USA/Iran: Mit „maximalem Druck“ zur „Mutter aller Kriege“?

12.08.2019, Lesezeit 10 Min.
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Trump ist entschlossen, den Iran in die Knie zu zwingen. Die Eskalation hat das Potential, einen großen Krieg in der Region auszulösen, in dem auch Deutschland nicht unbeteiligt an der Seitenlinie stünde.

Mit „America First“ wirbelt US-Präsident Donald Trump die Weltpolitik durcheinander und könnte damit einen Krieg gegen den Iran entfachen. Denn seine Ziele lassen sich womöglich nur mit Waffengewalt umsetzen: Er will den Iran zur Unterordnung zwingen, das heißt, dass dieser auf seine Regionalmachtsansprüche verzichten soll. Um dieses Ziel zu erreichen, fahren die USA die Strategie des „maximalen Drucks“.

Sie sind im Mai 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen und haben ein Handelsembargo verhängt, um das Land in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben. Hinzu kommt die wachsende militärische Drohkulisse. Ein Luftangriff, der in letzter Minute abgesagt wurde, Truppenstationierungen und nun die Militärmission mit Großbritannien in der Meerenge von Hormus zum Schutze von Öltankern und Handelsschiffen.

Es sind Ansagen von Trump: Er diktiert die Spielregeln und lässt sich von lang ausgehandelten internationalen Abkommen nicht beeindrucken. Es ist die Beerdigung des Multilateralismus und die Durchsetzung von America First, die er immer wieder vollmundig in die Welt posaunt. Damit setzt er nicht nur regionale Interessen gegen den Iran um, sondern beansprucht, die Weltordnung neu zu gestalten, mit einer starken USA gegenüber China und Europa. Die Krise um die Straße von Hormus zeigt einmal mehr, wie handlungsunfähig die EU ist. Getrieben von Trump findet sie nicht einmal zu einer gemeinsamen Reaktion, geschweige denn, dass sie eigene Akzente setzen könnte.

Trump und Johnson gehen gemeinsam auf die Jagd

Besonders deutlich zeigt sich dies aktuell an Großbritannien. Noch vor wenigen Wochen dachte die Politik auf dem europäischen Festland, die Brit*innen fest in der Hand zu haben. Fett und zufrieden spotteten die Politiker*innen in Berlin und Brüssel über Theresa May, wie sie sich ein ums andere Mal vor dem Parlament und der Welt blamierte.

Dem Trauerspiel hat der frisch gebackene Premier Boris Johnson nun vorerst ein Ende bereitet. Nachdem es so aussah, als habe sich Großbritannien mit dem Brexit selbst aus der großen Weltpolitik manövriert, verteilt Johnson Ohrfeigen an die behäbige EU-Politik. Brexit ohne Deal? Na und! Johnson will das Vereinigte Königreich zum „greatest place on earth“ machen. Und hat mit US-Präsident Donald Trump schon seinen Buddy gefunden. Gemeinsam gehen sie nun auf die Jagd.

Nachdem der Iran einen britischen Tanker festsetzte, rief Großbritannien die EU an, gemeinsam hinauszusegeln und den imperialen Stolz wiederherzustellen. Diese Pläne entstanden noch unter Theresa May. Aus Berlin und Paris kam höfliche Zurückhaltung und so machte sich die Royal Navy mit zwei Kriegsschiffen zunächst alleine auf den Weg zur Straße von Hormus, um britische Tanker vor dem Zugriff der iranischen Revolutionsgarden zu schützen. Nach der zögerlichen Haltung Deutschlands und Frankreichs, beschloss Johnson nun, der EU den Rücken zu kehren und die eigene Marinemission in den Rahmen der US-Intervention „Sentinel“ zu stellen.

Zwar behauptet die Regierung in London, nach wie vor an dem Atomabkommen festhalten zu wollen. Aber Trump hat es geschafft, die EU zu spalten. Und in Sachen Atomabkommen könnte Johnson zum Wackelkandidaten werden. Mit dem Schulterschluss mit den USA zeigt er, dass er nicht länger bereit ist, auf Ansagen aus der EU zu warten.

Auch die EU will der Welt ihre Kriegsschiffe zeigen

Nun ist die Spaltung des transatlantischen Bündnisses zurück – entlang der gleichen Linien wie 2003, als die USA und Großbritannien den Irak überfielen. Aber diesmal lehnen Frankreich und Deutschland einen eigenen Einsatz nicht generell ab. Er soll nur nicht unter US-Führung stattfinden, es soll wenn dann eine europäische Mission sein.

Die Frage ist nur – und das scheinen sie in Paris und Berlin selbst nicht zu wissen – was ein solcher Einsatz bringen soll. Das politische Ziel der EU ist offiziell nach wie vor der Erhalt des Atomabkommens mit dem Iran. Ein Militäreinsatz wird diesem Ziel sicherlich nicht förderlich sein, sofern er nicht unter ausdrücklicher Zustimmung des Iran stattfindet. Entsprechend vorsichtig spricht Bundesaußenminister Heiko Maas davon, dass er sich am ehesten eine „Beobachtermission“ vorstellen könne.

Diesen Ansatz verfolgen auch die Grünen. Ihr Vorsitzender, Robert Habeck, sprach sich für die Entsendung von deutschen Kriegsschiffen im Rahmen einer europäischen Marinemission aus. Deutschland müsse „in die Verantwortung gehen und Europa mit eigener Stimme agieren.“ Ebenso wie die Parteien der Großen Koalition sind die Grünen bereit, für deutsche Kapitalinteressen militärisch aktiv zu werden.

In der verzwickten Lage, in der Deutschland zwischen dem Iran und den USA steht, sind die Möglichkeiten einer eigenen Mission allerdings begrenzt, zumal die deutsche Marine mit einem größeren Einsatz leicht an ihre Grenzen kommt. Die Diskussion geht mehr darum, ein Zeichen an die USA und innerhalb der EU zu setzen, dass Deutschland und Frankreich in der Lage sind, Führung zu übernehmen und Handelswege freizuhalten. In dieser Frage stehen die geopolitischen Ansprüche den wirtschaftlichen Interessen mit dem Iran gegenüber.

Deutschland und Frankreich hatten sich mit dem Iran auf Handelsbeziehungen in zweistelliger Milliardenhöhe eingestellt. Sie versprachen sich, in einen lange Zeit isolierten und daher investitionshungrigen Markt einzusteigen und über die wirtschaftliche Zusammenarbeit politischen Einfluss in der Region zu entwickeln. Diese Pläne hat Trump mit seinem Handelsembargo zunichte gemacht. Firmen, die weiter mit dem Iran Handel treiben, müssen mit empfindlichen Strafen vor US-Gerichten bis hin zu einem Ausschluss vom US-Markt rechnen.

Nachdem die USA im Mai 2018 aus dem Atomabkommen ausgestiegen waren, hatte der Iran die EU immer wieder gedrängt, Schritte zu unternehmen, um das Embargo zu umgehen und das Abkommen zu retten. Die EU hatte nur halbherzige Versuche unternommen. Sie richtete die Tauschbörse Instex ein, um Handel an den USA vorbei zu ermöglichen, was aber nur für kleinere und mittlere Firmen interessant ist. Der Erdölhandel ist dagegen stark zurückgegangen. Anders als China weigert sich die EU, dem Iran das Öl direkt abzukaufen. Dieser Weg wäre teuer und vor allem politisch riskant, weil sich die EU auf die iranischen Bedingungen einlassen und die Konfrontation mit den USA wagen müsste.

Die Kriegsgefahr bleibt akut

Der Iran ist an einen Punkt gelangt, an dem er mit Gewalt aus dem Embargo ausbrechen muss oder ihm früher oder später der wirtschaftliche Zusammenbruch droht. Um sich zu wehren, beschlagnahmt er Tankschiffe, droht mit einer kompletten Sperrung der Straße von Hormus und fährt die Urananreicherung wieder hoch. Er hat die Höchstwerte des Urananteils überschritten, die im Atomabkommen vereinbart wurden, wenngleich es sich mehr um einen symbolischen Akt des Protests handelt, um die EU zum Handeln zu zwingen.

Von einer Atombombe dürfte der Iran mit den jetzigen Urananteilen weit entfernt sein, aber er wird Schritte unternehmen, damit das Embargo beendet oder zumindest von China und der EU umgangen wird. Nukleare Aufrüstung, Drohungen und zur Not auch Gewalt dienen dafür als Mittel am Verhandlungstisch. Unter Trumps Strategie des maximalen Drucks ist ein Ausweg aus der Situation nicht absehbar.

Auch wenn alle Beteiligten die Drohungen als Verhandlungsmittel nutzen, so sind auch kleinere Scharmützel in der Straße von Hormus bis hin zu einem offenen, die ganze Region erfassenden Krieg nicht auszuschließen. Der iranische Präsident Hassan Rouhani hat sogar vor der „Mutter aller Kriege“ gewarnt. Und tatsächlich ist die Region ein Pulverfass, das die verschiedenen Akteure wie Israel, Türkei, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Katar und den Iran in den Konflikt ziehen könnte. Die Stellvertreter*innenkriege, die heute in Syrien und dem Jemen gefochten werden, könnten sich in eine unmittelbare Konfrontation ausweiten.

Zwar streben die beiden Erzfeinde des Irans am Golf, Saudi-Arabien und die VAE, keine Auseinandersetzung in der Straße von Hormus an, da diese ihre eigenen Erdölausfuhren stark beeinträchtigen würde. Keine Macht ist willens zu einer völligen Eskalation, dafür ist das Risiko zu hoch. Doch sind sie durch den Westen bis an die Zähne bewaffnet und bereit, ihr militärisches Potential im Ernstfall auszuspielen, wodurch immer die Möglichkeit besteht, dass die Situation eine unkontrollierbare Eigendynamik erlangt.

Endet die Zukunft des Iran am Verhandlungstisch der imperialistischen Mächte?

Für solche Szenarien will die EU mit ihrer angedachten Beobachtermission eine eigene militärische Fahne aufstellen, um einen Fuß an den Verhandlungstisch zu bekommen. Sie mag zwar die Diplomatie als ihr vorangiges Mittel erklären, doch wird sie sich die Möglichkeiten des Mitspracherechts erst militärisch sichern müssen. Schon lange tritt sie als wichtiger Waffenlieferant für Israel, Türkei, Saudi-Arabien und die VAE auf. Die Militärmission ist da als eine weitere Drohung zu verstehen, die eigenen Interessen zur Not auch mit Gewalt durchzusetzen.

Mit ihrer Militärpräsenz bereiten die USA und Großbritannien auf der einen Seite und Deutschland und Frankreich auf der anderen einen Kampf um den Einfluss auf den Iran vor. Kann die USA den Iran brechen und auf einen untergeordneten, hörigen Vasall degradieren? Oder wird es Deutschland und Frankreich gelingen, den Iran aus der US-Einflusssphäre zu halten und selbst die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen diktieren?

Der EU geht es gewiss nicht darum, mit dem Iran einen Handelspartner auf Augenhöhe zu finden, sonst hätten sie längst ihre wirtschaftspolitischen Möglichkeiten ausgeschöpft, dem Iran aus dem Embargo zu helfen. Die EU will ihrerseits den Rahmen vorgeben, in dem der Iran in den internationalen Handel einbezogen wird. In diesem Sinn dient der mögliche Marineeinsatz als Ansage sowohl gegen den Iran als auch die USA.

Heute belauern sich die USA, die EU und China und führen den Kampf überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet. Aber die Militärmissionen in der Straße von Hormus deuten auf die Gefahr künftiger Stellvertreter*innenkriegen hin. Gegen jedes Gerede der GroKo und von Grünen, dass eine europäische Mission einen lediglich beobachtenden und damit mäßigenden Einfluss hätte, muss klar dagegen gehalten werden, dass es dem deutschen Imperialismus darum geht, seine Fühler bei der Neuverhandlung der Einflussgebiete auszustrecken.

Die USA und die EU wollen über Irans Zukunft am Verhandlungstisch entscheiden. Wie weit ihnen das gelingt, wird auch vom Widerstand der antimilitaristischen Bewegungen im Westen und des iranischen Volkes abhängen, das eine lange antiimperialistische Tradition aufweist. Für die Arbeiter*innen und Unterdrückten im Iran ergeben sich in der aktuellen Krise auch neue Perspektiven, um den Kampf gegen den Imperialismus mit einem Kampf gegen das Mullah-Regime zu verbinden. Ein sozialistischer Iran kann für alle Völker der Region eine Inspiration darstellen, die ethnischen und religiösen Spaltungen überwinden und den Imperialismus zurückdrängen.

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