Trumps Steuerreform: Wer sind die wahren Sozialschmarotzer*innen?

08.12.2017, Lesezeit 5 Min.
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Im Eilverfahren setzten die US-Republikaner*innen eine Steuerreform durch: Kapitalist*innen sollen weniger zahlen – dafür müssen alle anderen mehr abgeben. Angeblich sollen damit Leistungsträger*innen entlastet werden. Doch wer sind die wirklichen Sozialschmarotzer*innen in den USA?

In den USA treiben die Republikaner*innen die größte Steuerreform seit einer Generation voran. Am 16. November verabschiedete das Repräsentant*innenhaus eine Vorlage, der Senat zog am 2. Dezember um zwei Uhr morgens nach. Nach einer Vermittlung zwischen beiden Kammern hofft Präsident Donald Trump, das Gesetz bis Weihnachten zu unterschreiben.

Der fast fünfhundertseitige Gesetzestext wurde mit solcher Eile durch den Senat gejagt, dass die letzte Fassung sogar handschriftliche Änderungen beinhaltete! Expert*innen sprechen erwartungsgemäß von unzähligen Fehlern.

Diese Reform wird Reiche entlasten. Der Steuersatz für Konzerne soll zum Beispiel von 35 auf 20 Prozent gesenkt und die Erbschaftssteuer fast abgeschafft werden. Um das zu finanzieren, werden im kommenden Jahrzehnt die Steuern für alle Menschen erhöht, die weniger als 75.000 Dollar pro Jahr verdienen – in anderen Worten: Mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung.

Dadurch wird die Staatsverschuldung in zehn Jahren um etwa 1,5 Billionen Dollar ansteigen. Das ist bemerkenswert, weil sich die Republikaner*innen sonst gegen Neuverschuldung aussprechen.

Doch das ist nur ein billiger Taschenspielertrick. Rechte Parteien sind dann gegen Neuverschuldung, wenn sie damit Kürzungen der staatlichen Ausgaben für arme und arbeitende Menschen rechtfertigen können. Aber sie nehmen gern neue Schulden auf, wenn es darum geht, Banken zu retten oder Kapitalist*innen zu beschenken.

Die Republikaner*innen sind auch ohne Unterbrechung dazu übergegangen, neue Kürzungen im Gesundheitssystem mit der angeblichen Geldknappheit zu rechtfertigen. Der republikanische Senator Orrin Hatch aus Utah sagte bereits, man könne das CHIP-Programm, eine staatliche Krankenversicherung für arme Kinder, nicht mehr unterstützen, weil „wir kein Geld mehr haben“. Das CHIP-Programm kostet rund 14 Milliarden Dollar im Jahr – und Hatch hatte gerade dafür gestimmt, fast hundertmal mehr Geld für Steuergeschenke an Reiche zur Verfügung zu stellen.

Der Diskurs der US-Rechten ist nicht viel anders als der ihrer Kolleg*innen in Europa: Wenn die Reichen Geld geschenkt bekommen, werden sie dieses Geld neu investieren und dadurch Arbeitsplätze schaffen. Diese Logik ignoriert jedoch die Tatsache, dass besonders US-Konzerne auf wahren Geldbergen sitzen. Sie finden kaum gewinnbringende Anlagemöglichkeiten. Selbst bei einem Treffen zwischen CEOs und dem Weißen Haus haben die Kapitalist*innen zugegeben, dass sie das neue Geld nicht für Investitionen ausgeben würden.

Genauso soll die Senkung der Erbschaftssteuer „Millionen kleinen Familienbetrieben“ und „dem amerikanischen Farmer“ helfen, so Trump. Doch diese Steuer greift jetzt erst bei einem Erbe ab elf Millionen Dollar für ein Ehepaar – und soll in Zukunft erst ab 22 Millionen Dollar fällig werden. Bereits jetzt zahlen weniger als 80 Kleinbetriebe und Bauernhöfe pro Jahr die Steuer.

Funktioniert dieser Schwindel? Die Abschaffung der Erbschaftssteuer ist, laut dem republikanischen Senator Chuck Grassley aus Iowa, „eine Anerkennung für die Menschen, die ihr Geld investieren, im Gegensatz zu denjenigen, die jeden verdammten Groschen ausgeben, sei es für Schnaps oder Frauen oder Kino.“ Wie es auf Deutsch heißen würde: Den „Leistungsträger*innen“ soll auf Kosten der „Sozialschmarotzer*innen“ geholfen werden.

Wie der liberale Ökonom Paul Krugman erinnert, hat der durchschnittliche Haushalt in den USA ein Einkommen von 59.000 Dollar im Jahr. Arbeitende Menschen müssten also nicht nur auf „Schnaps, Frauen oder Kino“ verzichten, sondern jegliche Ausgaben einstellen, und zwar für 372 Jahre, um auf einen Besitz von 22 Millionen zu kommen.

So sieht der „populistische“ Präsident in der Praxis aus: Milliardär*innen bekommen Milliarden geschenkt. Arbeitende Menschen werden verarscht – als Trost gibt es höchstens das Gewissen, dass es anderen Lohnabhängige mit dunklerer Hautfarbe noch schlechter gehen wird.

Doch Reiche können nur reich werden, wenn andere für sie arbeiten. Ein Bonze wie Donald Trump hat in seinen mehr als 70 Jahren keinen Tag gearbeitet. Sein Geld hat er geerbt. Und das ist keine Ausnahme: In der bürgerlichen Gesellschaft gilt der Grundsatz: Die, „die in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht“ (Kommunistisches Manifest).

Trumps Steuerreform ist ein riesiger Angriff auf unsere Klasse in den USA. Wie die New Yorker Aktivistin Tatiana Cozzarelli auf unserer Schwesterseite Left Voice schreibt:

Das ist ein Klassenkrieg. Wir müssen die Waffen des Klassenkampfes wieder aufnehmen: Proteste, Blockaden, Streiks. Die Reichen haben ihre eigenen politischen Parteien [Republikaner*innen und Demokrat*innen], um ihre Drecksarbeit zu erledigen. Wir müssen uns gegen die Kapitalist*innen und ihre Steuerreform selbst organisieren – mit einer eigenen Partei der Arbeiter*innenklasse.

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