„Und dann ging es plötzlich doch.“ – Lukas S. über Streiks und Mitgliederentscheide

02.07.2018, Lesezeit 5 Min.
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Lukas S. war Betriebsratsvorsitzender im Botanischen Garten der FU Berlin und berichtet von den Erfahrungen, die sie in ihrem herausragenden Kampf gemacht haben. Als aktiver Beobachter und Unterstützer des Kampfs der studentischen Beschäftigten kommentiert er die Strategie der Arbeitgeber*innenseite und rät den Studierenden: "Wenn man merkt, dass bei finanziellen Dingen Zeitdruck aufgebaut wird, ist meistens an dem Geschäft irgendwas faul."

Lukas S. war Betriebsratsvorsitzender im Botanischen Garten und einer der Streikführer im erfolgreichen Arbeitskampf, der mittlerweile zum Leuchtturm für Beschäftigte in Berlin geworden ist. Der Botanischen Garten war in der Hand einer 100-prozentigen Tochter (Betriebsgesellschaft Botanischen Garten Botanisches Museum) der FU Berlin, die in erster Linie dazu diente, die Löhne im Garten zu drücken. Über zwei Jahre kämpften die Kolleg*innen mit Streiks und Aktionen gegen das Outsourcing und Lohndumping. Im Herbst 2016 erkämpften sie einen Tarifvertrag, der für einige Beschäftigte Lohnerhöhungen um mehrere hundert Euro im Monat bedeuteten und eine 100-prozentige Ankopplung an den Tarifvertrag der Länder beinhaltete. Zum Januar dieses Jahres wurde die Betriebsgesellschaft von der FU aufgelöst. Diese Errungenschaften sind das Resultat eines langen und ausdauerndes Kampfes der Beschäftigten, bei dem sie sich mehrere Male gegen faule Kompromisse und anti-gewerkschaftliche Angriffe der FU zur Wehr setzten. Lukas S. hat den Kampf der studentischen Beschäftigten über die Monate begleitet und erzählt im Interview von seinen Erfahrungen und gibt seine Meinung zum Angebot der Hochschulen ab.

Bei eurem Kampf im Garten habt ihr mehrere Angebote abgelehnt und weitergekämpft bis zum endgültigen Erfolg. Magst du beschreiben, warum ihr euch nicht darauf eingelassen habt, nur 80 oder 90% des TV-L (Tarifvertrag der Länder) anzunehmen?

Ja, wir haben mehrmals Angebote der FU abgelehnt. Ich war im Übrigen einer derjenigen, die überzeugt werden mussten, weiter für 100 Prozent TV-L zu kämpfen, als ein Angebot darunter vorlag. Ich bin unserer Tarifkommission und der Gewerkschaft heute noch sehr dankbar, dass sie mich an diesem Punkt zum Weiterkämpfen ermutigt haben. Das hat jetzt dafür gesorgt, dass sich mein Berufsleben stark zum Positiven verändert hat. Gerade ein ablehnender Mitgliederentscheid stärkt meiner Meinung nach die Verhandlungsposition der Tarifkommission, weil sie dann der Gegenseite sagen kann, dass das nächste Angebot so verbessert werden muss, dass es zustimmungsfähig ist. Ich glaube, Arbeitnehmer*innen sind in solchen Entscheidungen viel emotionaler als die Gegenseite. Es wird von uns immer eine gewisse Dankbarkeit erwartet. Wir können da alle noch dazulernen. Liegt ein verbesserungswürdiges Angebot vor, muss eine Ablehnung so normal werden wie morgens aufzustehen und sich die Zähne zu putzen.

Die Hochschulen drohen bei TVStud jetzt damit, dass kein Angebot mehr in diesem Semester kommt, wenn das jetzige abgelehnt wird. Was hältst du von solchen Drohungen?

Eine Ablehnung würde in erster Linie Druck auf die Hochschulleitungen und den Senat ausüben und nicht auf die Gewerkschaftsmitglieder, denn gerade die Hochschulen und der Senat können eine so wichtige von so vielen Menschen demokratisch gefällte Entscheidung nicht einfach ignorieren. Dafür steht TVStud zu sehr in der Öffentlichkeit. Wenn sie sagen: „Das ist das letzte Angebot“, dann drückt das schon eine gewisse Angst aus, weil sie wissen, es muss im Falle der Ablehnung nachgebessert werden. Ich halte die Gegenseite für so erfahren in Tarifverhandlungen, dass sie bereits jetzt schon etwas in der Reserve haben. Was wurde den Streikenden des Technikmuseums oder des Botanischen Gartens nicht alles gesagt, was nicht gehen würde. Und dann ging es plötzlich doch.

Welche Bedeutung hatte Streikdemokratie bei eurem Kampf? Also wie liefen Streikversammlungen? Wie habt ihr die Kolleg*innen überzeugen können, den Kampf bis zum Ende zu führen?

Bei uns wurden selbstverständlich alle Entscheidungen demokratisch gefällt. Angebote der FU wurden auf Streikversammlungen und Mitgliederbefragungen entschieden. In Betriebsversammlungen wurden die Ergebnisse vorgestellt und wir ermutigten dort auch die Beschäftigten zum Weiterkämpfen. Was auch ein wichtiger Aspekt war: Wir wurden bei wichtigen Entscheidungen nicht unter Zeitdruck gesetzt und konnten Angebote in Ruhe auswerten. Wenn man merkt, dass bei finanziellen Dingen Zeitdruck aufgebaut wird, ist meistens an dem Geschäft irgendwas faul.

Der Kampf bei TVStud ist der längste Streik von studentischen Hilfskräften und es haben sich immer mehr Menschen beteiligt, die vorher noch nie gestreikt haben. Was würdest du den Streikenden gerne noch mit auf den Weg geben?

Diese Abstimmung hat Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von tausenden Studierenden für die nächsten Jahre. Niemand kann darüber so gut entscheiden wie ihr selbst. Ich finde es an diesem Punkt wichtig, sich seinen persönlichen Nettolohn und dessen Entwicklung auszurechnen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung zu fällen. Alles andere lenkt nur ab. Die Frage ist: Was hab ich danach im Geldbeutel, verbessert das mein Leben nachhaltig und steht das im Verhältnis, was ich an Kraft in den Arbeitskampf investiert habe. Am Ende geht’s ums Geld. Das klingt zwar etwas unromantisch, aber dafür werden Arbeitskämpfe ja geführt.

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