Verbot des Kita-Streiks: Einfach erklärt
Der Berliner Kita-Streik wurde gerichtlich verboten. Wieso eigentlich und ist das überhaupt legitim?
Berlins Erzieher:innen dürfen nicht in den unbefristeten Streik treten. Das hat das Landesarbeitsgericht am 11. Oktober bestätigt. Die Gewerkschaft ver.di hatte dort Berufung gegen das Urteil der vorherigen richterlichen Instanz eingelegt, durch das der Streik verboten worden war. Die Erzieher:innen fordern vor allem einen besseren Personalschlüssel, sodass für jedes Kind genug Zeit da ist. Sie fordern auch, frei zu kriegen, wenn dieser nicht eingehalten werden kann. So könnten sie sich erholen und gesund bleiben. Außerdem sollen Auszubildende nicht mehr in die Personalplanung eingerechnet werden, als wären sie Vollzeitkräfte. Stattdessen soll für ihre Anleitung sowie für pädagogische Planung und Elternarbeit deutlich mehr Zeit dafür einberechnet werden.
Wie wir berichtet haben, hat eine große Mehrheit der Erzieher:innen der Kitas in Hand des Landes Berlin dafür gestimmt, den Senat – also das Bundesland – durch einen unbefristeten Streik zur Aufnahme von Verhandlungen über den „Tarifvertrag Entlastung und pädagogische Qualität“ (TV-E) zu bewegen. 91,7 Prozent der von ver.di zum Streik aufgerufenen Erzieher:innen stimmten für den unbefristeten Streik, bei der GEW 82 Prozent. Der Senat hatte im Vorfeld erklärt, dass Berlin gar nicht mit ver.di darüber verhandeln dürfe. Die Begründung: Wie Lehrkräfte, Sachbearbeiter:innen und viele andere vom Land direkt Beschäftigte haben auch die Erzieher:innen schon einen Tarifvertrag. Es handelt sich hierbei um den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Das ist ein Vertrag zwischen der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) – der auch Berlin angehört – auf der Seite der Arbeit-„Geber:innen“ und verschiedenen Gewerkschaften – unter anderem ver.di – als Beschäftigtenvertretung auf der Seite der Arbeit-„Nehmer:innen“.
Der Senat hatte im Vorhinein oft argumentiert, ver.di dürfe nur mit der TdL Tarifverträge machen. Dies hätte laut Kritiker:innen des Streiks die Folge, dass ganz Berlin aus der TdL fliegen würde, wenn ver.di und der Senat gemeinsam einen Tarifvertrag vereinbaren. Dann hätten nicht nur die Erzieher:innen keinen Rechtsanspruch mehr auf das im TV-L festgelegte Gehalt und die ebenfalls darin niedergeschriebenen Arbeitsbedingungen, sondern auch kein:e Sachbearbeiter:in und keine Lehrkraft in der Hauptstadt. Laut dem Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler sei diese Gefahr kein juristischer Grund, einen Streik verbieten zu lassen. Auch das Landesarbeitsgericht schrieb, dass die Gefahr des Ausschlusses aus dem TV-L nicht schwerer wiegen würde als das Grundrecht der Erzieher:innen auf Streik.
Das Gericht hat sich beim Verbot des Streiks auf die sogenannte Friedenspflicht bezogen. Die Friedenspflicht verpflichtet die Beschäftigten, während der Laufzeit eines Tarifvertrags Streiks für die in ihm enthaltenen Vereinbarungen zu unterlassen. Angesichts der hohen Inflationsraten der letzten Jahre ist diese Regelung schon an und für sich sehr fragwürdig. Nun ist es so, dass für den TV-L derzeit die Friedenspflicht gilt, da der jetzige Tarifvertrag noch bis Oktober 2025 läuft.
Da die Berliner Erzieher:innen aber noch keinen TV-E haben, kann es für diesen auch keine Friedenspflicht geben. Das Gericht entgegnete, dass Entlastung bereits im TV-L beschlossen worden sei. Dabei handelt es sich laut ver.di jedoch nur um mehr Gehalt, welches die Rahmenbedingungen nicht verändert. Dadurch kann jedoch keine tatsächliche Entlastung des pädagogischen Alltags stattfinden. Denn es sind noch immer zu wenige Erzieher:innen für zu viele Kinder zuständig. In der Folge sind sie sehr häufig krank.Auch die Kinder sind belastet, wenn sie in der Kita nicht genug Zeit, Aufmerksamkeit und Ruhe bekommen können.
Die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) kündigte ein Treffen mit Kita-Leitungen und Erzieher:innen, Jugendamtsmitarbeiter:innen, Politiker:innen und Gewerkschafter:innen an. Dort soll über die Situation in den Kitas gesprochen werden. Nachdem die CDU wochenlang in den Medien gegen den Streik hetzte, erscheint dieses Angebot zynisch. Es soll unter anderem angeschaut werden, in welchen Bezirken mehr Kitaplätze bereit gestellt werden müssen, und in welchen es genug gibt. Doch diese Planung ändert nichts daran, dass es nicht genug Erzieher:innen gibt. Drei von vier Kita-Kindern sind laut der Bertelsmannstiftung in einer Gruppe mit unzureichendem Personalschlüsssel.
Wenn die Bedingungen besser wären, würden wahrscheinlich mehr Menschen den Beruf beginnen und weniger Erzieher:innen vorzeitig ausscheiden. Doch genau das blockiert der Senat mit der Klage gegen den Kita-Streik.
Es braucht jetzt Versammlungen der Streikenden und der Eltern, um zu diskutieren, wie es mit dem Kampf um den TV-E weitergehen kann. Klar ist: Der Senat ist kein Partner, auf den Verlass ist im Kampf um eine gute Bildung.
Es braucht Milliardeninvestitionen in die Bildung statt in die Bundeswehr. Es ist nicht tragbar, dass Deutschland Geld für Krieg statt für bessere Zukunftschancen für Kinder ausgibt. Um zu ermöglichen, dass mehr Menschen Erzieher:innen werden oder bleiben, bräuchte es neben der Umsetzung der richtigen Forderungen der Erzieher:innen noch viel mehr: Die Kitagebäude müssen mit Schallschutz ausgestattet werden, um den Lärmpegel zu verringern. Wo viele Menschen zusammenkommen, ist es oft laut, und dadurch können Erzieher:innen und Kinder krank werden. Das Gehalt muss erhöht werden und auch Auszubildende müssen so viel verdienen, dass sie gut davon leben können.