Uni Münster: 15 Millionen Haushaltsdefizit, Landesregierung schaut tatenlos zu – Jetzt Widerstand aufbauen!
Die Universität Münster kämpft seit Ende Januar mit finanziellen Problemen. Der Kanzler ruft zum solidarischen Sparen auf. Studierende und Beschäftigte müssen jetzt Widerstand aufbauen.
Das Soziologiegebäude an der Scharnhorststraße ist ein Sinnbild für die finanzielle Misere der Universität: Bei schlechtem Wetter tropft es von der Decke, es stehen Eimer herum, um die Tropfen aufzufangen und nasse Lappen liegen auf dem Boden. In den Uniräumen riecht es auch nach ausgiebigen Lüften nach Schimmel, doch die Lehre läuft weiter. Warum wird das marode Gebäude nicht in Stand gesetzt? Ein Defizit von 15 Millionen Euro aufgrund von „sehr hohen Energiekosten“ und „gestiegenen Kosten für Fremdanmietungen“ hindert die Universität Münster daran, dringend notwendige Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen.
Der Kanzler der Uni Matthias Schwarte betonte in einem Interview vom Januar:
Es ist jetzt wichtig, dass wir eine Solidargemeinschaft bilden und gemeinsam sparen müssen. Ich habe eine konkrete Ausgabenkürzung von zehn Millionen Euro vorgesehen. Diese betrifft die gesamte Universität: von der Zentralverwaltung über die Fachbereiche bis hin zu den zentralen Einrichtungen. Die übrigen fünf Millionen des Defizits müssen wir aus unseren Rücklagen decken.
Diese drastischen Sparmaßnahmen führen zu einer noch weiteren Verschlechterung der Lehre und einer Verschärfung der chronischen Unterfinanzierung des Bildungssystems. Und dies in einer Zeit, in der massenhaft neue Studierende an die Uni strömen. Im Wintersemester 2023/24 nahm die Uni Münster allein 1320 mehr Studierende auf als geplant. Weil die Raumkapazitäten aus Geldmangel nicht erhöht werden können, reagiert die Uni nun mit der Einführung von NCs, z.B. im Fach Soziologie. Statt also die Lehrkapazitäten zu erhöhen, wird stattdessen der Leistungsdruck auf die Studierenden erhöht und sie werden untereinander in Konkurrenz um Studienplätze gesetzt. Studierende aus Arbeiter:innenfamilien sind ohnehin durch zu niedriges und elternabhängiges BaföG und die rasant steigenden Mieten in ihrem Recht auf die freie Wahl eines Studienplatzes massiv eingeschränkt.
Zwar spricht Schwarte von “Solidargemeinschaft”, doch sicher ist, dass bei den Kürzungen genau diejenigen Institute am härtesten getroffen werden, die nicht über großzügige Drittmittel von Konzernen verfügen. Zentrale Forschungsbereiche wie die Batterietechnik werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so stark von den Sparmaßnahmen betroffen sein. Denn hier geht es darum, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gegen den Konkurrenten China abzusichern, während kleinere Institute aus Gesellschafts- und Geisteswissenschaften deutlich schwerer unter dem Spardiktat zu leiden haben werden. Die Regeln des Marktes sind auch in der “freien” Wissenschaft spürbar.
Aber auch die Beschäftigten der Universität sind durch Stellenabbau von den Maßnahmen bedroht. Schwarte sagte dazu: „wir müssen dauerhaft unsere laufenden Betriebs- und Personalausgaben senken“. Das bedeutet, dass sich die Gewerkschaften schon jetzt auf einen Kampf um den Erhalt aller Arbeitsplätze einstellen müssen.
Die schwarz-grüne Landesregierung in NRW und die zuständige Ministerin für Wissenschaft und Kultur Ina Brandes (CDU) hat sich bislang geweigert, den Universitäten unter den Post-Covid Verhältnissen ein für ihren Betrieb hinreichendes Budget zu verschaffen. Damit betreiben die Regierungsparteien mit offenen Augen Raubbau an der Bildung der Jugend. Selbst Schwarte forderte in zahmen Worten eine “ausreichende grundständige Hochschulfinanzierung”, begründete dies aber nicht mit einer möglichst guten universitären Ausbildung und Forschung im Sinne der großen Mehrheit der Bevölkerung, sondern mit der Zentralität der Uni Münster für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Hier wird die ganze Widersprüchlichkeit des Kapitalismus offensichtlich: zwar wären ausfinanzierte Universitäten für den deutschen Kapitalismus langfristig von Nutzen, um nicht den technologischen Anschluss an den großen Konkurrenten China zu verlieren, andererseits ist Kriegshaushalt und Aufrüstung für die Durchsetzung seiner imperialistischen Interessen in Osteuropa und im Nahen Osten für ihn kurzfristig wichtiger. Am Ende haben die Studierenden und Beschäftigten die Last zu tragen.
Die erste politische Reaktion auf diese schlechten Nachrichten kam von der jungen GEW Münsterland. Sie lud zu einem offenen Austausch ein und plant nun weitere Schritte und Aktionen gegen die Einsparungen. Das war ein wichtiger erster Schritt, denn der Widerstand gegen das Spardiktat betrifft alle Studierenden und Beschäftigten und Widerstand ist nun bitter notwendig. Die Junge GEW und andere Gewerkschaftsgliederungen können sich jedoch nicht allein auf den Kampf gegen die Kürzungen beschränken, sondern müssen eine enge Verbindung mit der neuen antiimperialistischen Studierendenbewegung gegen den Genozid an den Palästinenser:innen suchen. Denn anhand dieses lokalen Beispiels wird deutlich: der Kampf für ausreichend finanzierte Bildung und der Kampf gegen den Kriegshaushalt und die Waffenlieferungen der Bundesregierung an Israel und die Ukraine sind sehr eng miteinander verbunden.
Umgekehrt muss auch die Palästinabewegung jetzt Forderungen nach einer Ausfinanzierung der Hochschulen aufgreifen und ein Bündnis mit den Gewerkschaften und Beschäftigten suchen, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen müssen. Nur so kann sich die Basis der Bewegung verbreiten. Gleichzeitig muss sie auch für die Demokratisierung der Unis kämpfen. Statt einer elitären Proffessor:innenkaste sollten es die Studierenden und Beschäftigten der Universitäten selbst sein, die entscheiden, wie das Budget der Unis eingesetzt wird. Ein möglicher Schritt in diese Richtung wäre die Einberufung einer Vollversammlung, um sowohl die Komplizenschaft der Unileitung beim Morden in Gaza öffentlich anzuklagen, als auch, um über die Kürzungen zu diskutieren und einen Kampfplan aufzustellen, wie sie abgewehrt werden könnten.
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