TVöD-Tarifabschluss: Ein skandalöses Ergebnis

10.04.2025, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Baki Devrimkaya

Das Ergebnis im TVöD nach der Schlichtungsempfehlung steht. Das Ergebnis ist gerade mal ein Inflationsausgleich für 2025 und somit ein Reallohnverlust. Wir empfehlen die Ablehnung und fordern, dass in Streikversammlungen bindend über einen Abschluss bestimmt werden muss.

Seit dem 23. Februar streiken die Beschäftigten im Tarifvertrag  öffentlicher Dienst (TVöD) für Lohnerhöhungen und verbesserte Arbeitsbedingungen. In Berlin betrifft das unter anderem die Beschäftigten der Charité, Vivantes und Jüdisches Krankenhaus, aber auch von der Berliner Stadtreinigung (BSR), der Berliner Bäderbetriebe, des Studierendenwerks und der Berliner Wasserbetriebe. Die Arbeitgeber der Tarifverträge im öffentlichen Dienst sind Bund und Länder. Drei Verhandlungsrunden sind gescheitert, die Arbeitgeber haben lange keine Angebote vorgelegt und versucht, auf Nullrunden hinzuwirken, also keine Erhöhung der Löhne. Begründet wurde dies immer wieder damit, dass die Kassen leer seien. 

Diese Begründung wird immer wieder verwendet für Kürzungen, unter anderem an Hochschulen, in Bildung, Sozialem und Gesundheit. Gleichzeitig wird für die Aufrüstung die Schuldenbremse ausgesetzt und 500 Milliarden in Infrastruktur investiert. Diese 500 Milliarden hätten unter anderem auch Krankenhäuser finanzieren können, aber wir sehen jetzt schon, dass das nicht das Ziel dieser Investitionen war, sondern auch diese Investition in die Infrastruktur am Ende der Aufrüstung dienen soll. Aufgrund der mangelnden Bereitschaft den Beschäftigten entgegenzukommen, wurde deshalb von den Arbeitgebern eine Schlichtung einberufen. Allerdings hat der ver.di-Bundesvorstand diese Schlichtungsvereinbarung mit den Arbeitgebern im Jahre 2011 selbst unterschrieben, was die Tarifkämpfe der Beschäftigten bremst und ihr wichtigstes Mittel, der Streik, wird durch die Friedenspflicht während der Schlichtung verhindert. 

„Recht auf freiwillige Mehrarbeit“ statt mehr Freizeitausgleich

Laut der GEW ist das nach der vierten Verhandlungsrunde geschlossene Ergebnis ein hart erkämpfter Kompromiss. Dieser richtet sich nach der Empfehlung der eingesetzten Schlichtungskommission und beinhaltet eine Erhöhung der Entgelte, rückwirkend ab April 2025, um 3% (mind. 110 Euro) sowie ab Mai 2026, um 2,8%, bei einer Gesamtlaufzeit von 27 Monaten bis März 2027. Das weicht deutlich von den ursprünglich von ver.di geforderten 8% bzw. mindestens 350 Euro mehr plus drei zusätzlichen freien Tagen bei einer Laufzeit von 12 Monaten ab. Die lange Laufzeit, in der ein Streikverbot herrscht, ignoriert dabei steigende Inflation und Preise und macht es für die Arbeitenden sehr schwer, mit Arbeitskämpfen auf aktuelle Weltlagen zu reagieren. Dass es nun bei mageren 5,8 Prozent über 27 Monate bleibt und es eine Möglichkeit geben wird, Arbeitszeit “flexibler” zu gestalten, ist stark zu kritisieren. 

Die Einigung zielt dabei auf eine mögliche freiwillige Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden ab. Dass Mehrarbeit statt Lohnerhöhung als positiver Kompromiss verstanden wird, zeigt das neoliberale Argumentationsmuster der Arbeitgeberseite sowie der Gewerkschaftsführung. Durch die steigenden Lebenshaltungskosten, die über die 27 Monate Laufzeit wahrscheinlich horend ansteigen werden, die Lohnerhöhung insgesamt aber nicht im Ansatz decken kann, wird ein enormer Druck entstehen, mehr arbeiten zu müssen, um überleben zu können. Prekär Beschäftigte werden damit durch die wirtschaftliche Situation in eine Position gezwungen, in der sie mehr arbeiten müssen als zuvor.

Streikdemokratie statt faule Kompromisse 

Durch die Fragmentierung der Arbeiter:innenschaft in die einzelnen Beschäftigungsgruppen, wie BVG, TVL, TVöD oder CfM wird die Kraft der Streikenden, ihre Forderungen anzugleichen und sich berufsgruppenübergreifend solidarisch zu zeigen maßgeblich gehemmt. Wir fordern eine berufsgruppenübergreifende Solidarisierungswelle und die Zusammenlegung der Streiks.

Während es bei der BVG innerhalb der Urabstimmung über den unbefristeten Streik zu einer absoluten Mehrheit von 94.5% kam, gibt es für die TVöD-Beschäftigten lediglich eine Mitgliederbefragung zu dem Tarifabschluss. Selbst bei einer hohen Mehrheit für eine Ablehnung ist die Mitgliederbefragung nicht bindend für die Tarifkommission. Stattdessen wäre der gemeinsame Streik und die damit einhergehende Solidarisierung mit all denjenigen, die ebenfalls ihre Arbeitskraft gegen Lohn verkaufen müssen, unser wirksamstes Mittel.

Streikende sollten immer selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie weiterhin streiken wollen, denn im Streik zeigt sich, wer dafür sorgt, dass die Bedingungen des alltäglichen Lebens gegeben sind. Daher sollten auch die Mitglieder der Tarifkommission, die mit den Arbeitgebern verhandeln, direkt auf Streikversammlungen gewählt werden und jederzeit abwählbar sein, damit sie auch wirklich im Interesse der Mehrheit der aktiv Streikenden handeln.

Viele Gewerkschaftsfunktionär:innen argumentieren für die Annahme des Ergebnis, da der Organisationsgrad im TVöD nicht hoch genug wäre für unbefristete Streiks. Aber warum sollte das bedeuten, dass die mehrheitlich organisierten Bereiche nicht weiter streiken sollten? Und warum sollten die Bereiche, die nicht streiken, nicht trotzdem das Ergebnis in Solidarität ablehnen? Strategische Sektoren wie Stadtreinigung, Bodendienste an Flughäfen, ÖPNV und OP oder Radiologie im Krankenhaus können massiven Druck mit punktuellen Streiks erwirken und die Moral in noch unorganisierten Betrieben erhöhen, sich ebenfalls zu organisieren.

Im Kampf gegen Rechtsruck, Militarisierung und Kürzungen können Gewerkschaften eine wichtige Rolle für arbeitende Menschen spielen, wenn sie es schaffen, sich selbstorganisiert in Versammlungen gegen Angriffe auf ihre Lebensbedingungen und auch politische Forderungen zu stellen. Die Streikdemokratie, eine frühe Form der Arbeiter:innendemokratie, kann in Streikversammlungen auch politische Forderungen stellen, wie die Enteignung von Großkonzernen unter Kontrolle der Beschäftigten oder die Blockade von Waffenlieferungen durch Arbeiter:innen, die an Häfen, Flughäfen und an Bahnhöfen arbeiten. Die Gewerkschaftsführung, hat uns gezeigt, dass sie unsere Kämpfe eher bremst, anstatt uns an Entscheidungen wirklich teilhaben zu lassen. ver.di-Vorsitzender Frank Werneke hat sich sogar für das Sondervermögen ausgesprochen.

Die Hochrüstung der Merz-Regierung greift nicht nur unsere Löhne an, sondern wird auch wieder zu einer noch stärkeren Hetze gegen Arme, Arbeitslose und Migrant:innen führen, um auch deren Armut zugunsten der Aufrüstung weiter zu verschärfen. Daher müssen wir in unseren Betrieben und Gewerkschaften mit unseren Kolleg:innen diskutieren, wie wir uns gegen das Ergebnis im TVöD organisieren. Die Ablehnung des Ergebnis in der Mitgliederbefragung, was auch die Erklärung des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di fordert, ist zu unterstützen. 

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