TVöD: Gemeinsam für 4-Tage-Woche und gegen die Schwarze Null!

01.09.2020, Lesezeit 7 Min.
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Foto von Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Am heutigen Dienstag, den 01. September, startet die bundesweite Tarifrunde im Öffentlichen Dienst (TVöD). Eine riesige Chance gemeinsam dafür zu kämpfen, dass wir Arbeiter*innen nicht für die Krise zahlen. Die Streikenden der Charité-Tochter CFM kämpfen aktuell auch für ihre Forderungen.

Ver.di fordert 4,8 Prozent mehr Lohn bzw. 150 Euro als Mindestbetrag. Außerdem 100 Euro mehr pro Monat für Azubis und Praktikant*innen. Die vorgeschlagene Laufzeit beträgt zwölf Monate. Diese Tarifrunde steht, wie alles, im Schatten der Corona-Krise. Besonders den Kolleg*innen in den Krankenhäusern wurde in den letzten Monaten von allen Seiten gedankt und applaudiert. Doch aus der Politik kamen bisher nicht mehr als leere Worte. Öffentliche Krankenhäuser bilden da keine Ausnahme. Aktuell befinden sich die Beschäftigten der Charité-Tochter Charité Facilitiy Management (CFM) im Warnstreik. Sie erleben seit Jahren am stärksten, dass die Politik nicht bereit ist, mehr Geld für Krankenhäuser bereitzustellen. Nicht irgendeine Politik, sondern ein vermeintlicher linker Senat aus SPD, Linkspartei und Grünen. Lohndumping, riesige Lohngefälle und Einschüchterungen durch die Geschäftsführungen bestimmen hier den Alltag.

Die Wahl von Olaf Scholz zum SPD-Kanzlerkandidaten ist da ein Schlag ins Gesicht. Denn Scholz als Finanzminister vertritt wie sein CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble stramm die Politik der Schwarzen Null. Besonders in der aktuellen Situation, in denen die Haushaltsüberschüsse nicht so gewaltig sein werden, wie in den Jahren zuvor, ist klar, wer darunter leiden wird: Die öffentliche Daseinsvorsorge, allen voran die Beschäftigten in Krankenhäusern.

Umso ironischer ist es, dass ausgerechnet die „linken“ Parteivorsitzenden Esken und Walter-Borjans, die vor einem Jahr noch gegen Scholz gewonnen hatten, gemeinsam mit Noch-Juso-Chef Kevin „NoGroKo“ Kühnert, die Kandidatur von Scholz ermöglicht haben. Sie setzen die Hoffnung in ein Bündnis aus Rot-Rot-Grün nach den Wahlen nächstes Jahr. Realistisch ist das kaum — und wenn dann wohl nicht unter Führung der SPD. Doch in Berlin, in Brandenburg und in Thüringen haben wir gesehen, dass auch solche „linken“ Regierungen bereit ist, harte Angriffe auf uns Arbeiter*innen durchzusetzen.

Die Bedienung von Schulden gegenüber Banken war hier oft wichtiger als die Interessen der Beschäftigten. Die Ausgliederungen vieler Bereiche aus den Berliner Krankenhäusern und die Privatisierungen von Wohnungen sind direkte Ergebnisse „linker“ Regierungspolitik. Die jetzigen Versprechen, mehr in die öffentliche Daseinsvorsorge und die Infrastruktur zu investieren, bleiben am Ende leer, wenn uns Beschäftigten das Geld dafür an anderer Stelle wieder genommen wird — wenn es überhaupt umgesetzt wird. Stattdessen braucht es eine drastische Besteuerung von Reichen und großen Vermögen.

Angesichts dessen muss die TVöD-Runde ausgeweitet werden. Lohnerhöhungen sind wichtig und 4,8 Prozent darf hier nur die unterste Grenze sein. Die Corona-Krise zeigt aber, dass die Regierungen und die Bosse die Arbeiter*innen über alle Sektoren hinweg für ihre Einbußen zahlen lassen wollen. Die Krankenhäuser stehen beispielhaft für eine Politik und das Wirtschaftssystem, was Gewinnmaximierung über die Bedürfnisse von Patient*innen und Beschäftigten stellt. In privaten Kliniken kam es sogar zu Entlassungen, weil die Stationen nicht voll ausgelastet waren. Völlig abstrus in Zeiten von Personalmangel. Das DRG-Fallpauschalen-System, über das sich Krankenhäuser hauptsächlich finanzieren, gehört deshalb abgeschafft. Kliniken gehören in die Hand von Beschäftigten und Patient*innen und müssen nach Gesundheitsinteressen arbeiten — nicht nach Profitinteressen!

Gegen den Personalmangel brauchen wir ein Sofortprogramm, um die Bedingungen für Beschäftigte und Azubis zu verbessern. Garantierte Übernahmen, Lohnerhöhungen und ausreichend Ausrüstung, um auch auf solche Pandemien wie aktuell vorbereitet zu sein. Alles ausgegliederten Bereiche müssen sofort wieder in die Krankenhäuser integriert werden. Befristet Beschäftigte müssen entfristet und Befristungen generell verboten werden. Nur so werden in Zukunft mehr Leute bereit sein, in der Pflege zu arbeiten. Denn besonders in Krankenhäusern brauchen wir eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Überbelastung von Krankenbeschäftigten gefährdet nicht nur unsere eigene Gesundheit, sondern auch die der Patient*innen.

Dass die ver.di-Führung trotz der aktuellen Debatte die Forderungen der Vier-Tage-Woche ausdrücklich nicht mit aufnimmt, ist wiederum ein Skandal und nichts weiter als vorauseilender Gehorsam gegenüber den Bossen und der Regierung. Eine Politik, die sich leider durch die Corona-Krise zieht. Ursprünglich wollte ver.di sogar die Tarifrunde auf Anfang nächstes Jahr verschieben, ohne Tarifverbesserungen. Stattdessen forderte man Einmalzahlungen. Daraus wurde nur nichts, weil das von den Arbeitgeber*innen abgelehnt wurde. In der Industrie hat die IG Metall ohne weitere Diskussionen im Frühjahr einfach eine Nullrunde für die zwei Millionen Beschäftigten ausgehandelt. Bei Galeria/Karstadt/Kaufhof, die vor der Zerschlagung stehen, verzichtet die ver.di-Führung vollständig auf den Kampf. Und auch die Kurzarbeitsregelung der Bundesregierung wird unkritisch hingenommen und teilweise sogar begrüßt.

Wir brauchen keine solche Burgfriedenpolitik mit der Regierung, sondern einen offensiven Kampf. Für die Abschaffung des DRG-Systems und mehr Personal im Krankenhaus. Unternehmen, die ihren Laden dicht machen wollen und tausende Leute entlassen, dürfen nicht auch noch mit Milliardenhilfen belohnt werden. Sie gehören verstaatlicht und unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt. Entlassungen müssen vollständig verboten werden. Stattdessen muss die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich flächendeckend eingeführt werden — ohne Ausnahmen.

Dafür müssen wir eine breite Front aufbauen, die sich gegen die Politik der Regierung der Bosse stellt. Statt Verhandlungen zwischen Funktionär*innen und Bossen brauchen wir gemeinsame Streiks in den Betrieben über Gewerkschafts- und Parteigrenzen hinweg. Gerade in der Industrie drohen die Bosse trotz Kurzarbeitsgeld bereits mit weiteren Entlassungen, wenn die Regierung ihnen keine weitere Hilfen zusagt. Die IG-Metall-Führung hat in der Vergangenheit oft genug gezeigt, dass sie konsequente Kämpfe dagegen verweigert. Viel zu oft standen am Ende Sozialtarifverträge oder Sozialpläne, bei denen die Kolleg*innen drastische Einbußen hinnehmen mussten, damit ein paar Kapitalist*innen weiter ihre Gewinne einkassieren.

Angriffe und Kompromisse, die wir heute akzeptieren, werden langfristig unsere Arbeits- und Lebensbedingungen drastisch verschlechtern — und die der Folgegenerationen. Schon heute erhalten überdurchschnittlich viele junge Menschen nur noch befristete Verträge. Die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin stieg dieses Jahr um fast 50 Prozent. Besonders migrantische Jugendliche sind davon betroffen. Daran hat auch Rot-Rot-Grün in Berlin nichts geändert. Wieso sollte sich das ausgerechnet unter Olaf Scholz im Bund ändern?

Wir brauchen keine linkere Verwaltung des Kapitalismus, die uns bei jeder kleinen oder großen Krise im Interesse der Bosse verrät. Stattdessen müssen wir antibürokratische und klassenkämpferische Strömungen in den Gewerkschaften aufbauen, die vollständig unabhängig vom Staat und vom Kapital sind. Denn es sind immer noch Millionen von Beschäftigten, die in Gewerkschaften organisiert sind. Wir dürfen sie deshalb nicht überbezahlten, sozialdemokratischen Funktionär*innen überlassen, sondern müssen sie zu Kampforganen unser Klasse machen.

Wir rufen deshalb dazu auf, die Kämpfe zu verbinden und gemeinsame Streiks von den TVöD- und den outgesourcten Beschäftigten zu organisieren. Gemeinsame Aktionen der aktuell streikenden CFM- und der TVöD-Arbeiter*innen sind hierfür ein notwendiger erster Schritt.

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