäftigten vieler weiterer Branchen nicht alleine in ihrem Kampf sind, lasst uns diese solidarisch begleiten. Schreibt Leser*innenbriefe für Angestellte. Sprecht eure Genoss*innen in der Partei und Kolleg*innen im Betrieb darauf an, dass die streikenden Arbeiter*innen Unterstützung verdienen. Wirkt an eigenen Betriebsgruppen und in den Gewerkschaften mit. Besucht Streikversammlungen. Wenn die 123.000 SPD-Mitglieder, die gegen die Große Koalition gestimmt haben, die Streiks der Pfleger*innen unterstützen, kann der Pflegenotstand wirklich beendet werden – nicht durch ein „weiter so“ mit Merkel.

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