Union Busting: Nach Kritik gefeuert

28.07.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Berliner Sozialarbeiterin und GEW-Mitglied kritisiert Kürzungspläne des Senats – und wird fristlos entlassen.

Wir spiegeln hier einen Artikel, der zuerst in der jungen Welt am 21.07. erschienen ist. 

Im nächsten Berliner Haushalt sollen die Mittel für die Polizei deutlich erhöht werden. Drastisch gespart werden soll dafür im Bereich Soziales. Allein im Bezirk Neukölln drohen Kürzungen in Höhe von 22,8 Millionen Euro, wie Ende Juni bekannt wurde. Drogenhilfeprogramme und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche zittern seitdem um ihre Existenz. Das führt zu großem Unmut – auch bei der Sozialarbeiterin Inés Heider, die bis vor kurzem für einen freien Träger in dem Bezirk arbeitete, die Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (TJFBG) an der Kepler-Oberschule. In einer E-Mail informierte sie Kolleginnen und Kollegen über die Kürzungspläne.

Heiders Mail, die der Redaktion vorliegt, brachte offenbar einen Stein ins Rollen. Etliche Kolleginnen und Kollegen antworteten und verabredeten sich für den 5. Juli zur Protestkundgebung am Rathaus Neukölln. Doch am Tag davor erhielt Heider einen unerwarteten Anruf vom Betriebsrat: „Mir wurde erzählt, dass der Arbeitgeber meine fristlose Kündigung beantragt hat, weil ich eine private Mail über einen dienstlichen Verteiler geschickt habe“, so Heider zu jW.

Seit Jahren engagiert sich Heider in der Jugend der Gewerkschaft GEW und thematisiert immer wieder den Personalmangel in der sozialen Arbeit. Da sie vor kurzem als Wahlvorstand die Betriebsratswahlen organisierte, genießt sie einen erweiterten Kündigungsschutz. „Außerordentliche Kündigungen sind eigentlich nur bei sehr schwerwiegenden Pflichtverletzungen wie beispielsweise Straftaten gegen den Arbeitgeber oder gegen Schüler juristisch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen“, erklärte Heiders Rechtsanwalt Timo Winter gegenüber jW. Selbst wenn das Verschicken einer E-Mail über den Firmenverteiler pflichtwidrig gewesen wäre, könnte darauf keine außerordentliche Kündigung gestützt werden, so Winter. „Es steht hier zu vermuten, dass man die angebliche Pflichtverletzung als Anlass genommen hat, um meine Mandantin Heider als engagierte Gewerkschafterin loszuwerden.“

Die gemeinnützige GmbH TJFBG widerspricht dieser Darstellung. Die leitende Angestellte des Trägers, Karin Kant, auch jugendpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke Treptow-Köpenick, erklärte gegenüber jW, sie habe in ihren 23 Jahren bei dem Träger sehr positive Erfahrungen gemacht. Die TJFBG setze sich „unermüdlich für eine sachgerechte Ausstattung der Projekte und Einrichtungen“ ein und würde Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, sich auf demokratische Weise für ihre Interessen einzusetzen. Während die Geschäftsführung auf Nachfrage der jW verneinte, dass Heiders Kündigung wegen ihrer E-Mail erfolgte, bestätigte Kant einen Zusammenhang. Und in einer Rundmail an alle Beschäftigten, die jW vorliegt, heißt es dann auch: „Wir können es aber nicht hinnehmen, dass einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dienstliche Kommunikationsmittel nutzen, um ihre außerdienstlichen Angelegenheiten zu verfolgen.“

„Mit einer fristlosen Kündigung wird das Leben von Betroffenen oftmals von heute auf morgen völlig auf den Kopf gestellt“, sagte Rechtsanwalt Winter. Sie stünden plötzlich vor dem Nichts. Auch wenn vor Gericht festgestellt werde, dass die Entlassung rechtswidrig war, würden die meisten Beschäftigten eine Abfindung annehmen und nicht in den Betrieb zurückkehren.

Inés Heider aber ist entschlossen, sich nicht mit einer Entschädigung abspeisen zu lassen. Sie will zurück an ihre Schule. „Das einzige, was dich in diesem prekären Job hält, sind die tollen Kinder“, sagte sie zu jW.

Um ihren Kampf für die Wiedereinstellung zu unterstützen, hat die junge GEW eine Petition gestartet. Innerhalb einer Woche haben an die 2.000 Kollegen, Schüler und Eltern unterschrieben. Außerdem werden über eine Internetplattform Spenden gesammelt, damit Inés Heider den Kampf finanziell durchhält.

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