TV-L: Nächste Runde gegen die Regierung und Krise

02.10.2023, Lesezeit 25 Min.
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Streiks im Öffentlichen Dienst im März 2023. Foto: Maxi Schulz

Studentische Beschäftigte, Krankenhausbeschäftigte, Erzieher:innen, Lehrer:innen sowie viele weitere Berufsgruppen bereiten sich aktuell auf die kommende Tarifauseinandersetzung und Streiks in der TV-L-Runde vor. Was für eine Kampfperspektive brauchen wir?

Nach der großen Streikwelle im Frühjahr 2023 im öffentlichen Dienst (TVöD), ist der nächste bedeutende Kampf der Arbeiter:innen, Studierenden und weiteren Beschäftigten dran: die Tarifrunde der Länder (TV-L). Über 800.000 Kolleg:innen arbeiten in Betrieben, die unter den TV-L fallen. Weitere Hunderttausende haben einen Vertrag, der an den TV-L angelehnt ist.

Ebenfalls zeichnet sich erstmals die Möglichkeit eines bundesweiten Tarifvertrags (TVStud), bzw. Eingliederung in den TV-L für studentische Hilfskräfte (SHKs) ab. Deutschlandweit gibt es Schätzungen zufolge ungefähr 400.000 SHKs. Ende Oktober sollen diese zusammen mit den anderen Beschäftigten im TV-L zum Streik aufgerufen werden.

Am 26. Oktober findet die erste Verhandlungsrunde statt, die vermutlich von Warnstreiks in mehreren Bundesländern begleitet werden wird.

Sowohl die vergangene als auch die kommende Streikbewegung im öffentlichen Dienst finden im Kontext einer Wirtschaftskrise statt, die durch den Krieg in der Ukraine, die Sanktionen und hohen Energiepreise nochmal befeuert wurde. Die Inflation, die zeitweise bei grundlegenden Bedürfnissen bis zu 10 Prozent und bei Lebensmitteln bis zu 28 Prozent anstieg, frisst seit Monaten die Löhne der Beschäftigten. Die Bundesregierung reagierte 2022 mit halbherzigen Entlastungspaketen auf diese Entwicklung, um mögliche Massenproteste zu verhindern.

Währenddessen kündigte die Bundesregierung 100 Milliarden Investitionen in die Bundeswehr an und opferte dafür notwendige Investitionen in Soziales, Gesundheit, Bildung und Klima. Der Bundeshaushalt sieht bis zu 30 Milliarden weniger Mittel vor, während Bundesfinanzminister Christian Lindner zur Einhaltung der Schuldenbremse aufruft. Selbst große Prestigeprojekte der Ampelregierung wie die Kindergrundsicherung mussten, wie wir heute sehen, um bis zu 85 Prozent gekürzt werden. Zudem kündigt die Bundesregierung Steuererleichterungen für Unternehmen an.

Mit dem Beginn der Streikbewegung im TVöD (Anfang 2023) kam es endlich zu Bewegung. Insgesamt 500.000 ver.di-Mitglieder beteiligten sich an Streikaktionen. Dazu kamen dann noch über 100.000 Post-Mitarbeitende und mindestens weitere 100.000 Bahnbeschäftigte. Ebenfalls fanden Streiks an Berliner Schulen, Flughäfen und einigen Metallbetrieben statt. Es fand sogar ein symbolischer, aber gemeinsamer ver.di und EVG „Megastreik“-Tag statt, sowie gemeinsame Aktionen mit der Klimabewegung Fridays for Future.

Die Streikbewegung blieb jedoch hinter ihrem Potenzial zurück. Einerseits wurden Streiks frühzeitig abgebrochen, entweder durch Schlichtungen im TVöD oder Kompromisse der ver.di-Verhandlungsführung trotz Votum bei der Post für unbefristete Erzwingungsstreiks. Die zahlreichen Streiks wurden, trotz Bemühungen der Kolleg:innen in den Betrieben, seitens der Gewerkschaftsführungen voneinander getrennt gehalten. Durch gemeinsame Erzwingungsstreiks von hunderttausenden Kolleg:innen wäre ein Inflationsausgleich für alle möglich gewesen.

Andererseits kam die Streikbewegung nicht über den Rahmen der Lohnverhandlungen für die Tarifbeschäftigten hinaus. Angesichts der Krise war es jedoch notwendig, dass wir als Gewerkschaften neben der Tarifbewegung eine politische Bewegung für Verbesserungen der gesamten Arbeiter:innenklasse aufbauen. Anpassung aller Sozialleistungen und Löhne an die Inflation, Einführung einer Vermögenssteuer oder Ablehnung der Aufrüstung blieben aus. Für diese Forderungen hätten Millionen weitere Beschäftigte gewonnen werden können.

Das war eine verpasste Chance – und dennoch keine Neuigkeit in der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Denn die Gewerkschaftsführungen trennen weiterhin die Tarifkämpfe und die politischen Forderungen an die Regierung. Der Grund dafür ist die Sozialpartnerschaft und eine Einflussnahme der Regierungsparteien in unserer Gewerkschaft, damit die Tarifbewegungen sich nicht politisieren.

Nun steht die nächste Runde im Kampf gegen die Krise und gegen die Regierung bevor. Die Herausforderungen bleiben jedoch dieselben:

Was für eine Kampfperspektive brauchen die über 800.000 TV-L-Beschäftigten und die 400.000 studentischen Beschäftigten ohne Tarifvertrag? Wie können die TV-L-Streiks zu einer politischen Bewegung gegen Krieg und Krise werden? Wie können die Spaltungen zwischen unterschiedlichen Gewerkschaften, Berufsgruppen und anderen Teilen der Arbeiter:innenklasse in einer gemeinsamen Bewegung überwunden werden? Was für eine Rolle können dabei gewerkschaftliche Aktionskomitees spielen, wie es aktuell an der Freien Universität Berlin gegründet wurde?

1) Für die Anpassung der Löhne an die Inflation! Eingliederung von TVStud in den TV-L!

Wie die ver.di-Betriebsgruppe an der FU Berlin schreibt, war das letzte TV-L Ergebnis eine faktische Reallohnsenkung, weil die Entgelterhöhungen unter der Inflation geblieben sind. Das bedeutet, dass die Beschäftigten seit mindestens 4 Jahren einen Reallohnverlust erleben. Laut Rechnung einiger Kolleg:innen beträgt der Reallohnverlust über 15 Prozent. Es braucht also eine hohe Lohnforderung, um sowohl die vergangenen Reallohnverluste aufzuholen, als auch ein Reallohnwachstum für die kommenden Monate zu gewährleisten.

Forderungen in dieser Höhe sind nur gerechtfertigt und wurden auch von mehreren Belegschaften in den vergangenen Monaten gestellt. So forderte die Berliner Krankenhausbewegung 19 Prozent mehr Lohn während der TVöD Forderungsfindung, die Post-Kolleg:innen 15 Prozent, und die Hafenarbeiter:innen forderten 14 Prozent bei ihrer Runde. Auch für die TV-L Kolleg:innen der Unikliniken, Kitas, Schulen und Universitäten braucht es eine ähnlich hohe Lohnforderung.

Von diesem Reallohnverlust sind besonders Kolleg:innen der unteren Lohngruppen betroffen. Daher war die Festgeld-Forderung nach min. 500 Euro bei TVöD sehr wichtig, die auch bei der TV-L-Runde weitergetragen werden sollte. So fordert zum Beispiel die ver.di-Landesfachkommission Hochschulen von Nordrhein-Westfalen und die ver.di-Betriebsgruppe der FU Berlin eine tabellenwirksame Erhöhung von mindestens 1000 Euro pro Monat. Und wie bei jeder Tarifrunde: Die Forderung für die Verhandlungen muss höher sein, als die Inflationsrate. Denn sonst ist ein Reallohnverlust vorprogrammiert!

Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss im Tarifvertrag eine Klausel über die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation eingebaut werden. Diese Klausel würde es uns ermöglichen, die Löhne automatisch an die aktuelle Preisentwicklung anzupassen, falls diese den Tarifabschluss übersteigt. Nur so kann ein Reallohnverlust ausgeschlossen werden.

Auch die Trennung der Tarifverträge im öffentlichen Dienst zwischen TVöD und TV-L muss beendet werden, denn sie spaltet unsere Kampfkraft. Vor Jahren streikten alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst gemeinsam in einer gemeinsamen Tarifrunde, bis die Landesregierungen den alten Tarifvertrag in zwei spalteten. Die Laufzeit des aktuellen TVöD endet am 31. Dezember 2024. Um die Einheit der Klasse zu garantieren und unsere Kraft zu stärken, muss die Laufzeit des TV-L mit dem des TVöD synchronisiert werden.

Es arbeiten weitere Hunderttausende Kolleg:innen in ausgelagerten Unternehmen oder in privaten Trägern, die eigentlich Teil des öffentlichen Dienstes sind, jedoch keine TV-L oder TVöD Verträge haben. Dazu gehören Betriebe wie AWO, Tochterunternehmen der Berliner Kliniken, aber auch die Träger in Sozialer Arbeit. Dadurch werden sowohl die Beschäftigten weniger bezahlt, als auch leidet die Qualität der Versorgung darunter. Wer gewinnt, sind die Geschäftsführungen dieser Unternehmen und die Senatsverwaltung für Finanzen, die dadurch weniger Geld ausgibt.

Die Schaffung von solchen Niedriglohnsektoren treffen vor allem Frauen und Migrant:innen an, die überdurchschnittlich in diesen Sektoren wie ausgelagerte Reinigungs-, Service- und Pflege, sowie Sozialarbeit arbeiten. Daher ist dieser Kampf auch ein Kampf gegen die rassistische und sexistische Spaltungen innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Für die Eingliederung eines bundesweiten TVStud in den TV-L!

Deutschlandweit gibt es keine einheitlichen und tariflich gesicherten Löhne für studentische Beschäftigte. Es herrschen schlechte Bezahlung, Kettenbefristungen, unbezahlte Überstunden und nicht-wahrgenommene Urlaubstage, persönliche Abhängigkeiten, sowie undurchsichtige und von Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit durchzogene Einstellungsverfahren, wie eine kürzlich erschienene Studie belegt. Dort wo es einen Tarifvertrag gibt, in Berlin, ist der Lohn zwar am höchsten – doch selbst hier wurde das tarifliche Entgelt unter TVStud III vom Landesmindestlohn (13 Euro) überholt.

Die Universität funktioniert nicht ohne die zahlreichen Angestellten in der Reinigung, der Technik, den Mensen, den Bibliotheken oder dem akademischen Mittelbau – und auch nicht ohne SHKs. Viele dieser Beschäftigungsgruppen sind unter dem TV-L angestellt, in dessen Tarifverhandlungen auch TVStud integriert ist. In Berlin konnte bereits eine Ankopplung an den TV-L erkämpft werden, welche aber mit einem Sonderkündigungsrecht zu Lasten der SHKs versehen ist.

Während Berlin schon einen Tarifvertrag, eine Geschichte guter Organisierung und auch aktuell einen relativ starken Organisierungsgrad hat, muss bundesweit eine Tarifierung überhaupt erst mal erkämpft werden. Im Sinne der Einheit aller Beschäftigten und gegen die Schlechterstellung von SHKs müssen wir die Perspektive der vollständigen Eingliederung eines bundesweiten TVStuds in den bundesweiten TV-L verfolgen – und das bei gutem, existenzsicherndem Lohn. Denn: Studierende leben in prekären Verhältnissen. Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 knapp 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet – für das vergangene Jahr müssten es viel mehr sein. Gleichzeitig erhalten nur unter 12 Prozent der Studierenden BAföG. Bezeichnend ist, dass eine studentische Anstellung keineswegs vor Armut schützt: Über drei Viertel der SHKs sind armutsgefährdet, wie die TVStud-Studie dokumentiert.

Das zeigt: Alles, was hinter einer einheitlichen und hohen Eingliederung in den TV-L zurückbleibt, ist schlussendlich eine Niederlage, weil die Spaltungen der Unibelegschaft langfristig dem Großteil der Beschäftigten schaden. Wir können dieses Ziel erreichen, wenn wir uns trauen, in die Konfrontation zu gehen und klar sagen: Kein Angebot, was darunter liegt, wird angenommen! Dafür braucht es aber auch gegenseitige Solidarität zwischen TV-L und TVStud Kolleg:innen, die den Kampf solidarisch weiterführen, bis die Forderungen aller erfüllt werden.

2) Für politische Großdemonstrationen an TV-L-Streiktagen!

Rund 800.000 Beschäftigte arbeiten unter einem TV-L-Vertrag. Arbeitsverträge von mehreren Hunderttausenden sind an den TV-L angelehnt, wie der TVStud in Berlin. Es geht jedoch bei der kommenden Tarifrunde um mehr als nur die Tarifforderungen dieser Beschäftigten. Denn Streikbewegungen sind die besten Möglichkeiten für uns Arbeiter:innen und Jugendliche, mit Forderungen an die Regierung auf die Straße zu kämpfen und eine politische Massenbewegung aufzubauen.

Mehrere Dutzend Millionen von Menschen, Arbeiter:innen, Rentner:innen, Arbeitslose usw. könnten mit in den Kampf hineingezogen werden, wenn wir von den TV-L Streiks aus große Demonstrationen mit anderen politischen Organisationen und Sozialverbänden organisieren. Forderungen wie die Einführung einer Vermögenssteuer, die die Haupt-Steuerlast auf die Reichen und das Großkapital legt, für die Finanzierung der Sozialleistungen, Renten und Löhne, Erlass eines Mietenstopps, Anpassung aller Sozialleistungen an Inflation, Milliarden Investitionen in Daseinsvorsorge statt in Aufrüstung wären in der Lage Arbeiter:innen, Arbeitslose, Jugendliche, Rentner:innen aus allen Bereichen mitzumobilisieren, um den Druck auf der Regierung maximal zu erhöhen.

Der Rechtsruck in Deutschland ist im Vormarsch. Laut Umfragen wählen auch leider immer mehr Gewerkschaftsmitglieder die AfD. Nicht ein Tag vergeht, ohne dass unsere geflüchteten und migrantischen Kolleg:innen von rechten Medien und AfD als „unerwünscht“ deklariert werden. Auch die Bundesregierung macht da mit, und verschärft die Abschiebungen von unseren Kolleg:innen, die auf einen sicheren Aufenthaltsstatus warten. Abschlüsse von angeworbenen Fachkräften sollten anerkannt und ihre Lebensbedingungen verbessert werden. Auf unseren Streikdemonstrationen sollten wir zeigen, dass wir uns gegen diese rassistische Politik stellen! Entsprechende Forderungen gegen Kürzungen und Rassismus erheben wir auch gemeinsam mit der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) in Berlin.

Durch die Folgen des Krieges in der Ukraine erlebten wir einen massiven Anstieg der Preise und ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Dazu trägt auch die Bundesregierung bei, indem sie eine Politik betreibt, die durch Waffenlieferungen und Sanktionen in Kriegsgebieten den Krieg weiter anfacht. Währenddessen machen die deutschen Rüstungskonzerne massive Gewinne. Auch in Gewerkschaften wie ver.di wird die Politik der Bundesregierung viel diskutiert. Der Bundesvorstand von ver.di stellt sich, wie ihr Antrag für den Bundeskongress legitimiert, auf die Seite von Waffenlieferungen an Selenskyj-Regierung und tritt friedenspolitische Grundsätze der Gewerkschaftsbewegung mit Füßen. In TV-L-Versammlungen braucht es daher auch eine Diskussion zum laufenden Krieg in der Ukraine und wie die deutschen Gewerkschaften sich gegen den Krieg stellen können. Zu Streik-Demonstrationen sollten Forderungen gegen Aufrüstung, Repression und Krieg mit aufgenommen werden.

Ob und zu welchen politischen Forderungen es welche Aktionen während der Tarifrunde gibt, soll von Streikversammlungen debattiert und entschieden werden.

Unikliniken im Streik: Gegen Schließungen und mehr Personal!

Auch Teil der Streikbewegung werden tausende Beschäftigte der Universitätskliniken sein. Besonders in der NRW konnten diese mit ihrer landesweiten Entlastungsbewegung #NotrufNRW große Streikerfahrungen sammeln. Es gibt einen hohen Organisationsgrad.

Der Kampf für mehr Personal ist nach dem Abschluss der Entlastungstarifverträge aufgenommen worden. In Berlin beobachten wir, dass die neuen Haustarifverträge noch nicht in mehr Personal resultiert sind. Denn: die Ursache des Personalmangels liegt nicht alleine bei der Politik der Klinikleitungen, sondern bei Bundes- und Landesregierungen. Solange es keine Masseninvestitionen in Milliarden Höhe in die Krankenhäuser gemacht werden, werden sich die Zustände in Kliniken und somit die Personalsituation nicht ändern. So lange die Löhne nicht massiv erhöht werden, die eine Teilzeitbeschäftigung zu guten Löhnen mit genug Erholungszeit ermöglichen, wird es nicht gelingen, dass Zehntausende ausgestiegene Fachkräfte zur Pflege zurückkommen. Solange die Ausbildungsplätze nicht massiv ausgebaut werden, wird es nicht möglich sein, die Personallücke mit neuen Fachkräften zu füllen.

Anstatt all das anzugehen, kündigt das Gesundheitsministerium eine Reform an, die Klinikschließungen und die Möglichkeit, wieder aus Kostengründen Personal abzubauen, vorsieht. Diese wirtschaftlich begründeten Schließungen finden bereits vor der Reform statt. Ein Beispiel dafür war die angekündigte Schließung des Kreißsaals in der Münchner Klinik Neuperlach, wogegen Kolleg:innen sich organisierten.

Daher braucht es an TV-L Streiktagen auch politische Demonstrationen mit Forderungen, die explizit das Gesundheitssystem betreffen. Abschaffung der Profitorientierung und Fallfauschalen, Verstaatlichung der Gesundheitseinrichtungen unter Kontrolle der Beschäftigten und ihre volle bedarfsgerechte Finanzierung, sowie gegen die Schließung der Kliniken im Rahmen der neuen Reform von Lauterbach. Es ist wichtig, die feministische Bedeutung der Kämpfe im Gesundheitssektor vor den Augen zu führen. Während die große Mehrheit der Beschäftigten dieser Sektoren Frauen sind, sind sie ebenfalls von der Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung am härtesten betroffen.

Milliarden für Bildung statt Kürzungen!

Sowohl im Bund, als auch im Land sind wir mit Kürzungen konfrontiert. In Berlin soll so pro Jahr 22,8 Millionen Euro eingespart werden. Betroffen sind vor allem Berliner Schulen und Bildungsbereich. Währenddessen kündigt der Bund Steuererleichterungen für Unternehmen an. Wir zahlen also für das Reichtum der Großaktionär:innen mit der Zukunft von unseren Kindern. Einziger Weg diese Kürzungen zu stoppen, ist massenweise auf die Straße zu gehen und auch zu streiken. Die kommende Runde bei TV-L bietet ein enormes Potenzial besonders in Streiks im Bildungssektor durch politische Massendemonstrationen gegen Kürzungen zu kämpfen. So können tausende Familien, Studierende, Schüler:innen und Kinder mit in den Kampf einbezogen werden.

Die Inflation hat Menschen mit niedrigem Einkommen besonders stark getroffen, so auch die Studierenden. Um den Reallohnverlust auszugleichen und damit sich studentisch Beschäftigte endlich ihr eigenes Leben leisten können, müssen die Löhne drastisch steigen. Außerdem ist das BAföG, mit dem die schlechte finanzielle Lage von Studierenden kompensiert werden soll, viel zu niedrig — gerade angesichts steigender Miet- und Lebenskosten. Auf Streikdemonstrationen, besonders der Studentischen Beschäftigten, sollte ein existenzsicherndes, elternunabhängiges Bafög, das nicht zurückgezahlt werden muss, gefordert werden.

Arbeiter:innen und Klimabewegung: Streikt zusammen!

Die Klimakatastrophe ist bekanntlich die drängendste Frage unserer Zeit. Bis dato hat die Klimabewegung es allerdings versäumt, auf die Beschäftigten zuzugehen. Statt gemeinsame Aktionen zu organisieren, sehen sich viele Klimaaktivist:innen als Gegner:innen derer, die in fossilen Industrien ihre Lohnarbeit verrichten. Das sehen wir immer wieder bei Ende Gelände Aktionen, beispielsweise im Rheinischen Braunkohlerevier oder in der Lausitz. Negative Schlagzeilen hat besonders die Hamburger Hafenblockade letzten Jahres gemacht, von Gruppen wie Ums Ganze!, Interventionistische Linke, Extinction Rebellion, die trotz andauernder Streiks der Belegschaft keinen Zusammenschluss mit den Arbeitenden suchten. Zum Vergleich: Die Hafenbelegschaft selbst legte den Hafen mal eben für 48 Stunden lahm, während das Aktivist:innenbündnis nach gerade mal 3 Stunden geräumt wurde und gleichzeitig Missmut unter den Beschäftigten auslöste. Es sind Aktionen wie diese, die zu den weit verbreiteten Mythen beitragen, dass Arbeiter:innen dem Klimaschutz feindlich gegenüberstehen würden.

Dabei sind es gerade die Beschäftigten, die nicht nur ein Interesse an einer lebenswerten Zukunft für sie und ihre Kinder haben, sondern auch die Macht der Veränderung in ihren Händen tragen. Natürlich haben Beschäftigte kein Interesse daran, in klimaschädlichen Sektoren zu arbeiten, wenn diese ihre eigene Umwelt zerstören und ihre Jobs früher oder später eh weichen müssen. Wenn gute Alternativen, also gute nachhaltige Beschäftigungen und Umschulungsmöglichkeiten geschaffen werden, steht der Klimawende nichts im Weg. Dafür müssen wir auch die Gewerkschaften in die Pflicht nehmen. Diese Perspektive müssen wir in der TV-L/TVStud-Runde stark machen.

Auch wenn die Angestellten in diesen Tarifverträgen nicht direkt Kohle baggern, gibt es viele Bezugspunkte. Denn wenn Menschen, den liberalen Vorstellungen entsprechend, ihr Konsumverhalten ändern sollen, müssen sie zunächst mal die finanziellen Mittel dafür haben. Wir sollten Forderungen für ein Klimageld bzw. einen Klimazuschlag auf das Gehalt erheben, um die Anschaffung von Fahrrädern und Lastenrädern, Tickets für Nah- und Fernverkehr, nachhaltigen Konsum überhaupt zu ermöglichen. Doch damit ist nicht genug: Wir brauchen strukturelle Lösungen. Statt Investitionen in Aufrüstung brauchen wir einen Ausbau des ÖPNV und des Schienenverkehrs generell. Es braucht einen kostenlosen ÖPNV, finanziert durch die Gewinne der klimaschädlichen Konzerne. Ebenso müssen wir uns der Privatisierung im Verkehr entgegenstellen und perspektivisch die Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle anstreben. Das betrifft sowohl Verkehr als auch Energieversorgung.

Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, denn die Inflationskrise der letzten Jahre hat nicht nur den Autokonzernen Milliardengewinne in die Taschen gespielt, sondern gerade die Beschäftigten besonders hart getroffen. Die überdurchschnittliche Teuerung von Energie und Grundnahrungsmitteln hat Wohnen und Leben für viele unbezahlbar gemacht. Die Krisenkosten wurden auf die Armen abgewälzt. Generell muss hier mit Preiskontrollen auf Kosten der Reichen gegengewirkt werden. Darüber hinaus braucht es ein Recht auf bezahlbares Wohnen, am besten in Arbeitsplatznähe, um lange und klimaschädliche Anreisen zu vermeiden. Wir fordern eine klare Opposition gegen Gentrifizierung, welche die arbeitende und oft migrantische Bevölkerung aus den Städten und ins Umland vertreiben soll, um Platz für wenige Wohlhabende im Stadtkern zu schaffen. Bezahlbaren Wohnraum für alle statt spekulativer Leerstand und Luxuswohnungen für wenige! Der Wohnungsbau, insbesondere die großen Wohnungsbau- und Immobilienkonzerne wie Vonovia, Deutsche Wohnen und Co. gehören enteignet unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht.

Als SHKs, akademischer Mittelbau und Beschäftigte an den Unis müssen wir uns außerdem gegen die klimaschädliche und fossile Forschung an unseren Institutionen einsetzen. Drittmittelprojekte, finanziert von VW, RWE und Lufthansa, werden wohl kaum Wissenschaft hervorbringen, die sich gegen ihre Unternehmensinteressen stellen. Finanzierung aus der Privatwirtschaft muss gesetzlich verboten und eine komplette Ausfinanzierung durch Bund und Länder durchgesetzt werden! Auch das Militär, selbst ein Klimaschädling höchsten Grades, hat seine Finger im Spiel. Wir brauchen verbindliche Zivilklauseln, die Rüstungsforschung unmöglich machen und ein Werbeverbot für die Bundeswehr an Schulen und Unis erwirken! Für all das und mehr müssen wir uns in dieser und jeder künftigen Tarifrunde einsetzen, als Studierende und Beschäftigte zusammen.

3) Für gemeinsame unbefristete Streiks von Universitäten, Kliniken, Kitas, Schulen und weitere! Aktionskomitees aufbauen!

Arbeiter:innen haben am meisten Macht, wenn sie gemeinsam streiken. Besonders für gemeinsame Forderungen an Bundes- und Landesregierungen braucht es die größtmögliche Aktionseinheit aller Betriebe und Belegschaften. In der TVöD-Runde im Frühling sahen wir, dass die ver.di-Führung die Kampfkraft der Beschäftigten durch isolierte Warnstreiktage bremste, anstatt auf gegenseitige Solidarität und gemeinsame bundesweite Streiks  zu setzen.

Dass ein riesiges Potenzial verschenkt wurde, zeigen die Tausenden Gewerkschaftseintritte während der Runde und die Gesamtzahl von über 500.000 Arbeiter:innen, die über den Zeitraum der TVöD-Runde die Arbeit niederlegten. Für Millionen von Beschäftigten hätte es damals wie heute heißen müssen: Gemeinsame Erzwingungsstreiks für die vollständige Durchsetzung der Forderungen statt Reallohnverlust durch Zustimmung zum Schlichtungsvorschlag.

Ebenfalls fanden in Berlin im Frühjahr keine gemeinsame Streiktage von ver.di und GEW Kolleg:innen statt, die zeitgleich in Tarifauseinandersetzungen waren, weil die Landesleitungen der beiden Gewerkschaften zerstritten waren. Auch bei TV-L hat sich herausgestellt, dass ver.di und GEW-Leitungen sich nicht zusammentun und bisher getrennte Kampagnen fahren.

An der Freien Universität Berlin gründete sich bereits ein gemeinsames Aktionskomitee der Hochschulbeschäftigten und studentischen Beschäftigten (TVStud), aber auch der Outgesourcten und Studierenden insgesamt. Dieses Aktionskomitee will dafür kämpfen, dass es an Streiktagen große Streikversammlungen sowie gemeinsame Aktionen gibt und die Beschäftigten möglichst den Kampf in ihre eigenen Hände nehmen. Es gibt bereits eine Vernetzung mit GEW-Mitgliedern, um die Spaltung entlang Gewerkschaftslinien zu überwinden. Es ist nun notwendig, dass dieses Aktionskomitee sich mit weiteren streikenden Betriebe vernetzt und es eine gemeinsame Koordinierung mit diesen für gemeinsame Streiktage gebildet wird.

Diese Art der Selbstorganisation in Berlin kann ein Beispiel für andere Bundesländer sein. So könnten TVStud-Initiativen in weiteren Städten eine Schlüsselrolle dabei spielen, eine Verbindung zu den Unikliniken, Kitas und Schulen herzustellen und zum Aufbau von gemeinsamen Aktionskomitees und Streikversammlungen beitragen. Auch vom TV-L ausgelagerte Betriebe von TV-L sollten miteinbezogen werden.

Berliner Schulen: Streiks für kleinere Klassen und mehr Lohn zusammenführen! 

Aller Voraussicht nach geht der Streik der Lehrer:innen für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz (TV G), der vor allem für die Forderung für kleinere Klassen bekannt ist, im Herbst weiter. Nicht auszuschließen ist allerdings auch, dass die Führung der Bildungsgewerkschaft GEW Berlin den Kampf pausiert. Denn im Herbst steht ebenfalls die Tarifrunde der Länder an, an welcher sich auch die Lehrer:innen beteiligen werden. Traditionell beteiligten sich an diesem Streik mehr Kolleg:innen als an den Streiks für Entlastung. Nur logisch wäre es daher, beide Streiks zusammenzuführen, um eine maximale Kampfkraft für die wichtige Forderung nach an die Inflation angepassten Löhnen und die Forderung nach Entlastung zu erreichen.

Ab der dritten Verhandlungsrunde im Dezember könnten wir anhand einer Urabstimmung bei TV-L und allen anderen Kämpfen den notwendigen Weg einschlagen. Den Weg der bundesweiten unbefristeten Streiks aller Sektoren, die sich im Kampf befinden.

4) Für tägliche Streikversammlungen! Bindende Abstimmungen der Streikenden!

Während der TVöD-Runde gab es in Berlin wichtige Erfahrungen mit Versammlungen der Streik- und Teamdelegierten, die über viele Fragen diskutierten und abstimmten. Die Berliner Mitglieder der Bundestarifkommission (BTK) und Berliner Arbeitskampfleitung (BAKL) haben sich bereit erklärt, immer vor und nach den Sitzungen ihrer Gremien, Versammlungen zu organisieren, Diskussionen rückzukoppeln, das Votum der Streikversammlungen zu holen und ihre eigene Positionierungen in höheren Gremien auf erster Linie nach ihnen zu richten.

Ebenfalls konnten die streikenden GEW-Mitglieder in Berlin bei ihren Streiks für kleinere Klassen im Frühjahr es durchsetzen, dass es lokale und zentralisierte Streikversammlungen gibt. Diese stimmten über einen Kampagnenplan ab und stellten Forderungen.

Die Streikversammlungen sind leider in vielen Bundesländern und Kämpfen eher die Ausnahme. Tarifkommissionsmitglieder der Gewerkschaften stimmen oft ohne ein Votum der streikenden Basis ab. Entgegen dieser Praxis braucht es imperative Mandate. Das heißt, dass alle Tarifkommissionsmitglieder (TV-L und TVStud) gewählt werden müssen und nur so abstimmen dürfen, wofür sie in den Versammlungen bevollmächtigt wurden. Sie müssen deshalb auch wähl- und abwählbar sein. Nur so kann die große Masse der Gewerkschaftsmitglieder die Verhandlungen kontrollieren. Darüber hinaus sollte die Verhandlungsführung auch von Streikenden direkt gewählt und abwählbar sein. Es ist undemokratisch, dass die zentrale Arbeitskampfleitung und Verhandlungsführung bei großen Verhandlungen nur bei Hauptamtlichen wie Frank Werneke (ver.di) und Bundesvorstand liegt, die nicht von Streikenden kontrolliert werden.

Im TVStud haben die Streikenden gerade nur minimalen Einfluss auf die Tarifkommissionen ihres Landes und so gut wie gar kein demokratisches Mitbestimmungsrecht in der Arbeit der bundesweiten Tarifkommission. Das muss sich ändern! Die Tarifkommissionen sollten zudem jederzeit abwählbar sein und sich jederzeit verantworten müssen gegenüber den Streikenden.

So stellt die ver.di Betriebsgruppe an der FU Berlin sechs Forderungen auf, wie der TV-L Kampf laufen sollte:

1.Auf betrieblicher Ebene: die Wiederbelebung der Streikversammlung, organisiert durch die jeweiligen Betriebsgruppen, als zentrales Organ der Mobilisierungs- und Arbeitskampf­maßnahmen.
2. Auf überbetrieblicher Ebene: Versammlungen von demokratisch gewählten (und abberufbaren!) Streikdelegierten
3. Die Streik(delegierten)versammlungen entscheiden über Aufnahme, Durchführung und Ende von Streiks.
4. Die Tarif- und Verhandlungskommission wird von der zentralen Streikversammlung gewählt.
5. Die Tarifkommission ist zwar verhandlungsberechtigt, sie darf aber keine Entscheidungen treffen, sondern muss die Mitglieder bzw. die Streikdelegiertenversammlungen befragen.
6. Über vorläufige Verhandlungsergebnisse muss eine Diskussion ermöglicht werden, bevor eine Abstimmung darüber erfolgt.

Wir laden andere Betriebsgruppen und Delegierte der gewerkschaftlichen Versammlungen dazu auf, ähnliche Forderungen aufzustellen, Aktionskomitees/Koordinierungen unterschiedlicher Sektoren zu bilden, sowie gemeinsame Streik Versammlungen zu organisieren. Nimmt Kontakt mit der TV-L-Aktionskomitee an der FU Berlin für weitere Vernetzung auf.

Für diese grundlegenden Prinzipien soll ein Kampf in unseren Gewerkschaften geführt werden, damit wir unsere Kämpfe gegen jegliche Einflussnahme der Regierung zu Ende führen können.

Wir zahlen nicht für eure Krise!

So geht die Arbeiter:innenklasse im Kampf für die Verteidigung ihrer Interessen in die nächste Runde. Gegen die Kürzungen und Reallohnsenkungen der Regierung ist ein Kampf notwendig.

Wie wir oben meinten, ist es notwendig, diese Tarifrunde nicht nur eine Tarifrunde für die 800.000 Tarifbeschäftigten zu begreifen, sondern einen Kampf von Millionen Lohnabhängigen. Die Mehrheit unserer Klasse arbeitet ohne einen Tarifvertrag, sodass sie keine Möglichkeit haben, den Reallohnverlust durch die Inflation im geringsten aufzuholen. Ähnlich sieht es mit Arbeitslosen, Rentner:innen, Bafög- Sozialhilfe-Empfänger:innen aus.

Es ist daher eine dringende Notwendigkeit, dass die Gewerkschaften nicht nur für Tarifforderungen kämpfen, sondern wie oben dargelegt für einen Inflationsausgleich für alle und anderen politischen Forderungen, um die Profite der Kapitalist:innen anzugreifen.

Als Aktivist:innen um KlasseGegenKlasse.org unsere Arbeiter:innengruppe KGK Workers und marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik werden wir in mehreren Städten, Berlin, München, Münster, Bremen usw. uns als studentische Beschäftigte, Pflegekräfte, Lehrer:innen, Hochschulbeschäftigte an den Streiks beteiligen. Wir denken, dass wir eine neue revolutionär-sozialistische Partei der Arbeiter:innenklasse brauchen und kämpfen für die Bildung einer Arbeiter:innenregierung für die Erfüllung unserer Forderungen.

Gemeinsam mit Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), in der wir aktiv sind, wollen wir den Aufbau von Streikversammlungen, Aktionskomitees/Koordinierungen mit einem klassenkämpferischen Programm vorantreiben.

Falls du mit der obigen Perspektive übereinstimmst und/oder mit uns in der TV-L-Streiks aktiv werden willst, kontaktiere uns per Mail!

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