Trump vs. Selenskij: eine Demütigung und Lehren für den antiimperialistischen Kampf
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Der „kontrollierte“ Streit zwischen Trump und Selenskij ermöglicht dem US-Präsidenten, sich als Friedensstifter zu inszenieren und die Ukraine und die EU unter Druck zu setzen. Eine Krise in dem imperialistischen Bündnis.
Donald Trump hat Wolodymyr Selenskij vor der ganzen Welt in den Dreck gezogen. Er hat sein Gesicht in den Schlamm gedrückt und ihn zum Dank aufgefordert. Am Ende hat er ihn schmutzig und gedemütigt aus seinem Haus geworfen. Erniedrigung und Arroganz sind Teil der DNA des Imperialismus. Und er verschont auch seine engsten Diener nicht, vor allem dann nicht, wenn sie zu bequem zu sein scheinen.
Das Treffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern sollte nach mehreren Tagen erbitterten Schlagabtauschs einen wichtigen Moment der Entspannung markieren: Der ukrainische Präsident sollte mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen ein Abkommen über die imperialistische Ausplünderung der ukrainischen Bodenschätze und die De-facto-Kolonisierung des Landes im Gegenzug für die US-Hilfe während des Krieges unterzeichnen. Doch etwas ging schief.
Eine noch nie dagewesene Szene
Mitten im Oval Office legten die beiden Präsidenten und US-Vizepräsident JD Vance vor ihrem offiziellen Treffen ihre Meinungsverschiedenheiten dar, insbesondere über die berühmten Sicherheitsgarantien als Vorbedingung für die Unterzeichnung eines Waffenstillstands mit Putin. Der Ton wurde schnell schärfer. Der eine wollte auf der Notwendigkeit bestehen, dem russischen Präsidenten zu misstrauen, die anderen versuchten, Selenskij unter Druck zu setzen, indem sie auf die derzeitigen Schwächen des ukrainischen Militärs hinwiesen.
Trump unterbrach Selenskij und warf ihm sogar vor, er spiele mit dem Leben von Millionen von Menschen und der Aussicht auf einen Dritten Weltkrieg. Es war eine ziemlich demütigende Szene. Trump und Vance forderten Selenskij auf, den USA auf der Stelle zu danken, denn ohne ihre Hilfe hätte Russland die Ukraine innerhalb von zwei Wochen erobert. Nach diesem Wortwechsel wurde das Treffen beendet.
Hat Trump bekommen, was er wollte, nämlich als Friedensstifter zu erscheinen und Selenskij und die europäischen Anführer:innen als fanatische Kriegsbefürworter:innen? Dies ist wahrscheinlich die Linie, die die Trump-Administration und ihre Verbündeten einschlagen wollen. Tatsache ist, dass kein Abkommen über ukrainische Bodenschätze unterzeichnet wurde. „Sie können zurückkommen, wenn Sie zum Frieden bereit sind“, sagte Trump später. Der US-Präsident, dem vorgeworfen wird, unter Ausschluss der Ukraine und der Europäischen Union direkt mit Putin zu verhandeln, droht nun damit, sich aus den Verhandlungen zurückzuziehen: „Ich habe festgestellt, dass Präsident Selenskijy nicht zum Frieden bereit ist, wenn die Vereinigten Staaten beteiligt sind, weil er glaubt, dass unsere Beteiligung ihm einen großen Vorteil bei den Verhandlungen verschafft. Ich will keinen Vorteil, ich will FRIEDEN.“
Ein Kampf zwischen Imperialismen
Diese Äußerungen und dieses Ereignis werfen viele Unsicherheiten auf und verdeutlichen vor allem die Differenzen und Spannungen innerhalb des westlichen Bündnisses. Man könnte sich sogar fragen, ob dieses Bündnis noch existiert. Was die Spekulationen betrifft, so bleibt abzuwarten, wie sich die USA in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten zur finanziellen und militärischen Unterstützung der Ukraine verhalten werden. Nicht zuletzt bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dies auf die Moral der ukrainischen Armee und Bevölkerung hat.
Diese Krise mag für Russland vorteilhaft erscheinen. Sie birgt aber auch einen großen Widerspruch in sich, denn so wie es aussieht, wäre das russische Militär gezwungen, den Krieg fortzusetzen, wenn auch möglicherweise in einer günstigeren Position. Sollte Russland jedoch vor Ort zu große Fortschritte machen, könnten sich die europäischen Mächte geschlossener für die Ukraine einsetzen. Es ist nicht sicher, dass das russische Militär unter diesen Umständen einen entscheidenden Schlag gegen Kiew führen könnte, um Selenskij zur Kapitulation zu zwingen. Mit anderen Worten: Putin könnte auf die eine oder andere Weise gezwungen sein, mit der Ukraine und den Europäer:innen in einer potenziell ungünstigeren Situation einen Deal zu schließen. Natürlich schließt diese Aussicht nicht aus, dass es den USA gelingen könnte, der Ukraine ein Ausplünderungsabkommen aufzuerlegen: Sie können nicht zulassen, dass die Europäer:innen vom Reichtum der Ukraine profitieren.
Was die europäischen Mächte betrifft, so ist die Situation sehr komplex. Sie präsentieren sich als Garanten für die Selbstbestimmung und die Würde der Ukraine und bekunden ihre Unterstützung für Selenskij. Aber werden sie in der Lage sein, die ukrainische Armee ohne die USA militärisch zu unterstützen? Außerdem wurde der Vorfall im Weißen Haus in der EU nicht in gleicher Weise gewürdigt. Der ungarische Präsident, der rechtsextreme Viktor Orban, lobte Trumps Haltung und bezeichnete ihn als Verfechter des Friedens. In Wirklichkeit sind die europäischen imperialistischen Mächte sehr beunruhigt, weil sie in diesem Krieg so viel verlieren und alle ihre Investitionen in militärischer und finanzieller Hinsicht vergeudet werden. Das Abkommen über die ukrainischen Bodenschätze hatte sie faktisch von der Aufteilung der Beute ausgeschlossen. Wenn es eine Sache gibt, die den Arbeiter:innen überall klar sein sollte, dann ist es, dass die westlichen Imperialist:innen dabei sind, den Reichtum der Ukraine untereinander aufzuteilen.
Im Gegensatz zu dem Image, das sie von sich präsentieren, möchten die europäischen Imperialist:innen auch von der Ukraine profitieren, insbesondere in einem internationalen Umfeld, das zunehmend konkurrenzorientiert und feindlich gegenüber den Interessen der EU ist. Ein Beispiel dafür war das Eingeständnis des französischen Verteidigungsministers, dass die französische Regierung seit mehreren Monaten mit der Ukraine über die Ausbeutung der seltenen Erden des Landes zugunsten französischer multinationaler Unternehmen verhandelt. Mit anderen Worten: Die europäischen imperialistischen Mächte mögen Trumps Haltung anprangern, aber sie haben in diesem Krieg genau die gleichen räuberischen Ambitionen auf dem Rücken des ukrainischen Volkes.
Lehren
Diese düstere Sequenz dient dazu, die Arbeiter:innen und die armen Massen des Kontinents und der Welt daran zu erinnern, dass es in den Händen des Imperialismus niemals eine echte nationale Selbstbestimmung geben kann. Weder durch den US-Imperialismus noch durch den europäischen Imperialismus. Westliche Hilfe und Waffen waren immer an die Unterordnung der Ukraine unter ihre Interessen geknüpft. Trump versucht, sich die Beute zurückzuholen, indem er den EU-Imperialist:innen zuvorkommt. Aber es wäre ein Fehler, daraus zu schließen, dass dies einfach das Ergebnis von Trumps Politik ist. Es sei daran erinnert, dass Joe Biden in der australischen U-Boot-Affäre hinter dem Rücken des französischen Imperialismus konspiriert hat. Mit anderen Worten: Die imperialistischen Mächte stehen immer in Konkurrenz zueinander, auch wenn sie sich von Zeit zu Zeit und in bestimmten Fragen einigen, um ihre Interessen besser zu verteidigen. Egal, ob es sich um ihre Absprachen oder ihre Konkurrenz handelt, die Imperialist:innen lassen immer die Arbeiter:innen und die Bevölkerungen der Staaten der kapitalistischen Peripherie, aber auch ihrer eigenen Länder, den Preis dafür zahlen.
Trump lässt die Ukraine für ihre Abhängigkeit von den Westmächten bezahlen. Diese Situation wäre jedoch ohne Selenskijs eigene pro-imperialistische und untergeordnete Politik niemals möglich gewesen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu lesen, dass Jean-Luc Mélenchon den Mut Selenskijs lobt. Er schrieb in X: „Selenskij war mutig. Ohne seine Souveränität wäre unser Kontinent eine bloße Kolonie der Vereinigten Staaten, deren Führer sich mit ihrem Kollegen Trump auf die Schulter klopfen würden.“ Aber im Gegensatz zu dem, was der Führer der Mitte-Links-Formation La France Insoumise behauptet, vertritt Selenskij weder eine antikoloniale Politik gegenüber den Vereinigten Staaten noch gegenüber den europäischen imperialistischen Mächten (einschließlich Frankreich). Im Gegenteil zielt Selenskijs Politik darauf ab, die Ukraine in ein Gebiet zu verwandeln, das vollständig in den Rahmen der Herrschaft der westlichen Mächte integriert ist. Seine Politik ist die koloniale Unterwerfung der Ukraine unter die Imperialist:innen, um der russischen Vorherrschaft zu entkommen. Mit anderen Worten, ein Herr gegen einen anderen auszutauschen. Deshalb hat Selenskij unmittelbar nach dem Skandal im Weißen Haus vor Trump zurückgeschreckt und sich sogar in einem Interview auf Fox News entschuldigt.
Selenskijs Politik hat die Ukraine also in eine Sackgasse der Halbkolonisierung des Landes geführt, und er kann es sich nicht leisten, diesen Rahmen zu sprengen. Er hat keine Alternative und hat alles getan, um dies zu erreichen. Aber wir sollten Herrn Mélenchon daran erinnern, dass Frankreich nicht zur Gruppe der Länder gehört, die dem Imperialismus untergeordnet sind, sondern zu einer anderen Gruppe imperialistischer Nationen, die bereit sind, die Ukraine in einem Stellvertreterkrieg gegen Russland zu benutzen und sie ohne Skrupel ihres Reichtums zu berauben.
Eine weitere wichtige Lehre aus dieser Situation ist, dass angesichts von Putins Aggression nur eine entschlossene, massive und mächtige soziale Kraft, die sich um die ukrainische Arbeiter:innenklasse herum organisiert, für eine echte ukrainische Selbstbestimmung kämpfen kann. Eine solche Kraft der Arbeiter:innenklasse müsste unabhängig von den lokalen Oligarch:innen, allen bürgerlichen Fraktionen und allen imperialistischen Mächten kämpfen. Auf diese Weise könnte die ukrainische Arbeiter:innenklasse die stillschweigende Unterstützung der russischen Arbeiter:innen für Putin brechen, die sich aus der antirussischen Einheitsfront im Westen speist, und ein internationalistisches Klassenbündnis zwischen dem ukrainischen und dem russischen Proletariat aufbauen. Dies ist die einzige realistische Alternative, um der kolonialen und imperialistischen Falle zu entgehen, in der sich die Ukraine von Selenskij heute befindet.
Diese Lektion ist nicht nur eine Lektion für das ukrainische Volk, sondern für alle Völker, die für ihre Rechte und gegen Unterdrückung kämpfen. Die europäischen Imperialist:innen, die sich heute als Verteidiger:innen der Ukraine aufspielen, sind dieselben, die am Völkermord in Gaza beteiligt sind. Kein Volk kann oder sollte ihnen oder ihren nationalen Agent:innen trauen.
Übersetzt aus dem Spanischen von La Izquierda Diario vom 1. März 2025