Trotz humanitärer Katastrophe: Deutschland, USA und Co. streichen Hilfen für Gaza

29.01.2024, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Anas-Mohammed // shutterstock

Während die Menschen in Gaza unter Hunger und Krankheiten leiden, unterbrechen eine Reihe an Staaten ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerk für palästinensische Geflüchtete. Sie positionieren sich damit als Verbündete des israelischen Genozids und verschärfen die schreckliche humanitäre Lage weiter.

In Gaza herrscht nach wie vor nicht nur Leid und Zerstörung durch die unmittelbaren Bombardements. Die humanitäre Katastrophe drückt sich auch noch auf andere Weise aus. Es wird von einer Systemkette gesprochen. Diejenigen, die die Angriffe überleben, sind von Hunger und anhaltender Nahrungs- und Wasserknappheit betroffen. Mütter sind nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu stillen und die Menschen leiden unter Krankheiten, die sich durch das Trinken von verseuchtem Wasser schnell verbreiten. Die Zahlen der Krankheitsausbrüche sind teilweise 25 mal so hoch wie vor Beginn der Offensive. Es gibt keine Möglichkeit, drohenden Krankheitsausbrüchen wie der Cholera zu begegnen, da die Monitoring-Systeme dafür bereits zusammengebrochen sind. Es mangelt dramatisch an medizinischer Infrastruktur, an sanitären Anlagen und Nahrung. All das ist die beste Voraussetzung für das Ausbrechen und die Verbreitung von Krankheiten. Es ist außerdem so gut wie unmöglich, diese Zustände aufzufangen, da auch Krankenhäuser bombardiert werden. In Gaza steht kein einziges funktionierendes Krankenhaus mehr! Der UN-Nothilfekoordinator gibt an, dass Gaza mittlerweile unbewohnbar sei. Selbst bei einer sofortigen Waffenruhe würden unzählige Menschen an diesen Folgen sterben.

Abhilfe zu schaffen ist nur kaum möglich, da in der Vergangenheit auch Straßen für Hilfslieferungen bombardiert wurden. Mehrmals mussten geplante Transporte schon abgebrochen werden, da Lebensgefahr auch für die Fahrer:innen bestand.

Der Norden des Gazastreifens gleicht mittlerweile einer Trümmerlandschaft. In den Ruinen harren Menschen aus, die nicht flüchten konnten, weil sie dazu beispielsweise gesundheitlich nicht in der Lage sind oder weil sie fürchten, auf der Flucht erschossen zu werden.

Auch diejenigen, die es in die sogenannten Sicherheitszonen geschafft haben, sind dort nicht außer Gefahr, sondern müssen mit den beschriebenen Folgen der Zerstörung kämpfen. Zudem wurden auch diese vermeintlichen Sicherheitszonen bombardiert, so auch Krankenhäuser, in denen viele verzweifelte Menschen Schutz suchen, während die Grenzen Gazas weiterhin abgeriegelt bleiben. Die Menschen befinden sich in einer ausweglosen Situation im wahrsten Sinne des Wortes. Der genozidale Krieg forderte schon mindestens 20.000 Menschenleben, vermutlich mehr, da viele Tode gar nicht mehr erfasst werden können. Achtzig Prozent der Menschen befinden sich auf der Flucht. Eine Katastrophe historischen Ausmaßes, größer noch als der Konflikt, der zur Nakba führte, welche auch die Zerstörung im syrischen Aleppo und im ukrainischen Mariupol übertrifft. Dabei sind zwei Drittel der Ermordeten Frauen und Kinder. Für die Kinder sind die Schrecken des Krieges besonders traumatisch. Sie können, neben Hunger und dem medizinischen Ausnahmezustand, auch nicht zur Schule gehen und sind permanentem Stress durch die ohrenbetäubenden Explosionen ausgesetzt.

Der Westen zeigt sich als Verbündeter des Genozids

In seinem Urteil vom Freitag hat der Internationale Gerichtshof (IGH) die schlimme humanitäre Lage in Gaza angeprangert und entschieden, dass genügend Anhaltspunkte vorhanden sind, um wegen Völkermord gegen Israel zu ermitteln. Doch statt dem Urteil des IGH zu folgen, Kritik an Israels Kriegsführung zu üben und mehr oder überhaupt humanitäre Hilfen nach Gaza zu liefern, präsentiert sich der westliche imperialistische Block mal wieder als bedingungsloser Unterstützer Israels. So kündigte Deutschland schon kurz nach den Verhandlungen Anfang Januar an, Israel im Gerichtsprozess gegen Südafrika zu unterstützen. Deutschland, das von Namibia erst kürzlich darauf hingewiesen wurde, seine eigene genozidale Geschichte nicht aufgearbeitet zu haben, zeigt sich heute also als Verbündeter des israelischen Genozids an den Palästinenser:innen.

Auch haben Deutschland, USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und weitere Staaten gerade in diesem Kontext der verheerenden humanitären Lage und des IGH-Urteils entschieden, ihre Zahlungen ans UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) auszusetzen. Sie folgten damit den Anschuldigungen Israels, dass zwölf Mitarbeiter:innen Fahrzeuge des UNRWA benutzt haben sollen, um an den Angriffen des 7. Oktobers teilzunehmen. Die Anschuldigungen konnten bisher nicht unabhängig überprüft werden und die beschuldigten Mitarbeiter:innen wurden entweder entlassen oder bereits durch die israelischen Angriffe ermordet. Das UN-Hilfswerk beschäftigt insgesamt mehr als 30.000 Mitarbeiter:innen, davon 13.000 in Gaza. Seit dem 7. Oktober wurden bereits 152 UNRWA-Mitarbeiter:innen, davon einige mit ihren Familien und gezielt, getötet. 141 UNRWA-Einrichtungen wurden ganz oder teilweise zerstört. Das UN-Hilfswerk ist laut der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) „die wichtigste Quelle für Bildung, Gesundheit und andere soziale Dienste für Millionen von Flüchtlingen, die im Gazastreifen, im Westjordanland, in Jordanien, Libanon und Syrien leben“.

Feminismus heißt Kämpfen gegen den Imperialismus

Wenn also die deutsche Politik, die sich gerne eine feministische Außenpolitik auf die Fahne schreibt, als Verbündete Israels auftritt, sich gegen Waffenruhen stellt oder sich bei Abstimmungen enthält, hat sie die zehntausenden Toten mitzuverantworten.

Selbst nach bürgerlichem Recht stellt das Aushungern von Zivilist:innen ein Kriegsverbrechen dar. Umso selbstverständlicher muss es sein, dass Bombardements von Krankenhäusern, in denen sich schutzsuchende und gebärende Personen aufhalten und der Bevölkerung eines Gebietes das Lebensnotwendige zu nehmen, in keinem Falle eine feministische Außenpolitik ist. Personen in eine Lage zu bringen, in der sie sich Menstruationsprodukte aus Stofffetzen von Zelten zusammenbasteln müssen und eine Situation zu schaffen, in der die Rate der Fehlgeburten um 300 Prozent gestiegen ist, kann noch weniger so bezeichnet werden. Der Feminismus muss Leben und Freiheit für alle als Ziel haben und ist nicht mit Unterdrückung und Zerstörung vereinbar.

Als Feminist:innen, Beschäftigte und Unterdrückte müssen wir uns gegen diese Politik stellen, und beispielsweise, wie es schon geschieht, Waffenlieferungen bestreiken oder an den Universitäten für eine konsquente Einhaltung der Zivilklausel kämpfen. Wir müssen uns gegen die deutsche Unterstützung Israels positionieren und die Regierung für ihre Unterstützung des Genozids an den Palästinenser:innen zur Rechenschaft ziehen.

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