Spannungen im Ukraine Konflikt: USA liefern Waffen, Deutschland setzt auf Diplomatie
Die Lage an der ukrainischen Grenze spitzt sich zu. In der Bilanz-Pressekonferenz warnt US-Präsident Biden mit scharfen Worten vor einem Einmarsch. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) führt erste Verhandlungen in der Ukraine.
US-Präsident Joe Biden sagte auf der Pressekonferenz zum ersten Jahrestag seines Amtsantritts, dass eine Invasion in die Ukraine zu „einer Katastrophe für Russland” führen werde. Er drohte außerdem in seiner Ansprache erneut mit harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Putin „hätte noch nie solche Sanktionen gesehen, wie die, die ich versprochen habe, wenn er in die Ukraine eindringt“, sagte Biden.
Der US-Präsident sendete damit Warnsignale nach Moskau. Er machte deutlich, dass die USA und ihre Verbündeten bereit sind, Russland und seiner Wirtschaft „schwere Kosten und erheblichen Schaden“ aufzuerlegen. Die Drohung setzt die harte Linie gegen Russland (und China) fort, die der Demokrat während des gesamten Wahlkampfs verfolgte, der ihn zur Präsidentschaft führte.
„Wenn sie einmarschieren“, sagte er, „werden sie dafür bezahlen, ihre Banken werden keine Dollar-Transaktionen durchführen können.”
Putin hat seit langem Truppen und militärische Ausrüstung an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Das osteuropäische Land ist ein wesentlicher Bestandteil der russischen Verteidigungsstrategie, insbesondere wegen seiner geographischen Nähe zu Moskau. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Russland die Ukraine annektieren möchte, da ein offener Krieg politisch und wirtschaftlich sehr kostspielig wäre, doch möchte es sicherstellen, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt und ihre Neutralität bewahrt.
Biden geht darauf in seiner Ansprache ein: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine in naher Zukunft der NATO beitreten wird, ist nicht sehr groß.“
Gleichzeitig kündigte der US-Präsident an, dass Washington seinen NATO-Verbündeten in Osteuropa bei der „Stärkung“ helfen werde: „Wir haben den Ukrainer:innen bereits hochentwickelte Verteidigungsausrüstung im Wert von 600 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt“. Auch andere NATO-Staaten, wie Großbritannien, haben der Ukraine bereits Waffenlieferungen zugesichert, wie die Tagesschau berichtet. Selbstverständlich werden die Maßnahmen, die die USA und ihre Partner ergreifen werden, von der Art der militärischen Intervention abhängen, für die sich Russland entscheidet, erklärte Biden in der Ansprache. Deutlich betonte er, dass es für beide Seiten negative Auswirkungen durch Sanktionen im Zusammenhang mit Dollar-Transaktionen geben könne.
„Ich werde also dafür sorgen, dass alle auf der gleichen Seite stehen, wenn wir bei den Sanktionen gegen Moskau vorankommen“, sagte Biden. Diese Klärung der Auswirkungen ist vor allem auf die historischen Geschäftsbeziehungen zurückzuführen, die Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Eurozone, mit Russland unterhält. Vor allem, weil das Land auf russisches Gas angewiesen ist, um den Winter zu überstehen, weshalb es immer gezögert hat, Sanktionen zu verhängen.
Baerbock beharrt auf Diplomatie
Der Ruf nach der Schließung von Nord Stream 2 als wirksame Sanktion gegen Russland wird hierzulande lauter. Auf eine Anfrage, ob die Bundesregierung an ihrem Kurs bei der Ostsee-Pipeline und beim Verbot von Waffenlieferungen an die Ukraine festhalte, sagte Scholz, die Regierung handele „einheitlich in der Kontinuität dessen, was deutsche Regierungen in dieser Frage in der Vergangenheit klug auf den Weg gebracht haben.“
Ähnlich äußert sich auch die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bei ihrem Besuch in Kiew, Ukraine. Die Forderung nach Waffenlieferungen des ukrainischen Botschafters in der Bundesrepublik, Andrij Melnyk, lehnte Baerbock mit Verweis auf die Deutsche Geschichte bisher noch ab. Die deutsche „Verweigerungshaltung” sei „sehr bitter und frustrierend”, so Melnyk in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Vielmehr sprach sie sich bei ihrem Antrittsbesuch für eine Verhandlungslösung aus. In den Gesprächen waren sich die Ministerin und der ukrainische Ressortchef, Dmytro Kuleba, einig, Diplomatie sei der einzig gangbare Weg. Ähnlich wie die USA wurde immer wieder betont, dass die Bundesregierung fortwährend bereit für einen Dialog mit Russland sei. Dafür werde eine Wiederbelebung des sogenannten Normandie-Formats angestrebt (Ein Vermittlungs-Bündnis zwischen Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine, die sich bereits 2015 im Minsker Abkommen in dieser Konstellation verständigten).
Die komplizierte außenpolitische Agenda der Biden-Administration und ihre begrenzte Manövrierfähigkeit zeigen den Verlust der Hegemonie der noch immer wichtigsten imperialistischen Macht. Gleichzeitig positioniert sich Europa und insbesondere Deutschland zwar noch gegen Waffenlieferungen, der Schulterschluss mit den NATO-Verbündeten bleibt aber bestehen. Wir sind weit davon entfernt, „die Wogen zu glätten“, wie Biden in seinem Resümee beteuert und steuern mit Sicherheit auf noch stürmischere Zeiten zu.
Die zunehmenden geopolitischen Spannungen mit Russland werden auch die Linke in Deutschland mehr beschäftigen müssen. Zwei Anlässe gibt es dazu in den kommenden Monaten. Ende Februar treffen sich Politiker:innen, Wirtschafts- und Militärlobbyist:innen auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Anfang Juni kommen dann die Regierungschefs der G7 zu einem Gipfel in den bayerischen Alpen zusammen. Gegen beide Treffen wird es Protest geben. Die Herausforderung für die Linke wird sein, sich der konfrontativen Außenpolitik der westlichen Imperialismen entgegenzustellen, ohne dabei die russische Agenda schönzufärben.