Türkei: 7 Frauen vor Gericht, weil sie „Ein Vergewaltiger auf deinem Weg“ performt haben

16.12.2019, Lesezeit 4 Min.
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Sieben Frauen wurden in Istanbul verhaftet, nachdem sie die berühmte Performance "Ein Vergewaltiger auf deinem Weg" aufgeführt hatten. Jetzt fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Am Sonntag, den 8. Dezember, versammelten sich mindestens 300 Frauen auf dem Kadıköy-Platz im türkischen Istanbul, um „Ein Vergewatiger auf deinem Weg“, die berühmte Choreographie des chilenischen Kollektivs Las Tesis, aufzuführen. Aufgerufen hatte die türkische Plattform „Wir werden Femizide stoppen“. Die türkische Bereitschaftspolizei intervenierte jedoch gewaltsam, um die Demonstrantinnen zu zerstreuen, was mit der Verhaftung von sieben Aktivistinnen endete.

Der Grund für eine solche repressives Vorgehen ist laut der Polizei, dass: „Die Gruppe Slogans mit den Worten ‚Es ist die Polizei, die Richter, der Präsident, der unterdrückerische Staat ist ein Vergewaltiger‘ sang“; das Verbrechen würde daraus bestehen, „den Präsidenten zu beleidigen und die Institutionen des Staates zu erniedrigen,“ erklärte die Regierung von Istanbul. Darüber hinaus wurden mindestens zwei der Gefangenen während ihrer Verhaftung schwer geschlagen.

„In einer Zeit, in der Frauenmorde in unserem Land auf dem Vormarsch sind“, sagte die Türkische Anwaltskammer am vergangenen Montag, „verurteilen wir die Intervention der Sicherheitskräfte gegen einen friedlichen Protest. Es ist inakzeptabel, dass ein Tanz, der zu einem Symbol für Gewalt gegen Frauen auf der ganzen Welt geworden ist, mit Gewalt gegen Frauen vertrieben wird.“

„Wir haben so etwas nicht erwartet. Es war ein Akt des Protestes gegen die Morde an Frauen auf der ganzen Welt. Der Text bezieht sich nicht auf einen bestimmten Präsidenten oder eine bestimmte Institution“, sagte Esim Yesilirmak, einer der Anwälte der Plattform, gegenüber der BBC Türkei. „Die Polizei handelte auch ohne die Einhaltung der festgelegten Verfahren zur Auflösung von Demonstrationen. Sie haben den Anruf nicht dreimal gemacht, nicht 15 Minuten gewartet und die Demonstrantinnen auf die Straße geschoben“, sagte Tuba Torum, eine weitere der Anwält*innen, demselben Medium.

Das Büro des Gouverneurs von Istanbul, der vom Innenministerium abhängig ist, bestätigte in einer Erklärung, dass die Aktivistinnen nach Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches vor Gericht gestellt werden, wonach die öffentliche Degradierung der türkischen Nation und ihrer Institutionen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zwei Jahren führen kann. Aber türkische Frauenkollektive rufen bereits zu Versammlungen vor dem Gerichtsgebäude auf, bei dem gefangen genommenen Demonstrantinnen weiterhin eingesperrt sind.

Eine der Koordinatorinnen der Gruppe, die Feministin Ipek Bozkurt, sagte auf Twitter, dass die Gefangenen auf der Polizeistation klarstellen mussten, dass es sich nicht um Slogans handelte, sondern um den Text eines Liedes, das die Beamt*innen selbst zugegeben haben, nicht zu kennen.

Die Türkei ist auch ein Beispiel für Gewalt gegen Frauen

In der Türkei existiert derzeit ein Klima besonderer Spannungen, da es eine Vielzahl von Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt und Frauenmorden durch die Partner und ehemaligen Partner der Ermordeten gibt. Laut einem UN-Bericht von 2014 ist jede vierte Frau in der Türkei sexueller oder körperlicher Gewalt ausgesetzt, aber nur jede zehnte von ihnen sucht Hilfe auf. Der Staat gibt keine Zahlen an, aber nach mehreren Verbänden starben im Jahr 2018 440 Frauen an diesen Folgen.

Erinnern wir uns auch an das Ereignis vom 8. März dieses Jahres in dem von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geführten Land, als die türkische Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen eine vielfältige Mobilisierung zum Frauentag in Istanbul unterdrückte.

Die Vereinigung der türkischer Anwälte hat die Inhaftierung der Aktivistinnen verurteilt und die Behörden aufgefordert, „gegen sexistische Verbrechen und nicht gegen Frauen“ vorzugehen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 11. Dezember auf La Izquierda Diario.

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