„Unikomitee für Palästina“ gründet sich in München: ein Leuchtturm für alle anderen Hochschulen in der Bundesrepublik

17.11.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Tolga Ildun (shutterstock)

International organisieren sich seit Wochen Studierende und Arbeiter:innen an Hochschulen gegen den von Israel durchgeführten Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza. Auch in Deutschland tut sich was, gestern gründeten 50 Aktivist:innen auch in München ein „Unikomitee für Palästina“.

Während der genozidale Krieg des israelischen Staates gegen die Palästinenser:innen im Gaza-Streifen weiterhin unaufhörlich voranschreitet, bilden sich international immer mehr Komitees an Hochschulen und Schulen, um sich an ihren Orten gegen den Genozid zu organisieren. In Frankreich, Spanien, Chile, Argentinien, Italien und weiteren Ländern gibt es schon seit einigen Wochen selbstorganisierte Treffen von Studierenden und Beschäftigten, die sich nicht mit der zionistischen Position ihrer Regierung und ihren Hochschulleitungen abfinden wollen. In New York kommt es täglich zu sogenannten Walkouts, bei welchem Schüler:innen, Lehrer:innen, Studierende und Dozierende ihre Lehr- und Lernorte verlassen, um sich gemeinsam auf Demonstrationen gegen die Vertreibung, Entrechtung und Entmenschlichung der Palästineneser:innen einzusetzen. Auch in München gründete sich nun ein solches Komitee, bei welchem Waffen der Kritik, Palästina Spricht und solidarische Studierende und Arbeiter:innen der Münchner Hochschulen am Mittwochabend zu einem ersten offenen Treffen zusammenkamen.

Dabei fand eine breite Diskussion über die Situation an den Hochschulen in München statt und welche Initiativen es bisher gab. So hat eine Gruppe von Leuten an der TU München einen Brief mit einer Petition verbunden, die mittlerweile über 900 Unterschriften gesammelt hat, um die Hochschulleitung zu einer Stellungnahme über die von Israel durchgeführte Massentötung von Zivilist:innen im Gaza-Streifen zu zwingen. Diese hat neben ihren Solidaritätsbekundungen gegenüber den israelischen Opfern am 07. Oktober in ihren offiziellen Schreiben bisher nichts zu dem Leid der Palästinenser:innen gesagt, was die Studierenden als Skandal begreifen, der nicht hinzunehmen sei. Auch wurde über die Kooperation zwischen der TU München, der TU Berlin  und Technion diskutiert. Technion ist eine israelische Universität, die zusammen mit den genannten deutschen Unis militärische Forschung betreibt. Aus dieser Diskussion heraus entstand auch ein demokratisch beschlossener Programmpunkt des Komitees, der fordert, dass alle Hochschulen militärische Forschungskooperationen mit israelischen Partner:innen einstellen müssen. Den die Technologien, die in solchen Projekten entwickelt wurden und immer noch werden, töten aktuell die palästinensische Bevölkerung in Gaza.

Neben dieser Forderung wurde noch fünf weitere Forderungen beschlossen, die allgemeinpolitischen und unispezifischen Charakter haben:

  • Stoppt den Genozid in Gaza!
  • Stopp der Repressionen gegen die palästinensischen Flaggen, Zeichen und Symbole!
  • Anerkennung jeglicher Kriegsverbrechen!
  • Stoppt den Bruch demokratischer Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit!
  • Erkennt das Leid der Palästinenser:innen an!

 

Mit der Gründung des Komitees in München und mit den zunehmenden Protesten an den Universitäten in Berlin sehen wir Tendenzen zu einer strategischen Neuorientierung der Palästina-Solidarität in Deutschland, die es uns möglich macht, den Kampf für die Befreiung Palästinas und gegen die bedingungslose Solidarität der Bundesregierung gegenüber dem israelischen Apartheitsregime an die Orte zu bringen, an den wir jeden Tag lernen und arbeiten. Mit diesem Strategiewechsel können wir nun verstärkt unsere Kolleg:innen und Mitstudierenden ansprechen, um auch gegen die zionistischen Führungen in unseren Gewerkschaften zu mobilisieren. Denn die Befreiung Palästinas hängt maßgeblich mit der Unterstützung Israels durch den deutschen Imperialismus zusammen, den wir nicht herausfordern können, wenn es keine anti-bürokratische Strömung in den Gewerkschaften gibt.

Solch eine Strömung muss sich unabhängig von der Bürokratie organisieren, also denjenigen Teilen der Gewerkschaft, die gerade jegliche Palästinasolidarität in den eigenen Reihen im Keim ersticken. Das geschah beispielsweise nach der Kundgebung an der FU Berlin, als der DGB auf dem Kurznachrichtendienst X behauptete, dass die Aktivist:innen mit Gewerkschaftswesten nicht ihre eigenen Leute wären. Ein wichtiger Schritt für das Münchner Komitee wäre es deswegen, am Montag zur Streikdemonstration der Hochschulbeschäftigten um 11 Uhr vor dem Finanzministerium zu kommen. Hierzu gibt ein auf der Mitgliederversammlung der GEW München verabschiedeter Antrag Anlass, der sich während der Tarifrunde der Länder (TdL) für ein Bleiberecht für alle, gegen weitere Verschärfungen von Abschieberegelungen und für die Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse ausspricht. Die GEW und ver.di sollten diese Forderungen ernst nehmen, um sich darüber hinaus auch gegen jegliche Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit auszusprechen. Diese betreffen aktuell jede Palästinademo und jede Solidaritätsaktion für die vom laufenden Genozid in Gaza betroffene palästinensische Bevölkerung.

Während das Schul- und Studienjahr wegen des Genozids für die Menschen in Gaza schon vor ein paar Wochen vorzeitig beendet wurde, können und müssen wir umso mehr Widerstand an unseren Hochschulen organisieren. Bombardieren sie ein weiteres Gebäude in Gaza, müssen wir im Gegenzug ein weiteres Gebäude in Deutschland besetzen, um auf die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit hinzuweisen. Wir dürfen nicht ruhen, bis die Menschen in Gaza wieder ruhig schlafen können, und zwar in einem sozialistischen und laizistischen Staate, indem Jüd:innen und Palästinenser:innen nebeneinander friedlich leben können. Solch eine Gesellschaft wird nicht aus dem Nichts entstehen, und sie wird uns nicht geschenkt werden. Unsere Trauer und unser Frust müssen sich in revolutionäre Wut umwandeln, die sich gegen die imperialistischen Regierungen wendet, die Israel Tag um Tag mit weiteren Waffen beliefern. Schöpfen wir Hoffnung von den solidarischen und internationalistischen Arbeiter:innen, die seit Wochen Exporte von Waffen an Israel an verschiedenen Häfen in der ganzen Welt blockieren. Die Toten schweigen nicht, sie sprechen weiter durch uns, wenn wir nun auch “Freiheit für Palästina” an unseren Unis rufen.

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