Verfassungsschutz finanziert, AfD organisiert und Seehofer legitimiert

10.09.2018, Lesezeit 8 Min.
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ARCHIV - 24.07.2018, Berlin: Horst Seehofer (CSU, r), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, sitzt neben Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2017. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Für die Abschaffung aller deutschen Geheimdienste! Die SPD muss aus der Großen Koalition austreten!

Der Rechtsruck in Deutschland ist tief verankert

Das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer scheut nicht davor zurück, die Migration zum Sündenbock zu erklären und Verständnis gegenüber den faschistischen Demonstrationen in Chemnitz zu zeigen. In einer Welle der faschistischen Angriffe auf die migrantische Bevölkerung zieht er die rassistische Schlussfolgerung, die Migration sei die „Mutter aller Probleme“ und geht darüber hinaus: Er verstehe, „dass die Bevölkerung aufgewühlt ist, dass sie empört ist über dieses Verbrechen – und das sollte die Bevölkerung auch wissen, dass man eine solche Empörung nach einem so brutalen Verbrechen versteht“. Dabei handelt es sich beim Getöteten um einen Antifaschistischen, der für das Interesse nationalistischer Demagogie verächtlich instrumentalisiert wird. Für Seehofer aber ein exemplarischer Fall, um die Bundesregierung auf seinen Kurs zu bringen und die anti-migrantische Stimmung zu verbreiten. In dem Sinne motiviert er die Teilnehmer*innen an den faschistischen Demonstrationen in Chemnitz: „Ich wäre, wenn ich nicht Minister wäre, als Staatsbürger auch auf die Straße gegangen.“

Was war aber in Chemnitz los? An anderer Stelle haben wir dazu bereits ausgeführt:

Chemnitz am Samstag: Nazi-Tattoos, T-Shirts und Gespräche der Teilnehmer*innen des rechtsextremen „Trauermarsches“ bestätigten wieder, dass es sich nicht nur um „besorgte Bürger*innen“ handelt, sondern zu einen beachtlichen Teil auch um organisierte Neonazis.

Da die faschistischen Kader innerhalb der AfD die Führung des faschistischen Mobs bilden, profitiert dieser Teil enorm von der Verschiebung der politischen Tagesordnung nach rechts. Die Verschmelzung faschistischer Kader und der AfD ist nun in der Öffentlichkeit und die Forderung an den Verfassungsschutz zur Untersuchung dieser Beziehung ist auch da. Doch das Absurde daran ist, dass der strategische Lehrer des NSU, der Verfassungsschutz, die Gesellschaft über die AfD aufklären soll, damit die faschistischen Kader liquidiert werden. Eine Partei, die ein faschistisches Netzwerk im deutschen Bundestag hat, soll untersucht werden, inwieweit sie mit den rechtsterroristischen Gruppen vernetzt ist.

Der Verfassungsschutz ist nicht reformierbar, er muss abgeschafft werden

Doch seit ihrer Gründung bis heute ist der Verfassungsschutz (BfV) im Wesentlichen darauf fokussiert, die kommunistischen, klassenkämpferischen, migrantischen und geflüchteten Aktivist*innen und Organisationen zu schikanieren und dabei immer wieder den faschistischen Kadern eine logistische, finanzielle und politische Unterstützung zu leisten. Um uns beispielsweise an die NSU-Morde zu erinnern: Der Versuch des deutschen Staates, den NSU-Prozess ohne umfassende Aufklärungen und Konsequenzen abzuschließen, wurde von den Familien der Betroffenen und antirassistischen Aktivist*innen zu verhindern versucht. Schon damals, als am 11. November 2011 ein Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln die Akten von 1997 bis 2003 über das neonazistische Umfeld von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zur Vernichtung freigegeben hat, wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt – für eine symbolische Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro. Die meisten Akten über den NSU wurden vernichtet, als das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernahm. Untersucht wurde dabei nichts. Im Gegenteil: V-Leute vom Verfassungsschutz begangen immer wieder Straftaten mit staatlicher Kenntnis, Billigung und Unterstützung. Nach Schätzungen waren 25 V-Leute des BfV in der Umgebung des NSU aktiv. Es ging von Anfang an darum, die tiefe Verstrickung von Staatsapparat und rechter Szene zu überdecken. Auch in vorherigen Untersuchungen der NPD hat das Bundesverfassungsgericht die Ermittlungen eingestellt, weil es nicht mehr erkennbar war, welche Aktivitäten von Verfassungsschutz ausgingen und welche von der NPD. Die V-Männer waren in allen Ebenen der NPD eingeschleust.

Parteien wie SPD, Linke und Grünen rufen den Verfassungsschutz dazu auf, gegen die AfD vorzugehen. Diese Haltung ist strategisch falsch. An der Spitze dieses Apparates steht Hans-Georg Maaßen, rechts-konservativer Faschistenversteher, der landesweit für Empörung sorgt, da er per Bild-Zeitung bekundet hat, dass es die Hetzjagden in Chemnitz nicht gegeben hat und „es sich um eine gezielte Fälschung handelt, um die Öffentlichkeit von dem ‚Mord von Chemnitz‘ abzulenken.“

Der Chef des Verfassungsschutzes ist unter anderem dafür bekannt, führende AfD-Kader zu beraten. Franziska Schreiber, ehemaliges Vorstandsmitglied der Jugendorganisation der AfD, berichtet in ihrem Buch „Inside AfD“ von einem Treffen zwischen Maaßen und der ehemaligen AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry, bei dem es um die Beratung ging, wie die AfD einer Beobachtung entgehen kann. Je mehr sich die Öffentlichkeit mit seinen Aktivitäten beschäftigt, umso mehr Informationen kommen ans Licht.
Für Seehofer ist Maaßen allerdings ein zuverlässiger Verbündeter: „Herr Maaßen hat mein volles Vertrauen“ sagte Seehofer im Hinblick auf die Kritiken und betonte, dass sein Informationsstand mit dem von Maaßen identisch sei.

Selbst mit einem Wechsel an der Spitze ändert sich die Struktur des Apparats nicht. Die öffentlichen Kritiken bleiben an seiner Person hängen, was zur Radikalisierung der AfD führt. Sie versucht, mit einer „Opfer“-Rhetorik die frustrierte und empörte Mittelschicht zu organisieren den elektoralen Einfluss zu erweitern. Der Verfassungsschutz ist nicht reformierbar. Daher ist heute die Forderung zur Auflösung des Verfassungsschutzes höchst aktuell.

Austritt aus der Koalition

Das Konzert in Chemnitz war eine Bühne, um die AfD, den Verfassungsschutz und Seehofer zu denunzieren. Sicherlich noch zu schwach, aber die Unruhe gegenüber Faschismus, der CSU und der AfD wächst besonders unter Jugendlichen. Wer nach Chemnitz fährt, um gegen dem deutschen Faschismus ein Zeichen zu setzen, muss auch Forderungen an die Führungen der SPD und Linkspartei stellen. Aktuell versucht die SPD, sich im Rahmen der Koalition gegen Seehofer durchzusetzen. Merkel hingegen balanciert zwischen Seehofer und SPD, aber ihr gelingt es nicht, das empörte deutsche Kleinbürgertum unter Kontrolle zu halten.
Die SPD und Gewerkschaftsbürokratien helfen ihr mit der Sozialpartnerschaft: Am Freitagmorgen haben Betriebsräte, Beschäftigte und Vorstandsmitglieder von Volkswagen im VW Motorenwerk in Chemnitz gemeinsam mit der IG Metall eine Kundgebung organisiert, um sich von „Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung“ abzugrenzen.

Doch genau die kapitalistischen Kürzungsmaßnahmen in Form von Entlassungen, Befristungen, Leiharbeit etc. haben die Beschäftigten zur Verzweiflung gebracht. Während die Bosse von Volkswagen in mehrere Abgasskandalen und Korruptionen verwickelt sind, dient ihnen die IG-Metall Führung als Wasserträgerin.
Die SPD muss aus der Koalition zurücktreten, um die Interessen der Beschäftigten zu vertreten statt sie zugunsten „der Verantwortungen gegenüber dem deutschen Staat“ aufzuopfern.

Die aktuelle Phase ist ein schmerzhafter Übergang für die deutsche Bourgeoisie und die einzige Antwort auf die Handlungskrise von Merkel kommt von Seehofer und rechten Kräften. Dabei werden zunächst die migrantischen Teile der multiethnischen Arbeiter*innenklasse angegriffen. Die Arbeitsmigration erhält in den Gewerkschaften und Betriebsräten traditionell seit der Generation der sogenannten „Gastarbeiter*innen“ sehr geringe Repräsentation, die nicht kollektiviert und generalisiert wurde. Die spezifischen Fragen der Gastarbeiter*innen in Bezug auf kapitalistische Überausbeutung und rassistische Unterdrückung wurden nicht ins Programm der Sozialpartnerschaft aufgenommen. Die heutigen Arbeitsmarkt-Gesetze, um nur „die nützlichen Geflüchteten“ in den Arbeitsmarkt zu integrieren, galten auch schon gegen die Gastarbeiter*innen.

Die Arbeitsmigration ist aber gewachsen und ist ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft. Seehofer hetzt dagegen. Doch ihre Befreiung aus rassistischer Unterdrückung und kapitalistischer Überausbeutung liegt nicht in der Sozialpartnerschaft, also der Versöhnung mit der imperialistischen deutschen Bourgeoisie. Beginnend mit der Selbstorganisierung innerhalb vom DGB, vor allem der IG Metall und ver.di, braucht es politische Streiks gegen die Abschiebungen, für das Arbeitsrecht für alle, die Verteidigung der Arbeitsplätze und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Um diese politischen Streiks kraftvoll und effektiv zu organisieren und durchzuführen, braucht es die Einheit der multiethnischen Arbeiter*innenklasse in Deutschland. Ansonsten verlieren wir Schritt für Schritt unsere Stellungen.

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