TVöD-Streiks: Studierende und Beschäftigte gemeinsam für einen Inflationsausgleich
Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst streiken. Diesen Kampf unterstützen wir aus der Uni heraus. Denn es geht nicht nur um höhere Löhne, sondern um ein Ende der Sparpolitik der Regierung in Bildung, Pflege und Sozialem.
Am 24. Januar begannen die Verhandlungen für den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst. Zum öffentlichen Dienst gehören viele Berufsfelder. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen, in der Kulturbranche, den Schulen und Kitas, der Wissenschaft und Forschung, oder auch in der Stadtreinigung und anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge haben wir insbesondere während der Coronapandemie zu schätzen gelernt.
Damals applaudierten alle für die hart arbeitenden Menschen in den systemrelevanten Berufen. Doch die reale Wertschätzung blieb aus. Im Gegenteil: Die Regierungen übernahmen keine nennenswerten Anstrengungen, den Mangel an Pflegekräften, die Unterfinanzierung des Bildungssystems oder die schlechten Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft anzugehen.
Währenddessen ist aber offensichtlich, dass genug Geld da ist: 100 Milliarden Euro fließen als Sondervermögen in die Bundeswehr. Es ist fast lachhaft: Während der Coronapandemie wurde uns gesagt, es gebe kein Geld für die Pflege und andere essenzielle Dienstleistungen. Jetzt sehen wir: Dieses Geld ist da, aber die Prioritäten der Regierung liegen nicht bei unseren Grundbedürfnissen wie Bildung, Pflege oder Müllabfuhr.
Stattdessen liegen sie bei den Profiten von Rüstungsfirmen, deren Gewinne durch den Krieg in die Höhe geschnellt sind. Geld fließt außerdem weiter massiv in die Polizei, wie zum Beispiel in eine neue Polizeiwache am Kottbusser Tor in Berlin. Derweil kürzt die Berliner Regierung aus SPD, Grünen und DIE LINKE eine Milliarde im Bereich Bildung
Gleichzeitig frisst die Inflation die Gehälter auf. Steigende Kosten für Lebensmittel, Energie oder Benzin bedeuten einen Reallohnverlust für die meisten Beschäftigten, auch im öffentlichen Dienst. Gerade Menschen in den mittleren und unteren Gehaltsklassen müssen jeden Cent umdrehen, um über die Runden zu kommen. Auch wir Studierenden und Auszubildenden leiden unter den steigenden Preisen und der sozialen Schieflage. Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 knapp 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet – für das vergangenen Jahr müssten es viel mehr sein.
Im Zentrum der neuen Tarifrunde stellen die Gewerkschaften GEW und ver.di deshalb folgende Forderungen: Die Gehälter sollen um 10,5 Prozent steigen – und zwar für alle 2,5 Millionen Beschäftigten in Bund und Kommunen, mindestens 500 Euro soll es monatlich mehr geben. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll 12 Monate betragen.
Angesichts einer Inflationsrate von zuletzt 8,6 Prozent müssen diese Forderungen voll durchgesetzt werden. Besonders die mindestens 500 Euro mehr zu erkämpfen, ist zentral. Denn von diesem Sockelbetrag würden besonders die Beschäftigten in den unteren Gehaltsklassen überdurchschnittlich stark profitieren.
Die nominelle Inflationsrate erzählt gleichzeitig nicht die ganze Geschichte. Die Preise für „Güter des täglichen Gebrauchs“ steigen noch stärker, zum Beispiel kosteten im Dezember letzten Jahres Lebensmittel 19,8 Prozent und Energie 33,2 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Es braucht eine gleitende Lohnskala, sodass die Löhne automatisch mit der Inflation steigen und Reallohnverluste verhindert werden.
Die Forderungen schließen auch uns mit ein: Azubis, an den TVöD gebundene Studierende (hauptsächlich dual Studierende) und Praktikant:innen sollen 200 Euro monatlich mehr bekommen. Dazu soll den Auszubildenden eine unbefristete Übernahme garantiert werden. Die durchaus richtige Forderung für Studierende wäre leider ein Tropfen auf dem Stein. Von den 37,9 Prozent der Studierenden, die von Armut bedroht sind, ist damit längst nicht allen geholfen. Deshalb braucht es darüber hinaus unbedingt die automatische Anpassung des BAföG-Satzes an die Inflationsrate und eine finanzielle Absicherung für alle Studierenden. Das BAföG muss rückzahlungsfrei ausgezahlt werden, um eine Verschuldung zu verhindern, und zwar an alle Studierenden, die es brauchen, unabhängig von der Staatsbürger:innenschaft.
Wir müssen unsere Kämpfe verbinden!
Viele von uns arbeiten schon nebenher, um sich über Wasser zu halten. Einige von uns werden in Zukunft im öffentlichen Dienst arbeiten. Als Studierende müssen wir uns deshalb mit den Streiks solidarisieren.
Der Zusammenschluss ist unsere größte Möglichkeit, die Forderungen durchzusetzen. Die Spaltung der aktuellen Arbeitskämpfe in Berlin lähmen unser Potenzial, denn schließlich kämpfen alle Beschäftigten und auch wir Studierende gegen die Sparpolitik der rot-rot-grünen Regierung. Wir brauchen gemeinsame Streiks von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Lehrkräften, Post-Mitarbeiter:innen und anderen kämpfenden Sektoren. Die Führungen der DGB-Gewerkschaften müssen zum gemeinsamen Kampf aufrufen. Wenn Krankenhäuser, Schulen, die Post und auch die Müllabfuhr stillstehen würden, dann könnte der Druck auf die „Arbeitgeber“ und den Senat noch viel stärker ausgeübt werden.
Aber diese Zusammenlegung der Streiks wird gebremst. Und zwar von den Teilen der Gewerkschaft, die schon lange nicht mehr selbst in den Betrieben arbeiten, sondern für viel mehr Geld als die Beschäftigten in den Gewerkschaftsapparaten tätig sind. Die Interessen dieser Bürokratie spiegeln nicht die Interessen der Beschäftigten oder von uns Studierenden an der Armutsgrenze wider. Es braucht unabhängige und demokratische Streikversammlungen, wo jede:r Beschäftigte eine Stimme hat. Auch an den Unis sind Vollversammlungen, die für alle offen sind ein Gremium, in dem wir über die Streikwelle diskutieren können und jede:r mitentscheiden kann, beispielsweise darüber, ob wir alle gemeinsam als Solidaritätsdelegation zu den Streikposten fahren. Mit unseren Kommiliton:innen müssen wir diskutieren, dass die Unterstützung der Streiks notwendig ist für eine bessere Gesundheit und Bildung, aber auch für bessere Arbeitsbedingungen, von denen wir in der Zukunft selbst profitieren werden.
Doch im Arbeitskampf geht es um mehr als nur um Geld. Viele Studierende wollen gegen sexistische und rassistische Unterdrückung kämpfen. Die aktuellen Tarifrunden bieten eine sehr konkrete Möglichkeit hierfür. Viele der Sektoren des öffentlichen Diensts sind stark feminisiert und migrantisiert, gerade in den Bereichen, wo die Löhne und Arbeitsbedingungen schlechter sind. Beispielsweise arbeiten in der Pflege und Reinigung überwiegend migrantische Frauen, in anderen Bereichen wie der Müllabfuhr viele Migrant:innen. Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen sind dort auch wichtige Schritte gegen eine rassistische und sexistische Arbeitsteilung.
Auch an den Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen betreffen uns Studierende Kürzungen. Die Berlin University Alliance, ein Zusammenschluss der Berliner Hochschulen, befürchtet große Veränderungen durch die geplanten Kürzungen des Berliner Senats, berichtet der Tagesspiegel.Diese Kürzungspläne sind auch deshalb brisant, weil schon im Dezember die Besetzung Dutzender Stellen an den Unis gestoppt wurde – ausgelöst durch das kurz zuvor beschlossene neue Berliner Hochschulgesetz. Dieses begrenzt befristete Stellen. In den wenigsten Fällen werden die Verträge jedoch entfristet. Die Unterfinanzierung führt vielmehr dazu, dass weniger Stellen geschaffen werden. Mit den Beschäftigten gemeinsam zu streiken bedeutet also auch, gegen die Sparpolitik einzutreten, die unsere Chancen auf gute Bildung und Forschung einschränkt.
Doch es bleibt nicht nur bei der Solidarisierung mit den Streiks. Die gemeinsame Streikerfahrung lässt uns als Studierende erste Erfahrungen in realen politischen Auseinandersetzungen sammeln. Gemeinsam mit den Beschäftigten können wir lernen, wie Selbstorganisierung aussieht und wie erfolgreich Druck gegen die Bosse aufgebaut werden kann.
Ähnlich wie in Streikkomitees haben wir auch als Studierende die Möglichkeit, die Vollversammlung als Organ der politischen Selbstorganisierung zu nutzen. Doch diese findet nicht im luftleeren Raum statt. Nutzen wir unsere Strukturen an den Universitäten, um die Verhandlungen im öffentlichen Dienst politisch zu begleiten!
Aktuell steht viel auf dem Spiel: Es entscheidet sich für Millionen Beschäftigte, wie viel Geld sie zum Monatsende noch in der Tasche haben werden. Doch nicht nur für sie ist die Tarifrunde wichtig: Das Ende der Krise, die wir erleben, ist noch nicht in Sicht. Die Kapitalist:innen und der Staat werden versuchen, die Kosten auf uns abzuwälzen, durch Inflation, Reallohnverluste, aber auch Betriebsschließungen und vermehrte Umweltzerstörung für ihre kurzfristigen Profite. Die Tarifrunde ist eine Möglichkeit, das Kräfteverhältnis zu ändern und zu versuchen, ein neues Gewicht auf die Waage zu legen: eine kämpferische Studierendenbewegung auf der Seite der Arbeiter:innen.
Kommt mit uns zu Streiks als Solidelegation!
Streik der Lehrer:innen des GEW: Dienstag, 07.02.
Erster großer Streik im TVöD: Donnerstag, 09. Februar
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ab 08:30 Kundgebung vor dem Roten Rathaus:
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ab 9:30 Demonstration vom Roten Rathaus nach Kreuzberg