Umstrittene Hochschulresolution passiert Bundestag

30.01.2025, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Roland Moritz / Flickr (CC BY 2.0)

Der Bundestag beschließt mit Stimmen aller Fraktionen den Antrag zu „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen”. Die Linke enthält sich. Allseitige Kritik wird ausgeblendet.

Im Schatten des Falls der Brandmauer hat der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen den Antrag mit dem Titel „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“ beschlossen. Damit positionieren sich die Abgeordneten gegen das wissenschaftlich nicht nachzuweisende Schreckgespenst des wachsenden islamistischen und linken Antisemitismus an Hochschulen und fordern mehr Polizei und Ordnungsrecht als Gegenmaßnahme. Ähnlich wie die viel kritisierte „Antisemitismus“-Resolution vom letzten November richtet sich auch dieser Beschluss gegen die Palästinabewegung. Er ist nicht direkt bindend, kann aber problematische Signalwirkung entfalten. 

Die Initiative kam von Fraktionen SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP. Zugestimmt haben auch die Abgeordneten der AfD. Gegenstimmen kamen ausschließlich von der Gruppe des BSW. Die Linkspartei enthielt sich. 

Der Antrag wurde seit Bekanntmachung durch FragDenStaat vielseitig kritisiert. Professor:innen der Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft beanstandeten etwa die ausschließliche Berufung auf die in der Wissenschaft umstrittene IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus und „drohende Eingriffe in den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess“. Ein offener Brief gegen die Resolution hat weitreichende Unterstützung gefunden. Sogar die Hochschulrektorenkonferenz lehnte den Vorstoß in einem öffentlichen Statement ab.

In dieser Woche formierte sich der Widerstand erneut. Eine von mehreren Gruppierungen getragene Stellungnahme „Gegen die Instrumentalisierung von Antisemitismus in der Bildung“ spricht sich „gegen Zensur, staatliche Einschränkungen von Wissenschaftsfreiheit, Polizeigewalt auf dem Campus, und rassistische Diskriminierung in Bildungseinrichtungen“ aus, die von der vorgeschlagenen Resolution durchgesetzt und legitimiert würden. Unterzeichnet ist die Stellungnahme unter anderem von den Gruppen Arts and Culture Alliance Berlin, Students for Palestine Germany, Jüdische Stimme und Jewish Bund. Am Dienstag demonstrierten Studierende vor der Mensa II der FU Berlin auf einer Kundgebung des Palästina Komitees an der Universität. Weiterer Protest ist zu erwarten.

In der Durchsetzung der Resolution zeigt sich, dass der politische Konsens der sogenannten Mitte-Parteien und der AfD über die Merz-CDU hinausgeht. Was sie eint ist die Repression gegen Palästinenser:innen, Muslim:innen, Migrant:innen, antizionistische Jüd:innen und all diejenigen, die als Feinde im Inneren stilisiert werden können. So sind auch Linke betroffen – und alle, die der mörderischen Unterstützung der Bundesregierung für den israelischen Genozid in Gaza ein Ende bereiten wollen. Wie im Inneren, so im Äußeren: In der aktuellen Sitzungswoche im Bundestag wird mit den rassistischen Anträgen der Union zur Begrenzung der Migration auch die weitere Militarisierung der deutschen Grenzen debattiert. Eine Beratung über die vermeintliche Verfassungswidrigkeit der AfD am heutigen Donnerstag droht indes ergebnislos zu bleiben.

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