Trump wäre nicht Grönlands erster Kolonisator

22.01.2025, Lesezeit 5 Min.
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Bild: Vladimir Potapeknko/shutterstock

Schon vor seinem Amtsantritt machte Trump mit Aussagen über die Einverleibung Grönlands durch die USA auf sich aufmerksam. Die Geschichte Grönlands ist bis in die Gegenwart von Kolonialismus und nationaler Unterdrückung gezeichnet.

Noch vor seinem Amtsantritt hat Trump es schon geschafft, beunruhigende außenpolitische Pläne zu äußern. Dazu gehören die Annexion des Panamakanals und Kanadas sowie der Kauf Grönlands. Hinter diesen Aussagen und den daraus resultierenden Forderungen steckt reine imperialistische Ideologie und Interessen. Ob Grönland, Kanada oder der Panamakanal – es geht um die Kontrolle von Rohstoffrouten und Militärpräsenz. 

Grönland, ein autonomes Land innerhalb des Königreichs Dänemark, hat eine lange Geschichte der De- und Kolonisierung. Seit 1953 gilt die Insel offiziell nicht mehr als Kolonie, und 1979 wurde per Referendum die Autonomie gewährt. Aber wie in vielen anderen Fällen, wenn wir über indigene Völker und ihre Unabhängigkeit sprechen, befinden wir uns in einem neokolonialen Kontext. Auch im Falle Grönlands ist die „imperiale Prägung“ noch vorhanden. Trotz eines hohen Maßes an Selbstverwaltung wird die grönländische Bevölkerung immer noch von vielen Formen des Kolonialismus beherrscht, so kontrolliert Dänemark z.B. die Geldpolitik und einen Großteil der Außenpolitik Grönlands. 

Darüber hinaus kritisieren viele Dän:innen und Grönländer:innen die asymmetrischen Machtverhältnisse zwischen den Ländern und das Narrativ von den selbstlosen Absichten Dänemarks. Die Umfragen der letzten Jahre zeigen, dass die Grönländer zunehmend nach Unabhängigkeit von Dänemark streben. Wir können davon ausgehen, dass der geplante Ausverkauf von Grönland eine Reaktion für mehr Unabhängigkeit von den Grönländer:innen hervorrufen wird. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Land mit einer langen kolonialen Vergangenheit und anhaltenden Auswirkungen des kolonialen Erbes freiwillig Trumps Deal zustimmen würde.

Die kolonialen Kontinuitäten zeigen sich auch darin, dass Trump sich überhaupt zu Äußerungen über den Erwerb Grönlands hinreißen lässt. Unter anderem sagt Trump, dass er, um seine territorialen Ansprüche durchsetzen zu können, den Einsatz militärischer Gewalt oder wirtschaftlicher Kriegsführung nicht ausschließt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Grönlands von Dänemark erlaubt es dem Land möglicherweise nicht, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Grönlands Premierminister Múte Egede reagierte zwar auf Trumps Erklärung, indem er sagte, Grönland stehe nicht zum Verkauf und wolle weder amerikanisch noch dänisch sein. Vor einigen Tagen gab Egede jedoch eine Erklärung ab, in der er erklärte, Grönland sei bereit, in den Bereichen Verteidigung und natürliche Ressourcen enger mit den USA zusammenzuarbeiten.

Die imperialen Interessen der USA stehen im Widerspruch zu den Bemühungen Grönlands um das Recht, über seine eigenen politischen Angelegenheiten zu entscheiden. Wir sollten die Unabhängigkeitsbestrebungen Grönlands anerkennen und alles tun, um den Kauf Grönlands durch die USA zu verhindern. Das Prinzip „Nothing about us without us“ (dt. „keine Entscheidungen über uns ohne unsere Mitsprache“) sollte auch für Grönland gelten. 

Die Kontrolle über Grönland erhält Dänemark den Status als geopolitisch bedeutendes Land. Die USA sind ebenfalls daran interessiert, diesen Status in der Region zu erreichen, um ihre Expansionspolitik voranzutreiben.

Die USA haben in der Vergangenheit schon Versuche unternommen, die Insel zu kaufen: während des Alaska-Kaufs 1867, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und während Trumps erster Präsidentschaft. Es ist nicht dazu gekommen, aber es ist den USA trotzdem gelungen, während des Zweiten Weltkrieges Militärstützpunkte zu errichten, die dazu dienen sollten, US-Präsenz auf der Insel zu sichern. Bis jetzt bleibt auf der Insel die Pituffik Air Base, mit einer drei Kilometer langen Start- und Landebahn, einem Frühwarnsystem und Weltraumaufklärungsempfängern, ein strategisch sehr wichtiges Element der US-amerikanischen nationalen Interessen. 

Die aktuellen Ereignisse betreffen nicht nur die Beziehungen zwischen Grönland, den USA und Dänemark, sondern sind auch ein erneuter Hinweis auf die zunehmenden Spannungen in der Welt insgesamt. Die USA sind nicht die einzige Weltmacht, die versucht, ihren Einflussbereich im Atlantik auszudehnen. 

Nach dem Ende des Kalten Krieges war die Arktis lange Zeit eine relativ konfliktfreie Zone. Nun entwickelt sie sich zu einem neuen Epizentrum möglicher Auseinandersetzungen. Vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Klimakatastrophe wird die Ausbeutung von Bodenschätzen immer einfacher und die Zahl der Schifffahrtsrouten nimmt zu. Die globale Erwärmung und das Abschmelzen des Eises machen Grönlands Bodenschätze wie Öl, Gas und Mineralien leichter zugänglich und haben bereits das Interesse Chinas und der USA geweckt. Die Möglichkeit, die natürlichen Ressourcen der Insel auszubeuten, inklusive die Seltenerdmetallen, hat bereits einen Platz in den kapitalistischen Interessen der Großmächte gefunden. Auch wenn das grönländische Parlament den Abbau wichtiger Mineralien auf der Insel wegen der Risiken für Umwelt, Fischerei und Tourismus bereits bis 2021 eingeschränkt hat, ist es möglich, dass das US-Kapital bald mehr Einfluss auf die Industrie der Insel nimmt.

All dies deutet auf eine zunehmende Feindlichkeit in den US-chinesischen Beziehungen hin. Gleichzeitig mit dem „pazifischen Wendepunkt“ der Obama-Ära erleben wir den atlantischen Wendepunkt. Wir erleben, dass es kaum noch einen Ort auf der Welt gibt, an dem die Interessen des Kapitals nicht kollidieren, der nicht von wirtschaftlichen Interessen verschiedener Akteure beeinflusst wird oder der nicht Teil einer Allianz ist.

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