Trumps Schweigegeldprozess zeigt: auf den bürgerlichen Staat können wir uns nicht verlassen

16.01.2025, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Jonah Elkowitz / shutterstock.com

Präsident:innen erhielten in den USA vor Kurzem fast vollständige Immunität. Nun geht Donald Trump deswegen im Schweigegeldprozess um seine Affäre mit der Porno-Darstellerin Stormy Daniels straffrei aus, obwohl er verurteilt wurde.

Im Laufe des letzten Jahres stand der designierte US-Präsident Donald Trump wegen vier Anklagen vor Gericht: Wahlbetrug, Anstiftung zum Sturm des Kapitols, Entwendung von Regierungsakten und verschwundenen Schweigegeldern. Es schien kaum vorstellbar, dass er jemals den Weg zurück ins Weiße Haus schaffen würde. Beim Prozess um das Schweigegeld kam es nun am Freitag zu einer Verurteilung. Der zuständige Richter Juan Merchan sprach das Urteil. Das Ergebnis: eine bedingungslose Strafaussetzung. Trump gilt damit zwar formal als verurteilter Straftäter, entgeht aber jeglicher Strafe. Es droht ihm weder Bußgeld, noch Freiheitsentzug, Bewährung oder Ähnliches. Ein verurteilter Straftäter sitzt damit an der Spitze der USA.

Der Hintergrund seiner Anklage liegt schon mehrere Jahre zurück und war eine der umstrittensten der vier Anklagen. Es geht dabei um Rückzahlungen an seinen Anwalt Michael Cohen von Schweigegelder an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels. Er wollte sein Verhältnis mit ihr geheim halten, um so seine Wahlchancen 2016 nicht zu gefährden, da Trump sich vor seinen Wähler:innen als religiöser, konservativer Mann verkauft, der ein traditionelles Familienbild wahren möchte. Ein Verhältnis mit einer Porno-Darstellerin würde dieses Bild zerstören, weswegen er versuchte, ihr Schweigen zu erkaufen und den Fall so zu vertuschen. Cohen hatte die Schweigegeldzahlungen damals an Daniels übergeben. Die Zahlungen wurden jedoch nicht als Schweigegeldzahlungen deklariert, sondern als Ausgaben für die Trump Organisation

Im Frühjahr 2024 wurde der jetzige US-Präsident von den Geschworenen bereits in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Merchan hatte also keine andere Wahl, als ihn zu verurteilen, da der Richter sich an die Entscheidungen des Geschworenengerichts halten muss. Auf der anderen Seite hat der Präsident nach einem Urteil des Supreme Courts im Sommer eine weitreichende Immunität zugesprochen bekommen. Einen amtierenden Präsidenten zu verurteilen ist dadurch sehr schwierig bis unmöglich geworden. Dem Richter nach war eine bedingungslose Strafaussetzung also der einzig mögliche Weg, um sich dem Geschworenengericht zu beugen, ohne sich gegen das „höchste Amt im Land“ zu stellen. Laut ihm war der Schutzmantel, den der Supreme Court dem Amt des Präsidenten auferlegt hatte, der wichtigste Faktor für seine Entscheidung gewesen. 

Dass Trump keine Strafe bekommen würde, verkündete er schon im Vorhinein. Trump wusste also schon im Herbst, dass er zwar verurteilt werden, aber ohne Strafe davonkommen würde. Eigentlich sollte der Gerichtstermin auch bereits im Sommer stattfinden, wurde dann aber auf Anfrage von Trumps Anwälten zweimal verschoben. Als Begründungen dienten das Immunität-Urteil des Supreme Courts sowie der Wahlkampf. Der Immunitäts-Entschluss des Supreme Courts, sowie die Aussicht auf eine bedingungslose Strafaussetzung reichten Trump aber nicht aus. Er stellte einen Antrag, die Anklage fallen zu lassen. Da der Richter jedoch schon verkündet hatte, welches Urteil er fällen würde, versicherte der Supreme Court dem Präsidenten, dass er keine Strafe bekommen würde, die weiteren Einfluss auf seine Amtsausübung haben würde. 

Auch dieses nichtige Urteil möchte Trump nicht akzeptieren. Bei dem Gerichtsverfahren wurde er aus seinem Anwesen in Florida live zugeschaltet. Er spricht von einer politischen Hexenjagd und beteuert noch immer seine Unschuld. Die Anklage sei laut ihm ein Manöver gewesen, um seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus zu verhindern.

Die Illusion der Demokratie 

Dieses Urteil ist der Höhepunkt seiner vorangegangenen Anklagen, die alle fallengelassen und durch bürokratische Manöver abgebremst wurden. An diesem symbolischen Beispiel können wir erkennen, dass wir im Kampf gegen Rechts nicht in das Justizsystem und die Behörden vertrauen können. Diese sind durch ihre Ernennung durch den Präsidenten und ihre lebenslange Amtszeit selbst im Rahmen der bürgerlichen Demokratie eine extrem undemokratische Instanz. Das politische System der USA gründet auf einem demokratischen Ideal, das jedoch nichts mit der Realität zu tun hat. Ursprünglich von einer sklavenhaltenden bürgerlichen Oberschicht ins Leben gerufen, zeigt es durch das Wahlsystem der Abgeordneten und der Dominanz des Zwei-Parteien-Modells erhebliche Defizite in seiner Struktur. 

Unter diesen Bedingungen konnte Donald Trump in seiner ersten Amtsperiode Präsident werden, obwohl Clinton die Mehrheit der Stimmen besaß. 

Kampf von unten statt Parteiverbot

Aber nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland können wir uns nicht auf Regierung und Rechtssystem verlassen, da der gesamte bürgerliche Staatsapparat darauf abzielt, die Interessen der herrschenden Klasse zu vertreten und auch zu verteidigen. Dass Trump trotz einer Vielzahl von gut belegten Anklagen nicht verurteilt werden kann, zeigt den Klassencharakter des bürgerlichen Staates auf, in welchem er als Präsident und extrem einflussreicher Kapitalist Macht und Schutz findet. Ein reines Parteiverbot, das aus liberal-bürgerlichen Kreisen oft gefordert wird, ist ein Trugschluss. Diese Vorstellung setzt ein bürgerliches Vertrauen in die “gerechte Justiz” voraus, die in Wahrheit ein Organ der Klassenherrschaft darstellt.  

Gleichzeitig ist das rechte Gedankengut, das die AfD verbreitet, schon längst in breiten Kreisen der Bevölkerung angekommen. Es steckt in jedem Ruf nach Abschiebung und Abschottung und die gleichen Politiker:innen, die ein AfD-Verbot fordern, sind dieselben, die gerade rechte Politik umsetzen. Wenn Julia Klöckner (CDU) ihre Partei öffentlich als inhaltliche Alternative zur AfD darstellt, ist klar, dass ein Parteiverbot den Rechtsruck nicht stoppen kann. Rassistische Hetzen, Frauen- und queerfeindliche Gesetze sowie arbeiter:innenfeindliche Politik werden mit einem AfD-Verbot kein Ende nehmen. Auch sollte uns bewusst sein, dass Verbotspolitik immer auch für Verbote gegen links genutzt werden kann – und wird. 

Den Rechtsruck können wir nur durch die Selbstorganisation Arbeiter:innen und Jugend an ihren Arbeits- und Studienorten und in ihren Gewerkschaften stoppen. Wir brauchen eine massenhafte, antifaschistische Bewegung, die sich gegen die rechte Politik. Dass dies möglich ist, haben wir am Samstag bei den Massenblockaden gegen den AFD-Parteitag in Riesa gesehen. Mehr als 10.000 Menschen aus ganz Deutschland kamen zusammen, um das Treffen zu verhindern. Die Blockaden und der solidarische Geist zeigen uns praktisch, dass unsere eigene Kraft Wirkung hat, in der Verzögerung des Parteitags, in der Verteidigung gegen Polizeigewalt und in der Verbreitung unserer antifaschistischen Ideen. Wir haben dadurch zu Tausenden erfahren, dass wir gesellschaftliche Macht haben, die wir als Gewerkschafter:innen, als palästinasolidarische Bewegung und als Jugend nicht nur gegen Kürzungen, Militarisierung, Rechtsruck und die Korruption der politischen Kaste einsetzen können, sondern auch im Positiven mit einer antikapitalistischen Perspektive für eine bessere Welt, ohne Trump und Weidel. Die Kraft von unten ist die einzige Perspektive, sich den Rechten in den Weg zu stellen.

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