„Unser Kampf muss international geführt werden“ — Interview mit einem Opel-Arbeiter
6400 Stellenstreichungen. Das ist die Anzahl, welche die Geschäftsführung von PSA (Peugeot und Citroen) bei Opel in Deutschland und Vauxhall in England durchführen möchte. Ein blanker Skandal, wenn es nach Fritz Hofmann geht, Gewerkschafter und Betriebsrat bei IG Metall im Werk von Eisenach. Er ist ebenso Vertreter der internationalen Kooperation zwischen den verschiedenen Werken von General Motors und PSA. Das Interview führte Vincent Duse von PSA Mulhouse und Mitglied der französischen Gewerkschaft CGT.
Vincent Duse: Die PSA-Gruppe kaufte Opel mit dem Versprechen, dass es keine einzige Fabrikschließung geben würde. Da nun aber der Kauf abgeschlossen ist, kam jetzt raus, dass die PSA für November einen Plan vorstellen wird, wonach es 6.000 Entlassungen bei Opel und 400 bei Vauxhall in England geben wird. Was denkst du darüber?
Ich hatte nichts anderes erwartet. Es ist normal, dass Kapitalist*innen lügen und ihre Versprechungen brechen. Wir waren von Anfang an darauf eingestellt, dass es Angriffe auf die Belegschaften geben würde, so wie es auch in Frankreich und anderen Ländern bei PSA der Fall ist. Ob die Zahl von 6.000 Arbeitsplätzen stimmt, die vernichtet werden sollen, kann ich allerdings nicht sagen. Es könnten auch mehr werden. Aber da werden wir nicht einfach zuschauen.
Wie war am Anfang bei den Kolleg*innen nach der Übernahme die Stimmung im Opelwerk? Und wie war sie nach der Verkündung der Stellenstreichungen?
Es gab am Anfang gewisse Hoffnungen, dass es mit PSA besser laufen könnte als mit GM, auch Illusionen, dass ein europäischer Konzern vielleicht nicht so brutal ist wie ein amerikanischer. Aber von diesen Illusionen ist nicht mehr viel übrig, besonders seit der Meldung über die Arbeitsplatzvernichtung in England. Wir diskutieren in unserer Belegschaft sehr intensiv, dass wir nicht abwarten dürfen, sondern den konzernweiten Kampf über Ländergrenzen hinweg aktiv vorbereiten müssen. Die Kollegen fordern klare Informationen. Wir haben in unserem Werk Versammlungen in den Pausen durchgeführt und mit den Kollegen auch eine Solidaritätserklärung für die Kollegen von Vauxhall beschlossen.
Wie reagierte die Gewerkschaft IG Metall bzgl. des Ankaufs von Opel von der PSA und was sagen sie über die Verkündung der Entlassungen?
Die Führung der IG Metall und auch die Betriebsrats-Spitze haben die Übernahme durch PSA als Chance begrüßt. Sie sagen, dass es keine Alternative dazu gebe, im Rahmen des PSA-Konzerns profitabler zu werden. Zu der Ankündigung der Arbeitsplatzvernichtung in England haben sie kein Wort gesagt und die Pläne für die deutschen Werke halten sie noch geheim. Diese Leute verstehen sich als „Co-Manager“.
Was ist für dich das beste Mittel, um Widerstand gegen das Stellenmassaker bei Opel zu leisten und welche Strategie vertrittst du?
Wir müssen im ganzen PSA-Konzern gemeinsam um jeden Arbeitsplatz und jedes Werk kämpfen und dabei auch unsere eigenen positiven Forderungen aufstellen. Wir müssen uns international verständigen, welche Forderungen wir aufstellen. Ich befürworte die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, die CGT tritt für die 32-Stundenwoche ein, auch in Spanien wird über die Arbeitszeitverkürzung diskutiert. Wir müssen auch die Ausdehnung der Arbeitszeit auf das Wochenende bekämpfen. Ich beobachte, dass PSA seine großen Werke aufrüstet und Samstagsarbeit durchsetzen will. Im Werk Vigo in Spanien hat die Belegschaft begonnen, jeden Samstag zu streiken. Das ist der richtige Weg. Wenn fünf Werke Samstags arbeiten, kann sofort ein anderes Werk geschlossen werden.
In der Gewerkschaft IG Metall seid ihr in der Opposition gegen die Gewerkschaftspolitik. Wie geht es damit voran und welchen politischen Kampf führt ihr?
Wir sind keine Opposition! Wir vertreten die Grundlinie der Gewerkschaft als starke Kampforganisation, die überparteilich und demokratisch sein soll. Wir werben auch Mitglieder für die IG Metall und arbeiten sehr aktiv für die Stärkung der Gewerkschaft. In diesem Rahmen vertreten wir auch unsere eigenständige Position des Klassenkampfs und der Notwendigkeit einer internationalen Revolution zur Beseitigung des Imperialismus. Dafür werden wir von Vertreter*innen der Klassenzusammenarbeit und des „Co-Managements“ angegriffen, verleumdet und teilweise aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Die IG Metall-Führung betrachtet die Unterstützung der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der IG Metall. Aber so leicht kann man die aktivsten Mitglieder nicht ausschließen. Wir sorgen dafür, dass das alles intensiv in den Belegschaften diskutiert wird. Die Mitglieder müssen selbst praktisch über den Kurs der IG Metall entscheiden.
Ihr seid ebenso ein internationales Kollektiv und ihr organisiert alle zwei Jahre eine Konferenz in der Automobilbranche. Kannst du uns erklären, wer ihr seid und was eure Ziele sind?
Seit 20 Jahren haben wir nun eine internationale Bewegung/ Koordination der Arbeiter*innen in der Automobilbranche. Im Oktober 2015 fand die erste Konferenz der Arbeiter*innen in der Automobilbranche statt. In diesem Kontext haben in den größten Sektoren Repräsentant*innen gewählt. Die nächste Konferenz wird in Südafrika stattfinden. Das Ziel ist, die kämpferischen Arbeiter*innen aller Länder in einem gemeinsamen Kampf zu vereinigen. Da die Produktion internationalisiert ist, muss unser Kampf ebenfalls international geführt werden, um eine übermächtige Kraft zu werden.
Letzten Mai hatten wir ein Treffen mit den Gewerkschaften bei Opel und der Gewerkschafter*innen bei CGT PSA in Mulhouse und Sochaux in Frankreich organisiert. Was erwartest du von der CGT-Gruppe bei PSA in den kommenden Monaten?
Die Kollegen der CGT Mulhouse und Sochaux haben uns sehr freundlich empfangen, wofür ich mich bedanke. Wir haben sie zu einem Gegenbesuch nach Deutschland eingeladen und hoffen, dass es dafür bald eine Gelegenheit gibt. Wir müssen so intensiv wie möglich Informationen und Meinungen austauschen und auch gemeinsame praktische Kampfaktionen vorbereiten. Dabei müssen wir auch Kollegen aus anderen Ländern einschließen. Ich habe gute Verbindungen nach Spanien. Ich stelle mir gemeinsame internationale Aktionstage gegen die Angriffe von Carlos Tavares vor. Dazu kann es sinnvoll sein, dass wir auch direkt mit den zentralen Verantwortlichen der CGT bei PSA sprechen. Die CGT ist auch eingeladen, in unserer internationalen Koordination mitzuarbeiten und die Charta der Solidarität zu unterzeichnen, sowohl zentral als auch die örtlichen Gewerkschaftsgliederungen. Man findet Informationen auf französisch dazu im Internet.
Das Interview im Original bei unserer Schwesterseite Révolution Permanente.