Ukraine: Was bedeuten die Verhandlungen zwischen Trump und Putin?

13.02.2025, Lesezeit 8 Min.
1
Foto: Shealah Craighead/flickr.com, Public Domain

Donald Trump hat angekündigt, mit Wladimir Putin über die „sofortige“ Aufnahme von „Friedensverhandlungen“ in der Ukraine gesprochen zu haben.

Bei dem anderthalbstündigen Telefonat zwischen Trump und Putin soll es nicht nur um die Aufnahme von Verhandlungen zur Beendigung des seit fast drei Jahren andauernden Krieges gegangen sein, sondern auch um offizielle Besuche des einen und des anderen in ihren jeweiligen Ländern. Obwohl Trump sofort angekündigt hatte, dass er Volodymyr Selenskyi anrufen würde, um ihn über das Gespräch zu informieren, ist es auffällig, dass er die europäischen Staats- und Regierungschefs zumindest vorerst von diesen Gesprächen ausgeschlossen hat. Alles deutet darauf hin, dass er den EU-Mächten eine Botschaft sendet: Die Zeit, in der die USA die größte Last des Krieges in der Ukraine und vor allem der Sicherheit des europäischen Kontinents tragen, ist vorbei.

Aber die Botschaft wird auch an die soziale und politische Basis des US-Präsidenten gesendet. Wie im Falle des völkermörderischen Krieges in Gaza muss Trump sein Image als „Miracle Man“ pflegen, der in der Lage ist, die wichtigsten internationalen Konflikte zu beenden. Diese Verhandlungen zwischen Trump und Putin können jedoch nur zu einem reaktionären Ergebnis führen. Es bleibt abzuwarten, in welchem Tempo diese Verhandlungen eröffnet werden und wie ihr konkreter Inhalt aussehen wird, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die strukturellen Widersprüche, die zu diesem Krieg geführt haben, nicht lösen werden.

Man darf nicht vergessen, dass Trump während seiner ersten Amtszeit maßgeblich dazu beigetragen hat, die Ukraine zu militarisieren und die Politik der Einkreisung Russlands zu befeuern, was später von Putin als Argument benutzt wurde, um den Ausbruch seines reaktionären Krieges zu rechtfertigen. Die Arbeiter:innen, die Jugend und die Unterdrückten können diesen kapitalistischen Herrschern nicht vertrauen, dass sie die katastrophalen Kriege wirklich beenden werden. Wie im Fall Palästina könnten die Verhandlungen zwischen Putin und Trump zu einer prekären Friedenssituation führen, die nicht nur zur Militarisierung der Ukraine, sondern des gesamten Kontinents führt und damit neue Kriege in nicht allzu ferner Zukunft vorbereitet.

Durch diese Politik könnte Trump auch versuchen, sich Russland anzunähern, um es von China zu distanzieren und möglicherweise gegen Peking einzusetzen. Diese Politik wird von einigen Analyst:innen des US-Imperialismus, die die Strategie gegenüber dem Krieg in der Ukraine kritisieren, herbeigesehnt. Es ist jedoch schwierig zu sagen, ob dies wirklich die Absicht von Trump ist und ob eine solche Politik überhaupt funktionieren könnte. Die USA haben mehrfach bewiesen, dass sie bereit sind, ihre Verpflichtungen zu verraten, auch gegenüber ihren Partnern, wenn es die Verteidigung ihrer Interessen erfordert. Daher herrscht großes Misstrauen ihnen gegenüber, insbesondere vonseiten der Staaten, die vom US-Imperialismus als Feinde der von ihnen dominierten Weltordnung angesehen werden (u. a. China, Russland, Iran).

Wie dem auch sei, für viele, insbesondere in Europa, würde die Aufnahme von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges nach Moskauer Vorgaben einem Sieg Russlands gleichkommen. Trump ist sich dessen bewusst. Aber er scheint „mit Putin gewinnen“ zu wollen. Das heißt, er will erreichen, dass das Friedensabkommen als Niederlage für die Ukraine und die EU, aber nicht für die USA oder sogar für die NATO insgesamt angesehen wird. Washington hat in diesem Krieg wichtige taktische und strategische Fortschritte erzielt, wie die Distanzierung Deutschlands von Russland, die allgemeine Erhöhung der Militärausgaben der europäischen NATO-Mächte, die Erlangung von Anteilen am europäischen Energiemarkt, was durch die Sabotage der Nord Stream 1 und 2-Gaspipelines zusätzlich erleichtert wurde.

Trump könnte versuchen, mit Putin eine Form der Entspannung zu erzwingen, ohne dass dies eine Rückkehr zur Situation vor 2022 bedeutet. Dafür wird es wichtig sein, eine Art eingefrorenen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland aufrechtzuerhalten, der die EU zwingt, in letzter Instanz Garant für die Sicherheit der Ukraine zu werden. Dies könnte sich in der Entsendung europäischer Truppen in das Land niederschlagen. Mit anderen Worten, die europäischen Armeen würden direkt an der Grenze zu Russland in einem Nicht-NATO-Land stationiert. Pete Hegseth, der nordamerikanische Verteidigungsminister, sagte dies am Mittwoch in Brüssel deutlich: „Jede Sicherheitsgarantie sollte durch kompetente europäische und nicht-europäische Truppen unterstützt werden (…), die in der Ukraine stationierten Truppen sollten weder Teil einer NATO-Mission sein noch unter die gegenseitige Verteidigungsklausel von Artikel 5 des Bündnisses fallen.“

Auf diese Weise dämpft die Trump-Administration die Hoffnung Kiews für seine Ansprüche auf eine NATO-Mitgliedschaft und übt gleichzeitig Druck auf die europäischen Mächte aus, ihre Militärausgaben noch weiter zu erhöhen. Diese Militarisierung könnte einigen Staaten wie Polen, das seine Ambitionen, eine Militärmacht auf dem Kontinent zu werden, nicht verbirgt, Gewicht verleihen. Aber auch Frankreich könnte sich aufgrund seines militärischen Gewichts innerhalb der EU als wichtiger Akteur neu positionieren.

Ein Abkommen, bei dem Russland als Sieger hervorgehen könnte, würde nur die Propaganda derjenigen befeuern, die Moskau als Bedrohung für die gesamte EU darstellen, was sich im Verlauf dieses Krieges als ziemlich falsch erwiesen hat (Russland war nicht einmal in der Lage, die Ukraine militärisch zu besiegen). Dieser Diskurs dient in der Tat den Interessen derjenigen, die eine Militarisierung Europas wollen, darunter die USA. Sicher ist jedoch, dass diese Situation offenbart, wie sehr die imperialistischen Mächte in letzter Instanz von den USA abhängig sind, wenn es um ihre Sicherheit geht. Dies wird zu Instabilität innerhalb der EU-Mächte, aber auch nach außen führen. Diese Situation könnte auch ein zusätzlicher Faktor sein, der nationalistische Strömungen verstärkt, während die EU gerade Jahrzehnte der Unterordnung unter den US-Imperialismus in Sicherheitsfragen bezahlt.

Was die Ukraine betrifft, den anderen potenziellen großen Verlierer dieser Verhandlungen, so besteht die Gefahr, dass sie ganze Teile ihres Territoriums an Russland abtreten muss. Selenskyi hat keine andere Wahl, als Trumps Pläne zu akzeptieren. Dies ist das Ergebnis seiner Politik der Unterwerfung unter die imperialistischen Mächte, angefangen bei den Vereinigten Staaten. Während des Krieges sprachen Selenskyj und seine Unterstützer:innen viel von der Verteidigung der ukrainischen Selbstbestimmung gegenüber Putin, in Wirklichkeit ging es aber um die Kontrolle der westlichen Imperialisten. Sein Kampf war nie der für eine echte Unabhängigkeit der Ukraine, die nur durch einen konsequenten Kampf gegen die kapitalistischen Interessen im Land und gegen den imperialistischen Einfluss und die Unterdrückung erreicht werden kann.

In diesem Zusammenhang muss Selenskyi nun mit einem möglichen Anstieg der politischen Spannungen in der Ukraine fertig werden. Das Kriegsrecht und der Krieg ermöglichen es ihm, an der Spitze des Landes zu bleiben, auch wenn sein Mandat offiziell im Mai letzten Jahres endete. Aber je näher das Ende des Konflikts rückt, desto mehr besteht die Gefahr, dass sich die innenpolitischen Spannungen verschärfen, insbesondere wenn das Friedensabkommen als zu ungünstig für die Ukraine angesehen wird. Die extrem rechtem Strömungen könnten mit der Legitimation, direkt an den Kämpfen teilgenommen zu haben, in die Offensive gehen.

Die Ukraine wird höchstwahrscheinlich mit großen territorialen Verlusten, hochverschuldet, noch stärker fremden Mächten unterworfen, aber gleichzeitig vollständig militarisiert aus dem Krieg hervorgehen. Ein großer Teil der Bevölkerung befindet sich immer noch im Ausland und ein anderer Teil ist innerhalb des Landes vertrieben. Es wird immer deutlicher, dass eine echte Selbstbestimmung niemals durch die Hand des Imperialismus wiederhergestellt werden kann. Trump bestätigt dies auf brutale Weise.

Die aktuellen Verhandlungen ebnen den Weg für eine vorübergehende Beilegung des Konflikts im Interesse des US-Imperialismus. Die europäischen imperialistischen Mächte könnten dazu gebracht werden, eine zentrale Rolle bei der Militarisierung der Ukraine zu spielen, einschließlich der Entsendung von Truppen auf ukrainisches Territorium. Die Situation erinnert an die Dringlichkeit einer Politik, die unabhängig vom westlichen Imperialismus und der NATO ist und die Unabhängigkeit der Ukraine verteidigt. Der einzige Weg zu diesem Ergebnis ist eine arbeiter:innenorientierte und sozialistische Ukraine. Die europäische und internationale Arbeiter:innenbewegung muss sich auf den Kampf gegen die bevorstehenden Militarisierungstendenzen auf dem Kontinent vorbereiten.

Dieser Artikel erschien zunächst am 12. Januar in unserer französischen Schwesterzeitung Révolution Permanente.

Mehr zum Thema