USA: Eine Wahl in der Krise, ein Regime im Niedergang
Lenin sagte einmal: "Es gibt Jahrzehnte, in denen nichts passiert, und es gibt Wochen, in denen Jahrzehnte passieren". Im politischen Leben der USA hat sich in letzter Zeit jede Woche wie ein Jahrzehnt angefühlt. Die größte imperialistische Macht der Welt befindet sich an mehreren Fronten in einer Krise, wobei Donald Trump eine zentrale destabilisierende Rolle spielt. Was bedeutet dies für die Wahlen 2020 und den Kampf für den Sozialismus?
Die Vereinigten Staaten befinden sich in einer tiefen verallgemeinerten Krise, die alle Aspekte der Gesellschaft betrifft. Wir haben eine Pandemie, eine wirtschaftliche Rezession, eine ökologische Krise, ein Misstrauen gegenüber den politischen Parteien und eine Legitimationskrise praktisch aller Institutionen. Die Coronavirus-Zahlen gehören zu den schlimmsten weltweit, es gab einen Aufstand gegen die Brutalität der Polizei. Und dann landete derselbe Präsident, der die letzten Monate damit verbracht hat, Covid-19 herunterzuspielen, mit dem Virus im Krankenhau – während er gleichzeitig aktiv die Legitimität der bevorstehenden Wahlen untergräbt. An jedem Tag kommen neue Krisen zur politischenn, wirtschaftlichen und sozialen Situation hinzu.
Trump will uns glauben machen, dass das Land auf dem Weg nach oben ist und dass eine Erholung von der Pandemie schnell erfolgen wird und bereits begonnen hat, aber die letzten Tage haben auf schärfste Weise gezeigt, dass dies falsch ist. Das politische System der USA ist ins Chaos geraten, nachdem Donald Trump, ein Großteil seines inneren Kreises und mehrere republikanische Kongressabgeordnete mit Covid-19 infiziert wurden. Es stellt sich heraus, dass wir trotz Trumps Wahlkampfstrategie, so zu tun, als ob das Virus hinter uns und bessere Tage vor uns lägen, die nächsten 14 Tage damit verbringen werden, über das Virus und seine Auswirkungen auf die Gesundheit des Präsidenten zu diskutieren. Darüber hinaus befindet sich der Senat nun wegen der zahlreichen Mitglieder, die ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert sind, für zwei weitere Wochen in der Pause.
Die Gefährlichkeit des Kulturkrieges, den Trump um das Tragen von Masken zu schüren versuchte, und die Schwere des Virus waren nie deutlicher als heute. In der Zwischenzeit erlebt Trump das Virus mit einer Armee von Ärzten, die ihm zur Verfügung stehen – weit entfernt von den Erfahrungen der übermäßig stark betroffenen Schwarzen und braunen Arbeiter:innen, die an Covid-19 gestorben sind.
Trump will uns auch glauben machen, dass eine V-förmige wirtschaftliche Erholung der Wirtschaft stattfinden wird. Die Zahlen sagen jedoch etwas anderes. Wenn sich das Land tatsächlich von der Pandemie-Depression erholt, werden wir in eine Rezession mit massiven, anhaltenden Arbeitsplatzverlusten und der Gefahr von massenhaften Zwangsräumungen eintreten. Die Kombination aus hoher Unternehmensverschuldung und niedriger Profitrate zeigt, dass der wirtschaftliche Einbruch während der Pandemie nur die Spitze eines größeren Problems für die kapitalistische Wirtschaft ist. Natürlich können wir die Möglichkeit eines weiteren wirtschaftlichen Stillstands aufgrund der Pandemie nicht ausschließen, der die gesamte Wirtschaft erneut ins Trudeln bringen würde.
In diesem Kontext von Unsicherheit und Krise gibt es unter den Massen in den USA eine Polarisierung nach links und rechts. Wir haben das militante Wiederaufleben der Black Lives Matter-Bewegung und eine Zunahme der Kämpfe am Arbeitsplatz während der Pandemie erlebt. Die BLM-Bewegung ist die größte und am weitesten verbreitete Bewegung in der Geschichte der USA und repräsentiert – für ein zutiefst rassistisches Land – eine massenhafte Verschiebung nach links. Auf der rechten Seite haben wir den Vormarsch rechter „Bürgerwehren“ erlebt, die mobilisiert und bereit sind, die Protestierenden mit Gewalt zu konfrontieren. Tatsächlich ist das Überfahren von Demonstrant:innen mit Autos alltäglich geworden, was seit Juni weit mehr als 100 Mal passiert ist. Und jetzt, wo Trump im Krankenhaus liegt, haben sich Tausende in maskenlosen Märschen mobilisiert, um für ihren Anführer zu demonstrieren. Diese extreme Rechte ist keine Massenbewegung, aber sie wird immer gewalttätiger und dreister. Sie ist mit den Bullen im Bunde und wird von Trump angefeuert. Sie ist so stark wie nie, weil sich Teile des Kapitals auf sie stützen können, um eine rechte Agenda durchzusetzen, wie wir bei bewaffneten Demonstrationen gesehen haben, bei denen Anfang dieses Jahres die „Wiedereröffnung“ von Staaten gefordert wurde.
Während seiner gesamten Präsidentschaft haben wir Trumps Versuche gesehen, Institutionen zu delegitimieren, die dem Regime lange Zeit heilig waren, von den Wahlen zum Obersten Gerichtshof bis hin zum FBI. Er hat dasselbe auf der Weltbühne getan und sich von globalen imperialistischen Institutionen wie den Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation und der Weltgesundheitsorganisation zurückgezogen. Trumps Distanzierung von Institutionen stellt jedoch keine Verschiebung des Klasseninhalts der Herrschaft oder der Endziele des Kapitalismus dar; sie signalisiert lediglich eine unilateralere Art des Regierens. Einige Sektoren des Kapitals lehnen Trumps forsche Außenpolitik ab und beobachten, wie das China geholfen hat, sich während der Krise der internationalen Hegemonie der USA in den Vordergrund zu drängen. Deshalb haben sowohl Trump als auch Biden versucht, sich gegenseitig zu übertreffen, wer gegenüber China härter durchgreifen soll. Der Hauptunterschied besteht darin, dass Biden die altehrwürdigen globalen imperialistischen Mechanismen für dieses Ziel nutzen will.
Liberale und einige Linke verzweifeln angesichts von Trumps Aushöhlung der Institutionen, die das US-amerikanische kapitalistische System stützen, und versuchen, ihr früheres Ansehen wieder herzustellen. Sie hoffen, dass Biden die Legitimität dieser Institutionen wiederherstellen wird. Das ist genau der Grund, warum das Kapital Biden, dessen Kampagne deutlich mehr Spenden von Milliardär:innen und der Wall Street anzieht, enorm favorisiert. Die Frage, die sich für die Kapitalist:innenklasse stellt, lautet: Wer wird in der kommenden Periode am besten Sparmaßnahmen durchführen? Während Trump in diesem Zusammenhang versucht, die aufstrebende Rechte zu schüren und sich auf sie zu stützen, besteht die Rolle von Biden darin, die Polarisierung der Linken zu zähmen.
In diesem Zusammenhang ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Linke gegen die aufstrebende Rechte und gegen die Angriffe auf die demokratischen Rechte kämpft, die die Arbeiter:innenklasse errungen hat. Gleichzeitig ist es wichtig hervorzuheben, dass die Institutionen, die Trump ins Rampenlicht gerückt hat – die Gerichte, das FBI und der undemokratische Wahlprozess selbst – allesamt Waffen des Kapitals sind, die gegen die Arbeiter:innenklasse eingesetzt werden. Das Problem ist nicht nur Trump; es ist das System, das ihn hervorgebracht hat.
Donald Trump und die Rechte
Trump hat deutlich gemacht, dass er vorhat, genügend Zweifel an den Briefwahlzetteln zu säen, um bei Bedarf die Wahl vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten; und er hat ausdrücklich erklärt, dass er sich einen neuen Richter des Obersten Gerichtshofs wünscht, der in einem solchen Fall auf seiner Seite steht. Er sagte in der Debatte auch sehr deutlich, dass er will, dass seine weiße, rassistische, rechte Basis sich „bereit hält“ und sich zur „Wahlbeobachtung“ mobilisiert – ein Schritt, der an die Einschüchterungsbemühungen der Wähler:innen während der Ära der rassistischen Jim Crow-Gesetze erinnert.
Diese extreme Rechte sollte ernst genommen werden. Die Vereinigten Staaten haben eine lange Tradition bewaffneter paramilitärischer rechter Sektoren, die eine Rolle bei der Einschränkung demokratischer Rechte und der Terrorisierung von Menschen der Arbeiter:innenklasse und Nicht-Weißen spielen, wie es der Ku-Klux-Klan (KKK) in der Zeit nach der Ära der „Reconstruction“ Ende des 19. Jahrhunderts getan hat. Rechte Gruppen haben sich während der Obama-Regierung vermehrt und haben in Donald Trump eine Vertretung gefunden, der die Bewegung unterstützt und fördert – von seiner Weigerung 2016, David Duke (den ehemaligen Anführer des KKK) zu verurteilen, bis zu seinem Kommentar über Charlottesville, dass es „gute Leute auf beiden Seiten“ gäbe. Diese Unterstützung ist seitdem nur eskaliert. Da die Black Lives Matter-Bewegung an Popularität gewonnen hat, hat Trump begonnen, bewaffnete Selbstjustizler wie Kyle Rittenhouse offen zu unterstützen, und hat sogar die außergerichtliche Ermordung von Michael Reinoehl als „Vergeltung“ gepriesen.
Wird Trump jedoch in der Lage sein, die Wahlen zu manipulieren? Nicht allein. Und die Wahrheit ist, dass seine rechte Basis zwar bewaffnet und gefährlich, aber immer noch klein ist. Wird es am Wahltag an einigen Wahllokalen zu Gewalt kommen? Das ist sicherlich wahrscheinlich. Wird das ausreichen, um die Wahl zu stehlen? Nein. Trump wird sich dabei auf die eigenen Institutionen der bürgerlichen Demokratie der herrschenden Klasse verlassen müssen.
Die meisten Analysen deuten darauf hin, dass bis zum 3. November viel mehr demokratische als republikanische Wähler:innen per Post gewählt haben werden, so dass die Ergebnisse der Stimmen, die an den traditionellen Wahllokalen ausgezählt werden, in der Wahlnacht durchaus in Richtung Trump verzerrt sein könnten. Dies könnte Trump die Möglichkeit geben, den Sieg zu beanspruchen und ein gerichtliches Verfahren zur Anfechtung der Briefwahlzettel vorzubereiten. Mit Bundesgerichten bis hin zum Obersten Gerichtshof, die voll von Richter:innen sind, die die Konservativen begünstigen, könnte das Trumps Weg zum Sieg sein – und alles völlig legal.
Wie es in dem inzwischen berüchtigten Artikel „The Election That Could Break America“ des Atlantic heißt: „Trump ist in gewisser Hinsicht ein schwacher Autoritarist. Er hat den Mund, aber nicht die Muskeln, um seinen Willen mit Zuversicht durchzusetzen… Er hat die Bürokratie gebeugt und das Gesetz missachtet, aber er hat sich nicht ganz von ihren Zwängen befreit. Ein richtiger Despot würde nicht die Unannehmlichkeiten riskieren, eine Wahl zu verlieren. Er würde seinen Sieg im Voraus fixieren und so die Notwendigkeit vermeiden, ein falsches Ergebnis zu kippen. Trump kann das nicht tun“.
Mit anderen Worten: Trump hat sich als mehr Bellen als Beißen erwiesen – auch wenn dieses Bellen sehr gefährlich ist.
In einem marxistischen Sinne ist Trump eher ein Bonapartist als ein Faschist – und ein schwacher noch dazu. Der Bonapartismus bezieht sich auf einen autoritären Führer, der entsteht, wenn verschiedene soziale Klassen gegeneinander kämpfen und verschiedene Sektoren des Kapitals keinen Weg finden, einen hegemonialen Vertreter durchzusetzen. In diesem Sinne ist Trump in der Tat reaktionär und könnte unter anderen Bedingungen durchaus ein Faschist sein, aber er nutzt gegenwärtig institutionelle Mechanismen, um reaktionäre Politik umzusetzen, und verlässt sich nicht auf bewaffnete Paramilitärs, die die Arbeiter:innenklasse massenhaft angreifen. Es ist wichtig, dass er die bürgerliche Legalität noch nicht gebrochen hat. Und er ist in der Tat schwach, unfähig, seine Politik durchzusetzen, was seinem Versuch, einen Staatsstreich zu orchestrieren, eine Grenze setzt, außer in dem Szenario des Obersten Gerichtshofs, das wie im Jahr 2000 George W. Bush die Wahl übertrug.
Trump als Symptom und Ursache
Aber wir haben nicht 2000. Es gibt eine Pandemie, eine Wirtschaftskrise, bereits vier Jahre Trump und eine wachsende Polarisierung nach links und rechts. Während seiner Amtszeit hat Trump eine zentrale Rolle bei der Delegitimierung vieler Schlüsselinstitutionen des US-Regimes gespielt. Nichts ist für Donald Trump heilig, nicht einmal der Oberste Gerichtshof oder die Wahlergebnisse (es sei denn, er gewinnt). Er betrachtet sie als politische Werkzeuge für seine Agenda. Inmitten der Streitereien unter den Kapitalist:innen hat er den Schleier gelüftet, um zu zeigen, dass die Institutionen, die einst als objektiv angesehen wurden, in Wirklichkeit politische Werkzeuge sind, die sie gegen die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten einsetzen.
Die Institution des „Electoral College“ bedeutet, dass derjenige, der die Volksabstimmung gewinnt, nicht unbedingt die Präsidentschaft gewinnt. Die Stimmabgabe der Werktätigen wird insgesamt unterdrückt, indem die Wahl an einem Werktag abgehalten wird. Eine direktere Unterdrückung der Wähler:innen, insbesondere von nicht-weißen Communities, besteht seit langem und schließt die Entrechtung inhaftierter und ehemals inhaftierter Menschen ein. Und wir haben bereits den Präzedenzfall, dass der Oberste Gerichtshof eingreift, um die Stimmenauszählung zu stoppen und über eine Präsidentschaftswahl zu entscheiden. Neun nicht gewählte Mitglieder der Elite durften über die Wahl 2000 entscheiden. Sie dürfen über unsere grundlegenden Bürger:innenrechte und die reproduktiven Rechte der Hälfte der Menschen in diesem Land entscheiden.
Das ist US-amerikanische „Demokratie“.
Das Problem im Moment ist nicht, wie die Liberalen uns glauben machen wollen, dass der Faschist Donald Trump gekommen ist, um die US-amerikanischen Institutionen zu zerschlagen. Er will sie nicht zerschlagen. Er will sie für sich nutzen. Das Problem liegt bei den Institutionen selbst. Es gibt eine „Krise der Demokratie“, weil die US-Demokratie und in der Tat der Kapitalismus im Allgemeinen einfach nicht demokratisch ist. Trump ist sowohl ein Symptom als auch eine Ursache für die gegenwärtige Krise.
Bidens Rolle
Für die Kapitalist:innen besteht das Ziel dieser Wahl darin, genau jenen Institutionen, die das ungleichste kapitalistische System der Welt, die brutalste imperialistische Macht der Welt, hochhalten, ihre Legitimität zurückzugeben. Die Kapitalist:innen haben im Großen und Ganzen Joe Biden für diese Aufgabe ausgewählt.
Biden, im Rennen für den am wenigsten charismatischen Politiker in der jüngsten Geschichte, führt in den meisten Umfragen landesweit mit 10 oder mehr Punkten, was ein Ausdruck dafür ist, wie tief der Anti-Trumpismus sitzt. Er führt eine Kampagne, die verspricht, „die Demokratie zu verteidigen“ und den US-Institutionen ihre Ehre zurückzugeben. Einige republikanische Galionsfiguren stehen sogar hinter ihm, ebenso wie ein Teil des Militärs, weil er verspricht, die „Legitimität“ der USA auf der Weltbühne wiederherzustellen – was unangefochtenen imperialistischen Einfluss bedeutet. Kein Wunder, dass Biden von der Kapitalist:innenklasse in hohem Maße favorisiert wird und mehr als viermal so viele Wahlkampfspenden von der Wall Street erhält wie Trump.
Das ist eine gute Wette für die Kapitalist:innen. Instabile, populistische Machthaber wie Donald Trump sind im Moment nicht gut für’s Geschäft. Aber es ist eine schreckliche Wette für die Menschen der Arbeiter:innenklasse. Biden ist der Kandidat des Establishments, das uns unterdrückt, und sein Programm ist eine Rückkehr zu der „Normalität“, die uns an diesen katastrophalen Punkt gebracht hat.
Sicher, Biden trägt eine Maske – aber er vertritt die private Krankenversicherungsbranche und will sogar die Möglichkeit von „Medicare for All“ zunichte machen. Die Hunderttausende von Todesfällen durch die Pandemie sind nicht nur Trumps Verantwortung, sondern auch die von Biden und seiner Partei, die es versäumt hat, dafür zu sorgen, dass wir alle das Recht auf Gesundheitsversorgung haben. Biden vertritt die Crime Bill von 1994, mit der der industrielle Gefängniskomplex ausgebaut wurde – das macht ihn nicht weniger zum Kandidaten für „Recht und Ordnung“ als Trump. Biden steht für die „Normalität“, die Banken zu retten, während die Menschen der Arbeiter:innenklasse ihr Zuhause verlieren – wie es die Obama-Regierung getan hat – und für das Versprechen, dass er die Arbeiter:innen genug zähmen wird, um ähnliche und schlimmere Maßnahmen zu ergreifen, wenn er Präsident ist. Und auf der Weltbühne will Biden die Legitimität der USA und ihre Teilnahme an den Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation wiederherstellen, ist aber ebenso dem Imperialismus verpflichtet, sei es in Form von Bomben oder Sanktionen.
Biden behauptet, die Demokratie zu verteidigen und das Gegenteil von Trump zu sein. Tatsächlich aber kämpft er für die Wiederherstellung der „Legitimität“ eines Systems, zu dessen Grundpfeilern ein Oberster Gerichtshof gehört, an dem neun nicht gewählte Richter:innen lebenslang über die Bevölkerung herrschen, ein „Electoral College“, das die Stimmabgabe der Massen negiert, und die systematische Entrechtung von nicht-weißen Menschen und Menschen aus der Arbeiter:innenklasse. Biden kandidiert für das „Normale“, während das Normale das eigentliche Problem ist.
Der Biden-Wahlkampf hat das Wahlprogramm seines Hauptgegners der Demokratischen Partei, Bernie Sanders, zerschlagen. Die Biden-Kampagne cialogisiert in keiner Weise mit dem fortschrittlicheren Flügel der Partei. Biden stimmt sogar Trump in Bezug auf antisozialistische Rhetorik zu. Die Tatsache, dass Biden sogar Sanders‘ „New Deal“-Programm (das nicht sozialistisch ist) abgelehnt hat, unterstreicht, dass er der Kandidat des kapitalistischen Konsenses ist, der republikanische und demokratische Eliten in einer Anti-Trump-Koalition zusammenbringt.
Die Linke und die Arbeiter:innenklasse
Die politische Lage hatte sich im Laufe des Sommers mit Millionen von Menschen auf den Straßen beim größten Aufstand in der Geschichte der USA nach links gewandt. Aber in vielerlei Hinsicht schwenken die Dinge jetzt nach rechts. Der Präsident versucht, die Wahl zu stehlen und seine rechte Basis wieder aufzurichten, um Chaos zu schaffen. Es gibt Pro-Trump-Märsche in den Straßen von Washington, D.C., und erst vor wenigen Wochen fuhren bewaffnete Neofaschisten durch die Straßen von Portland und Seattle. Es scheint wahrscheinlich, dass es weitere Kyle Rittenhouses geben wird.
In der Zwischenzeit sind die BLM-Proteste zurückgegangen, nicht zuletzt aufgrund der Rolle, die Biden und die Demokratische Partei bei der Ausübung ihrer historischen Rolle als „Friedhof der sozialen Bewegungen“ spielen. Ein großer Teil dessen, was von der BLM-Bewegung übrig geblieben ist, steht Schlange, um für Biden zu stimmen, und sieht ihn fälschlicherweise als das kleinere Übel an, das es ihnen erlauben wird, weiterhin für das Leben der Schwarzen zu protestieren. Aber wie kann es BLM helfen, wenn man für einen Rassisten stimmt, der Polizeigewalt und erhöhte Polizeigelder unterstützt?
Einige junge nicht-weiße Protestierende sind desillusioniert und bleiben zu Hause. Andere sind Teil einer kleinen Avantgarde, die von Demokraten und Republikanern gleichermaßen zunehmend kriminalisiert wird, aber weiterhin auf die Straße geht. Das Establishment macht sich die gegenwärtige Schwäche der Bewegung zunutze. Trotz eines ganzen Sommers voller Mobilisierungen, Dokumentarfilme und Zeitschriftencover wurden die Mörder von Breonna Taylor nicht für ihre Ermordung angeklagt.
Die Linke hat in diesem Moment eine Verantwortung. Wir können keine Illusionen schaffen oder unterstützen, dass Biden eine Art Bollwerk gegen Trump und die radikalisierte Rechte ist. Das ist er nicht. Biden ist zusammen mit Trump ein Co-Führer der herrschenden Klasse. Er ist ein Architekt der Welt, in der wir leben, und eine Speerspitze der Gegenrevolte gegen den BLM-Aufstand.
Es war das Scheitern des neoliberalen Projekts während der Bush- und Obama-Jahre, das die Bühne für Trump schuf. Wir dürfen die Kraft unserer Mobilisierungen vor wenigen Monaten nicht loslassen. Diese Mobilisierungen haben die Nation erschüttert. Nicht alles ist verloren. Trotz des Rückgangs in dieser Wahlperiode legten diese Proteste einen Grundstein für künftige Mobilisierungen.
Jetzt ist es an der Zeit, sich auf die bevorstehenden Kämpfe vorzubereiten. Unabhängig davon, ob Trump oder Biden gewinnt, werden wir gegen die Kapitalist:innen und ihren Plan kämpfen müssen, die Arbeiter:innenklasse für die Wirtschaftskrise zahlen zu lassen, so wie Obama es 2008 getan hat.
Straßenproteste werden nicht genug sein. Wir werden uns organisieren müssen, um die Kapitalist:innen dort zu treffen, wo es am meisten schmerzt. Wir werden die Produktion stilllegen müssen. Und wir werden unsere Kämpfe vereinen müssen – unsere wirtschaftlichen und politischen Kämpfe, unsere Kämpfe für das Leben der Schwarzen, gegen Polizeigewalt, gegen Zwangsräumungen und gegen die vorzeitigen und erzwungenen Wiedereröffnungen. Wir müssen dieses Land stilllegen und unsere Rechte einfordern. Organisationen wie die DSA müssen mit den Demokraten brechen und ihre Mitglieder mobilisieren, damit sie auf den Straßen und an ihren Arbeitsplätzen zurückschlagen, sei es gegen eine Trump-geführte oder eine Biden-geführte US-Regierung und herrschende Klasse.
Eine Stimme für Joe Biden ist keine Lösung für die wachsende Bedrohung durch die Rechte. Um sicherzustellen, dass Trump die Wahl nicht stiehlt, sollten wir Massenmobilisierungen und Streiks organisieren und fordern, dass alle Stimmen ausgezählt werden, nicht zur Unterstützung von Biden, sondern zur Unterstützung unserer demokratischen Rechte. Dieselben Mobilisierungen müssen die Abschaffung undemokratischer Institutionen wie das Electoral College und den Obersten Gerichtshof fordern. Wir müssen jetzt die Stärke, das Vertrauen und die Struktur aufbauen, um unsere demokratischen Grundrechte zu verteidigen, wohl wissend, dass wir in der nächsten Periode für die reproduktiven Rechte und gegen die Kapitalist:innen kämpfen müssen, die die Arbeiter:innen zwingen, für die Wirtschaftskrise zu bezahlen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 5. Oktober 2020 auf Englisch bei Left Voice.