TVStud-Mitgliederversammlung in Berlin: Studentische Beschäftigte zeigen sich kämpferisch
Über 70 SHKs sind am Montag zusammengekommen, um den Gewerkschaften ihre Stärke zu zeigen. Zudem wurden Mandate in die Tarifkommission und Arbeitskampfleitung gewählt. Die Stimmung: kämpferisch, und mit dem Drang, den Arbeitskampf selbst in die Hand zu nehmen.
Am Montag, den 22.05., versammelte sich die bis dato größte Anzahl an Berliner studentischen Beschäftigten (SHKs) in einem Hörsaal der TU. Mit dabei: Je zwei Vertreter:innen der Gewerkschaften ver.di und GEW. Mit ihnen wurde über die verschiedenen Dimensionen der Tarifauseinandersetzung, der Streiks und teilweise auch schon über Forderungen diskutiert. Außerdem wurden einige neue Gewerkschaftsmitglieder gewonnen und SHK-Posten in die verschiedenen Kommissionen für die nächste Tarifrunde des Tarifvertrags der Länder (TV-L) gewählt.
Berlin ist das einzige Bundesland mit einem Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte, 2018 wurde der TVStud III abgeschlossen. Im Vertrag ist eine seit 2023 wirksame “dynamische Ankopplung” der Lohnerhöhungen der SHKs an die Beschäftigten des TV-L festgelegt. Positiv dabei ist, dass somit ein gemeinsames Interesse mit anderen Beschäftigten existiert, für wirksame Lohnerhöhungen zu kämpfen, und dass SHKs sich am Arbeitskampf und an den Tarifkomissionen beteiligen können. Doch die Schattenseite ist, dass nur prozentuale Lohnerhöhungen für den TVStud wirksam wären, nicht aber Einmalzahlungen oder Sonderzahlungen. Doch genau diese schlagen die Arbeitgeberverbände gerne vor, um Lohnkosten und Steuern zu sparen.
Im Herbst soll es also gemeinsam mit den Beschäftigten der Länder, unter anderem Schulen, Ämter und Universitäten, in den Arbeitskampf gehen. Die Gewerkschaftssekretär:innen machten auf der Versammlung deutlich, dass das Tarifergebnis beim TVöD richtungsweisend sei, obwohl dieses Reallohnverluste bedeutet. Doch diese können sich SHKs schlichtwegs schwer leisten, so liegt der festgelegte Stundenlohn mit 12,96€ sogar unter dem Berliner Landesmindestlohn.
In dieser ernüchternden Lage ist bei einigen SHKs der Wille zum Arbeitskampf groß. Ein Zusammenschluss von Studentischen Beschäftigten arbeitet bereits seit letztem Jahr an einer berlinweiten Vernetzung, und nun wurde eine SHK-Vertretung in Gremien der zuständigen Gewerkschaften von GEW und ver.di gewählt.
In der ver.di Tarifkommission sind 15 Mandate vorgesehen, davon ein Mandat (+ Stellvertretung) für TVStud. In der GEW besteht die Kommission auf 6 Mandaten in der Abteilung Wissenschaft, davon ebenfalls ein TVStud-Mandat. Zudem wurden zwei TVStud-Mandate in die Bezirkliche Arbeitskampfleitung (BAKL) von ver.di gewählt, die insgesamt aus 30 Delegierten bestehen wird. Dessen Gegenstück in der GEW wird erst im Herbst gebildet. Hier wird schon klar, dass der Einfluss von studentischen Beschäftigten formell recht eingeschränkt bleiben wird.
Erfreulicherweise gab es zusätzlich zum TVStud-Orga-Team einige spontane Kandidaturen. Fast alle sprachen sich für eine kampfbereite und politische Kampagne aus, die sich nicht vom Gewerkschaftsapparat lähmen lassen soll – was auch der Erfahrung aus der letzten TVStud-Streikrunde 2018 zu verdanken ist. So wurde dieses Mal von einigen Kandidat:innen und anderen Beschäftigten die Frage nach imperativen Mandaten und höchstmöglicher Streikdemokratie aufgeworfen. Aus den Wahlen wurde ersichtlich, dass die SHKs die Kontrolle über ihren Arbeitskampf selbst haben, und nicht an gewerkschaftliche Vertreter:innen abgeben wollen, und auch nicht zurückschrecken, den Arbeitskampf politisch führen zu wollen. So kamen die meisten Stimmen auf Kandidat:innen linker Gruppen. Auch KGK-Redakteur Andrés Garcés hat eine Stellvertretung im BAKL erlangt.
Andere gaben sich unzufrieden mit den begrenzten Forderungsmöglichkeiten, die sich zunächst fast ausschließlich auf Entgelterhöhungen beziehen, während schon die TVStud-Studie Jung, Akademisch, Prekär Befristungen, Überstunden, die fehlende Wahrnehmung von Urlaubstagen und persönliche Abhängigkeitsverhältnisse als Hauptprobleme von SHK-Stellen identifiziert hat. Das zeigt, dass die Beschäftigten über den gewerkschaftlichen Rahmen hinausgehen müssen und sich als politische Bewegung gegen das kapitalistische Hochschulsystem als Ganzes etablieren müssen. Die Anliegen der SHKs lassen sich weder von denen der generellen Studierendenschaft, noch von denen aller anderen Beschäftigten an den Hochschulen trennen. Genauso wenig kann man Fragen der staatlichen Finanzierung, von Krieg, Krise und Inflation, und letztlich von Marktlogik und Eigentumsverhältnissen, ausklammern, wenn man die Prekarität der “akademischen Fußabtreter” verstehen und verbessern will. Eine erste zentrale Forderung muss hier sein, TVStud vollständig in den TV-L einzugliedern, um die Trennung der verschiedenen Beschäftigungsgruppen zu überwinden und die Abhängung der SHKs zu verhindern. Vielversprechend ist, dass die Bewegung, wie sie derzeit konstituiert ist, all diesen Punkten gegenüber offen ist. Für diese und weiterführende Perspektiven möchten wir in der Kampagne auch weiterhin kämpfen.
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