Ver.di-Einzelhandelsstreik: Ihre Profite sind unsere Altersarmut

14.09.2023, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Shutterstock, Julian Hopff

Heute beginnt ein dreitägiger Warnstreik im Groß- und Einzelhandel. Ver.di hat erneut ihre Mitglieder in Berlin und Brandenburg zum Streik aufgerufen.

Heute begann mit einer Streikkundgebung am Breitscheidplatz der dreitägige Warnstreik. Etwa 300 Beschäftigte kamen zur Kundgebung. In Berlin und Brandenburg arbeiten rund 290.000 Menschen in diesem Sektor. Die Forderungen der Beschäftigten umfassen eine Lohnsteigerung von 2,50 Euro pro Stunde, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 250 Euro im Monat, eine Laufzeit von 9 Monaten sowie die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge für alle Beschäftigten der Branche. Diese Forderung ist wichtig, da Stand 2019 inzwischen nur noch 28 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel und 33 Prozent im Großhandel durch einen Branchen- oder Haustarifvertrag erfasst werden. 90 Prozent der Beschäftigten werden eine durchschnittliche Nettorente von 1000 Euro oder weniger bekommen. Dabei sind deutlich über die Hälfte der Werktätigen Frauen – ein stark feminisierter Sektor. So wird die Altersarmut bei Frauen, die mittlerweile schon jede dritte Frau betrifft, nochmal verstärkt.

„Während sie auf der einen Seite den Fachkräftemangel beklagen, vertreiben die Arbeitgeber die Beschäftigten mit ihrer Lohnpolitik geradezu aus dem Handel“, kritisierte Verdi-Landesleiterin Andrea Kühnemann.

Dem Warnstreik gingen drei bundesweite Verhandlungsrunden voraus, die bisher zu keinem Ergebnis führten. Die Arbeitgeber haben auf Landesebene umgerechnet eine Lohnerhöhung von 90 Cent in Aussicht gestellt. „Das ist eine Differenz, bei der es nicht möglich ist, in konstruktive Tarifverhandlungen einzusteigen“, teilte Verdi mit. Trotz des Unwillens der Arbeitgeber:innen bessere Gehälter zu zahlen, steigt ihr Gewinn immer weiter. So hat die Allianz Trade eine Studie veröffentlicht, nach der die Lebensmittelpreise für über 40 Prozent der diesjährigen Inflation verantwortlich sind. Die hohen Lebensmittelpreise erklären die Ökonomen in erster Linie mit den hohen Energie- und Betriebskosten der Hersteller:innen und Händler:innen. Dennoch, mehr als ein Drittel der Teuerung kann laut Studie nicht durch die historische Dynamik, Erzeuger- und Energiepreise erklärt werden. Gewinnmitnahmen und Profit-Hunger liegen also nahe.

Dass auch seitens der Ver.di Bürokratie wenig Druck gemacht wird, sieht man an dem versöhnlichen Dialog bei der Rede einer Hauptamtlichen – ganz im Stil der Sozialpartnerschaft: “An diesem Gewinn sollen diejenigen, die ihn erwirtschaftet haben, die Beschäftigten mehr teilhaben.” Doch Kapitalist:innen wollen um keinen Preis “ihre” Gewinne teilen. Damit eine erkämpfte Lohnerhöhung nicht durch weitere erhöhte Lebensmittelpreise an uns alle ausgelastet wird, braucht es Komitees aus Beschäftigten und Verbraucher:innen, die die Lebensmittelpreise regulieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Bosse die Angst vor höheren Preisen nutzen, um den Arbeitskampf ausbremsen, daher sollten auch Verbraucher:innen solidarisch sein. Möglichkeit bietet sich hierzu morgen in dezentralen Streikposten. Denn ihre Profite sind unsere Altersarmut und unser Elend!

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