Trump droht mit der Annexion Gazas

06.02.2025, Lesezeit 9 Min.
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Foto: noamgalai/shutterstock

Bei einem Treffen mit Netanjahu machte Donald Trump sein dreistes Vorhaben bekannt: Die gesamte palästinensische Bevölkerung solle dauerhaft vertrieben und Gaza unter die Kontrolle der USA gestellt werden.

Der US-Präsident Donald Trump verkündete seinen kolonialistischen Plan bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Er schlägt vor, alle Palästinenser:innen aus Gaza (schätzungsweise circa 2,2 Millionen einschließlich der seit Oktober vertriebenen) in Nachbarländer wie Jordanien oder Ägypten umzusiedeln, um anschließend Gaza zu annektieren. „Warum sollten sie zurückkehren? Dieser Ort war die Hölle“, sagte Trump zynisch und deutete damit an, dass die Palästinenser:innen keinen Anspruch mehr auf ihre Heimat haben sollen. Er kann sich vorstellen, Gaza in die „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln. 

Trump droht einem Volk, das schon mal eine Massenvertreibung (Nakba) erlebt hat, eine neue aufzudrücken. Die Nakba fand im Mai 1948 mit der Staatsgründung Israels statt. Der Zionismus bekam im Jahr 1947 durch den Teilungsplan der Vereinten Nationen 52 Prozent des Territoriums, was zur Folge hatte, dass die zionistischen Milizen Massaker verübten und über 700.000 Menschen zur Flucht ins Exil zwangen. Trump möchte diese Geschichte wiederholen.

„Jeder, mit dem ich gesprochen habe, ist begeistert von der Idee, dass die Vereinigten Staaten dieses Stück Land besitzen, es entwickeln und Tausende von Arbeitsplätzen schaffen mit etwas, das großartig sein wird.” sagte Trump über Gaza, als wäre es eine Immobilie, die auf dem globalen Markt zum Verkauf steht. Trump spricht offen darüber, dass eine US-Kontrolle über Gaza nicht nur eine wirtschaftliche Investition, sondern eine dauerhafte geopolitische Neuordnung bedeutet. „Wir werden tun, was notwendig ist“, sagte er und schloss nicht einmal die Entsendung von US-Truppen aus: „Wenn es sein muss, werden wir es tun.“ Netanjahu lobte ihn dafür als den „besten Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte“ – und tatsächlich bedeutet Trumps Vorschlag eine extreme Ausweitung der bisherigen US-Unterstützung für Israels Kriegsverbrechen.

Was will Trump?

Tatsächlich sind die Zionist:innen in Israel und den USA beinahe die Einzigen, die euphorisch auf den Plan von Trump reagiert haben. Die meisten Staaten haben den Plan von Trump, die Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen und die palästinensische Bevölkerung umzusiedeln, überwiegend abgelehnt. Frankreich, Deutschland, Spanien, China, Russland, Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien haben sich für Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen und eine mögliche US-Kontrolle über Gaza und die Zwangsumsiedlung als völkerrechtswidrig bezeichnet. 

Auch innerhalb der USA sorgte Trump für massive Empörung, so dass sein Team nun beginnt, die Aussagen zu relativieren. Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weißen Hauses, betonte, dass Präsident Trump keine Verpflichtung eingegangen sei, US-Truppen nach Gaza zu entsenden. Sie fügte hinzu, dass die Umsiedlung der Palästinenser:innen möglicherweise nur vorübergehend sein könnte. Außenminister Marco Rubio erklärte, dass es nicht darum gehe, den Gazastreifen zu „besitzen“, sondern eine führende Rolle im Wiederaufbau der Region zu übernehmen. Verteidigungsminister Pete Hegseth sagte, dass die USA „sehr weit entfernt“ von einer militärischen Präsenz im Gazastreifen seien.

Es wäre aber naiv, daran zu glauben, dass Trump im Vorfeld nicht mit solchen Reaktionen gerechnet hätte. Was ist also die Grundlage für den Vorstoß? Trump ist dafür bekannt, dass seine Diplomatie oft unkonventionell und von aggressiven Druckmitteln geprägt ist, um politische Ziele zu erreichen. Es gibt nun zwei Szenarien. Im ersten Szenario meint Trump die Besatzung tatsächlich ernst und vollzieht den Genozid in Gaza durch militärische Beteiligung der USA. Ein solches Szenario wäre katastrophal und würde den Weg für den Ausbruch eines Regionalkrieges ebnen.

Das zweite, deutlich wahrscheinlichere Szenario lautet, dass er die arabischen Staaten, insbesondere Saudi-Arabien, zu einem neuen Abraham-Abkommen-Prozess an den Verhandlungstisch bringen möchte. Die Abraham-Abkommen sind eine Reihe von Normalisierungsabkommen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten (Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Marokko, Sudan), die 2020 unter US-Vermittlung geschlossen wurden, um diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen. Die USA wollen den Prozess ausweiten, insbesondere auf Saudi-Arabien. Vor allem mit dem genozidalen Krieg in Gaza ist die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran eingefroren worden. Saudi-Arabien betrachtet bisher die Zwei-Staaten-Lösung und die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates als Voraussetzung für die Normalisierung von Beziehungen zu Israel. Trump nutzt die Drohung der Besatzung von Gaza als Druckmittel, um vor allem Saudi-Arabien zu zwingen, diese „prinzipielle“ Haltung aufzugeben. Angesichts der voranschreitenden Annäherungen zwischen Iran und Saudi-Arabien kann der Vorstoß von Trump in dem Sinne interpretiert werden, dass er Saudi-Arabien als starken regionalen Partner im Anti-Iran-Lager halten möchte. 

Keine Ruhe für Palästinenser:innen

Weder der zionistische Staat noch sein Komplize, die USA, lassen die Palästinenser:innen in Ruhe. Nach monatelangen Bombardierungen im Rahmen des genozidalen Kriegs in Gaza sollte ein Waffenruhe-Abkommen zwischen der Netanjahu-Regierung und Hamas zumindest eine Atempause bringen. Doch jede Phase dieses Abkommens ist von neuen Skandalen und Krisen geprägt, so dass sein Platzen immer wahrscheinlicher wird. Denn über die Frage, was aus Gaza wird und wer dort anführt, besteht keine Einigkeit.

Hamas, die den Gazastreifen verwaltet, und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) unter der Führung von Fatah, die das Westjordanland kontrolliert, gründeten im Dezember ein gemeinsames Komitee, um über die Verwaltung des Gazastreifens zu verhandeln. Dieses Komitee brachte jedoch keine Ergebnisse. Hamas wird für ihre weitere Kontrolle kämpfen, was für Netanjahu nicht akzeptabel ist. Einige Pläne beinhalteten die Einrichtung einer internationalen Friedensmission, die aus Truppen arabischer Länder bestehen sollte. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA und Israel führten Gespräche darüber, im Gazastreifen eine Übergangsregierung zu etablieren. 

Das Ganze macht sowohl das Abkommen als auch die Lage vor Ort ziemlich brüchig. Ohne Rücksicht auf ihre Rechte und Bedürfnisse werden die Zukunft und das Schicksal von Millionen Palästinenser:innen fremdbestimmt. Die geopolitischen Pläne, die derzeit auf den Rücken der Palästinenser:innen abgeladen werden, sind von den arabischen Bourgeoisien und imperialistischen Interessen getragen. 

Die Palästinenser:innen stehen nicht alleine

In dieser verfahrenen Lage ist es die internationale Solidarität, die den Widerstand gegen diese zynische Strategie entfachen muss. Die Staaten, die sich nun als Kritiker Trumps aufspielen und sich als Verfechter des Friedens inszenieren – allen voran Deutschland –, können ihre eigene Verantwortung am Genozid nicht reinwaschen. Ihre uneingeschränkte Unterstützung für Israel, sei es durch Waffenlieferungen, diplomatische Rückendeckung oder die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität, hat den Boden für diese Eskalation bereitet. Wer heute Empörung über Trumps Pläne äußert, gestern aber Israels Kriegsverbrechen mitermöglicht und legitimiert hat, ist kein glaubwürdiger Partner für die Palästinenser:innen. Auf sie ist kein Verlass. Auch die arabischen Staaten, die sich nun besorgt über Trumps Pläne äußern, tragen eine Mitverantwortung an der fortgesetzten Unterdrückung der Palästinenser:innen. Allen voran Saudi-Arabien und Ägypten haben immer wieder bewiesen, dass sie nicht als Schutzmacht der Palästinenser:innen agieren, sondern ihre eigenen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen über deren Selbstbestimmung stellen. Auch die korrupte Autonomiebehörde kollaboriert längst mit den zionistischen Behörden und kapituliert vor der fortschreitenden Kolonisierung des Westjordanlands, um ihre eigenen Privilegien zu sichern. Sie alle sind keine Verbündeten der Befreiung, sondern Teil des Problems.

Doch das palästinensische Volk steht nicht alleine. Seine Verbündeten sind die Jugend und Arbeiter:innen in Jordanien und Ägypten, die im letzten Jahr massenhaft auf die Straße gingen, praktische Solidarität mit den Vertriebenen organisierten und ihre Regierungen für die Kollaboration mit dem Zionismus konfrontierten. Die Studierenden in den USA und Europa, die ihre Campus besetzten und die Arbeiter:innen der Häfen und Flughäfen, die Waffenlieferungen blockierten. Die Waffenruhe ist dank des Widerstands der Palästinenser:innen und der internationalen Solidaritätsbewegung zustande gekommen. Wenn diese Bewegung sich ausweitet und vereint, hat sie das Potenzial, mit den Mitteln von politischen Streiks, Blockaden und Besetzungen den Zionismus und seine imperialistischen Komplizen in die Knie zu zwingen. Dabei müssen sie auch die Streichung aller Ausschlandschulden und den Rauswurf von internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank fordern. Denn diese sind ein zentrales Instrument der imperialistischen Staaten für die Kontrolle der Region und stehen einem selbstbestimmten Wiederaufbau im Wege.

Die Palästinenser:innen stehen vor enormen Herausforderungen, insbesondere beim Wiederaufbau ihrer zerstörten Städte und Infrastruktur. Ein Wiederaufbau, der nicht in den Händen der Arbeiter:innen und armen Bevölkerungsschichten selbst liegt, wird nur eine Fortsetzung der Abhängigkeit und Unterdrückung bedeuten. In diesem Sinne braucht es einen klaren Plan der internationalen Solidaritätsbewegung, der sich nicht auf bloße Appelle beschränkt, sondern in Kooperation mit Gewerkschaften aus Schlüsselbranchen wie dem Gesundheitswesen, der Wasser- und Energieversorgung, dem Transportsektor sowie dem Bau- und Ingenieurwesen konkrete Schritte unternimmt. Finanziert werden sollte dieses Projekt durch die Enteignung der Konzerne, die mit dem Krieg Profit gemacht haben. Dies muss mit der Durchsetzung des bedingungslosen Rückkehrrechts für alle vertriebenen Palästinenser:innen verbunden werden. Statt den Wiederaufbau internationalen Großkonzernen oder korrupten Regimen zu überlassen, muss eine solidarische, von unten organisierte Unterstützung aufgebaut werden, die den Palästinenser:innen die Selbstbestimmung über ihre Zukunft ermöglicht. 

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