TVöD-Runde: Jetzt CFM- und Pflegestreiks zusammenführen!

25.09.2020, Lesezeit 8 Min.
1
Titelbild: Streik-Demonstration der CFM

Die Verhandlungsrunde über den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst ist in vollem Gange. Am Dienstag und Mittwoch wird es auch Streiks der öffentlichen Krankenhäuser Charité und Vivantes geben. Doch ein großer Teil der Belegschaft bleibt außen vor: Tausende Kolleg:innen sind in Tochterfirmen ausgelagert, für die der TVöD nicht gilt und die deswegen nicht zum Streik aufgerufen werden. Aber gerade für Tochterbelegschaften wie die CFM hat der gemeinsame Kampf besondere Bedeutung – kämpfen sie doch seit Jahren um eine Angleichung ihrer Löhne und Arbeitsbedingungen an den TVöD.

Seit Monaten schon gibt es Bewegung an den Berliner Krankenhäusern und insbesondere bei der Charité Facility Management GmbH (CFM), der ausgelagerten Servicetochter der Charité. Im März streikten die CFM-Beschäftigten bereits eindrücklich, damals unter großer Beteiligung der neu mobilisierten Reinigungskräfte. Dieser Bereich allein brachte über 100 Kolleg:innen auf die Straße.

Doch der Streik wurde von der ver.di-Führung abgebrochen, bevor er seine volle Kraft entfalten konnte. Obwohl sich ein großer Teil der Streikenden gegen den Abbruch äußerte, gab es keine Abstimmung über die Fortsetzung des Streiks.

Nach mehreren Monaten wurde erneut gestreikt, aber nur bis zum 4. September. An diesem Datum wurde erneut ohne Abstimmung abgebrochen. Seitdem gibt es wenig Neues, denn über die Verhandlungen selbst wurde „Vertraulichkeit“ vereinbart. So weiß nur die vierköpfige Verhandlungskommission, was genau besprochen wird. Alle anderen Streikenden sollen abwarten und haben keine Möglichkeit, über die Verhandlungstaktik oder weitere Kampfmaßnahmen zu entscheiden. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, den Kampf der CFM als gemeinsamen Kampf aller Charité-Beschäftigten gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen zu begreifen. Dank der aktuellen TVöD-Runde gäbe es erstmals seit längerem wieder die Möglichkeit, dass Stammbelegschaft und ausgelagerte Beschäftigte gemeinsam streiken.

Das ist so naheliegend, dass es auch im Rahmen der „Corona-Pakt“-Verhandlungen mehrfach aufgeworfen wurde, wie Delegierte berichten. Dort sitzen schließlich fast alle Bereiche von Charité und Vivantes mit am Tisch, inklusive der CFM und auch anderen Tochterunternehmen wie der Vivantes Service GmbH (VSG). Und die Wiedereingliederung der Tochterunternehmen ist dort eine der zentralen Forderungen von ver.di.

Auf dem Papier existiert die Verbindung der Kämpfe also schon. Es kommt aber darauf an, sie in der Praxis umzusetzen. Das ist nicht nur im Interesse der CFM-Beschäftigten: Auch für die Stammbelegschaft wie die Pflege bedeutet ein Niedriglohnsektor im eigenen Haus einen stetigen Druck auf die eigenen Löhne und Arbeitsbedingungen.

Das wurde auch kürzlich durch die Äußerungen des Charité-Vorstands Heyo Kroemer deutlich. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost machte er deutlich, dass er den TVöD für die Reinigung oder auch für andere Dienstleistungen als unvereinbar mit einer „sparsamen Haushaltsführung“ sieht. Anders gesagt: Der TVöD ist eigentlich zu teuer und sollte im Krankenhaus möglichst Wenigen zu Gute kommen.

Angesichts solcher Einstellungen bei der Charité-Führung sollte also auch die Stammbelegschaft die Losung der CFM aufnehmen, bevor sie weiter zerstückelt wird: „TVöD für alle!“

Nicht die Pfleger:innen lassen die CFM im Stich – sondern die ver.di-Bürokratie

Warum sind gemeinsame Streiks von CFM und Charité-Stammbelegschaft noch immer nicht in Sicht, obwohl gerade optimale Bedingungen dafür bestehen? An mangelnder Absprache wird es nicht liegen – schließlich ist mit Marco Pavlik derselbe ver.di-Sekretär für CFM und Charité zuständig.

Doch der ver.di-Apparat mit seinen engen Verbindungen zu den Regierungsparteien SPD und Linkspartei (so kandidierte beispielsweise Marco Pavlik selbst 2019 als Mitglied der Linkspartei für den Brandenburgischen Landtag) scheint kein Interesse daran zu haben, den Berliner Senat zu einer schnellen Rückführung der CFM zu zwingen.

Pavlik macht aus seinen guten Verbindungen zur Linkspartei kein Geheimnis. Aber was ist seine Strategie, um den Kampf bei der CFM zu gewinnen? Offenbar setzen er und seine Vorgesetzten im Landes- und Bundesvorstand von ver.di nicht darauf, den Senat mit konsequenten Streiks zum Handeln zu bewegen.

Stattdessen ergibt sich ein wiederkehrendes Muster: Die Kolleg:innen der CFM werden mobilisiert und zu Streiks aufgerufen, um ihrer Wut einen Ausdruck zu verleihen. Aber wenn der Streik droht, zu einem echten Problem für die Charité – und damit für den Senat – zu werden, wird er von oben abgebrochen. Angeblich sollen dann geheim stattfindende Verhandlungen, in die nur wenige Einblick haben und die von einem hauptamtlichen ver.di-Sekretär angeführt werden, ein besseres Ergebnis bringen als ein offen ausgetragener Konflikt mit Geschäftsführung und Senat. Ganz nebenbei wird damit auch die Vermittlungsrolle des ver.di-Apparats zementiert. Wenn die Streikenden selbst über ihren Kampf und die Verhandlungen entscheiden würden, hätte das ver.di-Hauptamt ja plötzlich nicht mehr die Kontrolle über den Arbeitskampf.

Diese bürokratische Logik führte auch zu der desaströsen Situation im Jahr 2011, als die CFM und die Pfleger:innen gemeinsam streikten, aber die CFM nach einer Abstimmung unter der Stammbelegschaft plötzlich alleine da stand. Bis heute hält sich der Eindruck in der CFM, dass „die Pflege“ damals die schlechter gestellten Kolleg:innen im Stich gelassen hätte. Doch es gab und gibt jede Menge Solidarität von Pflegekräften in Richtung der CFM. Es war jedoch der ver.di-Apparat, der 2011 dem Druck der Geschäftsführung nachgab und die Kolleg:innen der Pflege zu einem schnellen Abbruch ihres Streiks drängte. Während kurz vorher noch davon gesprochen wurde, dass „nur alle zusammen“ wieder reingehen würden, wurde den Pflegekräften plötzlich ein Angebot vorgesetzt. Mit der Bedingung, dass sie noch am selben Tag zustimmen und ohne die CFM den Streik beenden. Anwesende berichten auch von undemokratischen Manövern, die das Ergebnis sichern sollten: So wurde das ablehnende Abstimmungsergebnis des Standorts Steglitz falsch zum Standort Mitte weitergegeben, was wahrscheinlich die Abstimmung dort verzerrte. Außerdem wurden die Drohungen der Geschäftsführung (Kündigung der Notdienstvereinbarung und sogar Schließung des Standorts Steglitz) als reale Gefahren präsentiert, um Druck für eine Annahme des Angebots zu machen.

Wiederaufnahme des CFM-Streiks!

Wenn nicht erneut die Möglichkeit eines gemeinsamen Kampferfolgs aller Charité-Beschäftigten verstreichen soll, muss der Streik der CFM in der kommenden Woche wieder aufgenommen werden.

Darüber sollte nicht die ver.di-Führung entscheiden, sondern die Streikenden selbst. Schließlich geht es dabei um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen. Um alle Streikenden einzubeziehen, braucht es eine Offenlegung der Verhandlungen, sowie Streikversammlungen, bei denen über das Vorgehen diskutiert und demokratisch abgestimmt wird. Die Verhandlungskommission muss selbstverständlich an die demokratischen Beschlüsse der Streikenden gebunden sein.

Mit Sicherheit gibt es viele CFM-Kolleg:innen, die für eine Fortsetzung des Streiks sind. Sie werden nur nicht gehört, wie es auch mit den 200 Unterschriften gegen den Streikabbruch im März der Fall war.

Was können diese Kolleg:innen jetzt tun? Sie sollten sich untereinander über die Situation austauschen und möglichst sichtbar auf ihre Forderungen aufmerksam machen: Die Mahnwache vor dem Virchow-Klinikum besteht weiterhin und könnte ein Anlaufpunkt für streikwillige ver.di-Mitglieder sein. Um den ver.di-Apparat unter Druck zu setzen, braucht es aber öffentliche Sichtbarkeit. Die Streikenden könnten Unterschriften für die Wiederaufnahme des Streiks sammeln oder gemeinsam Fotos mit ihren Forderungen veröffentlichen. Damit könnte der Hinterzimmer-Politik der Gewerkschaftsbürokratie etwas entgegengesetzt werden.

Wenn am Dienstag und Mittwoch die TVöD-Kolleg:innen an der Charité streiken, sollte auch die CFM wieder die Arbeit niederlegen. Dann braucht es nicht nur gemeinsame Aktionen auf der Straße, sondern auch eine gemeinsame Streikversammlung, in der über eine die Streikstrategie diskutiert und entschieden wird.

Angesichts der jüngsten Äußerungen des Charité-Vorstands ist die Reinigung besonders bedroht. Schließlich hatte Kroemer sinngemäß erklärt, dass es für sie nie den TVöD geben könne. Dagegen müssen erst recht mehr Kolleg:innen aus der Reinigung mobilisiert und alle Streikenden hinter ihnen versammelt werden.

  • Wiederaufnahme des CFM-Streiks, um endlich gemeinsam mit der Pflege zu kämpfen. Das gilt auch für die VSG, VivaClean, Labor Berlin und alle anderen Ausgelagerten. TVöD für alle!
  • Über Streikfragen muss demokratisch entschieden werden, nicht von oben herab.
  • Schluss mit der Geheimhaltung! Alle Streikenden brauchen Einblick und offene Diskussionen über die Verhandlungen mit dem Senat.
  • Volle Solidarität mit der Reinigung! Gegen jede Einschüchterung und faule Kompromisse!

Mehr zum Thema