[Video] Charlotte Ruga: „Wir brauchen einen Kampfplan, damit nicht wir die Krise bezahlen, sondern die mit den vollen Taschen!“

28.09.2020, Lesezeit 5 Min.
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Charlotte Ruga, Hebamme aus München, spricht beim Streik der Krankenhausbeschäftigten als Teil des TVÖD über die Notwendigkeit eines Kampfplans mit Versammlungen, aktiver Organisierung an den einzelnen Betrieben und eine starke TVÖD-Runde, die sich auch gegen die Krise wendet, die auf uns zukommt.

Hallo ich bin Charlotte, ich bin Hebamme, angestellt im Klinikum Neuperlach, ich bin organisiert bei Ver.di und ich schreib für die Online Zeitung Klasse gegen Klasse, die heute den Streik auch solidarisch unterstützt. Danke, dass ich reden darf.

Wir sind diejenigen, die an vorderster Front gegen die Pandemie kämpfen! Wir haben alle monatelang im Krankenhaus unter verschärften Bedingungen gearbeitet, wir haben alle Überstunden gemacht und unser Privatleben noch weiter als sonst hinten angestellt. Und nicht nur wir, sondern auch unsere Kolleg:innen aus den outgesourcten Bereichen bei uns im Krankenhaus und unsere Kolleg:innen aus anderen Sektoren, wie aus den Kitas und aus dem öffentlichen Nahverkehr, die jetzt auch streiken und die outgesourcten Kolleg:innen dürfen heute leider nicht streiken.

Wir sehen tagtäglich, wie die Regierung uns dafür behandelt. Wir kriegen kleine Trostpflaster, und nicht mal alle von uns kriegen die, zum Beispiel den Corona-Pflegebonus, den haben wir Hebammen, wie viele andere auch nicht bekommen, obwohl auch wir tagtäglich dem Risiko von einer Infektion ausgesetzt sind. Wir werden als Held:innen gefeiert, aber jetzt, wo wir dafür streiken, dass echte Konsequenzen aus den Erfahrungen gezogen werden, nämlich, dass das Gesundheitssystem auf dem letzten Loch pfeift, werden wir dafür von Menschen wie Dieter Reiter, dem Oberbürgermeister und von der SPD, die eigentlich unsere Bedürfnisse vertreten sollte, noch dafür verurteilt. Ich denke, wir dürfen uns davon nicht einschüchtern lassen, denn es ist vollkommen gerechtfertigt, dass wir das öffentliche Leben für unsere Forderungen lahmlegen.

Wir dürfen uns jetzt nicht spalten lassen und wir dürfen uns auch nicht mit Almosen zufrieden geben: Diese TVÖD-Runde muss eine Warnung sein. Es muss ein Beginn sein gegen die Krise, die sonst wir ausbaden müssen. Wir sehen, dass die Regierung das Geld, was ja da ist, lieber Betrieben wie Lufthansa zuschiebt, wo dann trotzdem tausende Kolleg:innen vor der Entlassung stehen. Es wurden Kredite in der Höhe von Hunderten Milliarden für die Banken ausgezahlt und wenn wir Geld verlangen, wird uns gesagt, dass davon nichts für uns da ist!

Unser Alltag ist politisch – wir erleben jeden Tag die Realität von einem Gesundheitssystem, das total profitorientiert ist und versucht mit Gesundheitsversorgung Geld zu machen. Das geschieht zu unserem Schaden und zu dem von unseren Patient:innen. Es ist ein Gesundheitssystem, dass sich darauf ausruht, dass überwiegend Frauen diese Arbeit tagtäglich machen und beschissen dafür bezahlt werden und behandelt werden. Und es ist ein System, dass viele von unseren migrantischen Kolleg:innen in den prekärsten Bereichen zu extrem unsicheren Bedingungen beschäftigt. Deshalb muss auch unser Kampf politisch sein und darf nicht nur bei ökonomischen Forderungen bleiben: Denn nicht mal alle, die mit uns im Betrieb arbeiten, haben Anspruch auf TVÖD! Dieser Spaltung müssen wir ein Ende setzen! Für den Kampf dagegen gibt es in Deutschland inspirierende Beispiele, z.B. in Berlin kämpfen seit Jahren die outgesourcten Beschäftigten von der CFM, an der Charité gegen das Outsourcing und die ungleiche Arbeitsbedingungen die sie haben.

Ich denke wir brauchen jetzt, dass die Gewerkschaften uns ermöglichen diesen Kampf zu führen – denn von oben werden wir nichts geschenkt kriegen. Wir müssen uns wehren und wir müssen uns organisieren. Während dieser Politik von oben ist nicht die Zeit, um Frieden einzuhalten, damit die Regierung weniger Ärger hat. Mit den anderen Sektoren im öffentlichen Dienst müssen wir gegen Entlassungen, müssen wir gegen Betriebsschließungen in der Industrie und gegen dieses profitorientierte Gesundheitssystem kämpfen. Dafür brauchen wir einen richtigen Kampfplan: wir brauchen Versammlungen, wir brauchen aktive Organisierung an den einzelnen Betrieben, wir brauchen eine starke TVÖD-Runde, aber auch gegen die Krise die kommt! Wir brauchen Forderungen gegen Mieterhöhungen und gegen Kurzarbeit und gegen Entlassungen!

Ich denke ein erster Schritt ist gemeinsam zu den Aktiventreffen von unseren Betriebe zu gehen, wo wir uns auf größere Streiks vorbereiten können, an denen noch mehr Kolleg:innen als heute teilnehmen können! Mit dem Ziel auf Streiks, die den Leitungen wirklich wehtun.

Ich denke, wir sollten alle mehr in die Öffentlichkeit treten! Unser Forderungen sollen nicht nur im Pausenraum bleiben, sie sollen nach außen gelangen! Damit nicht wir die Krise bezahlen, die wir eh schon schlechte Bedingungen haben, sondern die mit den vollen Taschen!

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