Trotz geplanter Cannabis-Legalisierung ist kein Ende der Kriminalisierung in Sicht

21.10.2022, Lesezeit 5 Min.
1
Foto: Proxima Studio / shutterstock.com

Die Pläne der Ampel-Regierung bedeuten kein Ende der Kriminalisierung. Der Polizei stehen noch zu viele Hintertüren offen.

Vor einem Jahr versprachen die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag, die “kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften” einzuführen. Laut dem RedaktionsNetzwerk Deutschland konkretisierte Bundesgesundheitsminister Lauterbach dieses Vorhaben nun.

So soll der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis mit einem maximalen THC-Anteil von 15 Prozent an Volljährige, sowie der Eigenanbau von bis zu zwei Pflanzen straffrei sein. Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren soll die Obergrenze des THC-Gehalts dann bei 10 Prozent liegen, um die Gefahr von Hirnschädigungen zu minimieren. Außerdem werde Cannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Was auf den ersten Blick gut aussieht, hat eklatante Schwächen. Nur einen niedrigen THC-Gehalt zu legalisieren, ist wie Bier und Wein zu erlauben, Schnaps aber nicht. Die meisten Sorten wurden in den letzten Jahrzehnten massiv stärker gezüchtet, teilweise auch noch mit künstlichen Cannabinoiden besprüht. Neben dem Rausch werden so auch Nebenwirkungen deutlich stärker. Diese Überzüchtung hat auch positive Aspekte, wie den CBD-Anteil, konsequent zurückgedrängt. Diese Entwicklung ist ein Ausdruck der Illegalität und lässt sich auch nicht einfach rückgängig machen. Es ist absurd, all diese Sorten weiterhin zu illegalisieren, zumal sie ohne eine ausführliche Untersuchung im Labor kaum von schwächeren Sorten unterschieden werden können. Hinzu kommt, dass diese Sorten sich – auch durch den illegalen Import aus Kalifornien – hoher Beliebtheit erfreuen.

Mit diesem Vorschlag hat die Polizei weiterhin freie Bahn mit Racial Profiling, willkürlichen Polizeikontrolle und Co. vor allem migrantischen und arme Teile der Bevölkerung täglich zu terrorisieren. Auch die maximal erlaubte Menge von 20 Gramm unterschreitet die Ernte von zwei Pflanzen um ein Vielfaches. Ein Ertrag von 100 bis 150 Gramm pro Pflanze ist für erfahrene Hobbygärtner:innen relativ einfach möglich. Selbst eine „einfache“ Hausdurchsuchung könnte so schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen. Außerdem ist zu bezweifeln, ob der Eigenanbau am Ende wirklich legalisiert wird. Denn aus diesem können weder Unternehmen noch der Staat Profit schlagen.

Zuckerbrötchen für die ausgepeitschte Bevölkerung

Während besonders Menschen mit niedrigem Einkommen momentan unter den Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie leiden, möchte die Ampel-Regierung sie nun zumindest mit einem Punkt ihres Koalitionsvertrags abspeisen. Doch statt einer vollständigen Legalisierung von Cannabis, einer wirkungsvollen Aufklärungskampagne und Hilfestellungen für Suchterkrankte, sollen Konsumierende mit dem halbgaren Versprechen einer eingeschränkten Entkriminalisierung über den Winter abgespeist werden und von Lösungen der Probleme mit anderen Substanzen ist keine Rede.

Die Umsetzung der Maßnahmen ist erst für das Jahr 2024 vorgesehen und die rassistische Diskriminierung durch Polizeikontrollen werden mit einer legalen Obergrenze und ohne die vollständige Legalisierung aller als Drogen eingestuften Substanzen nicht beendet. Die Ergänzung des Betäubungsmittelgesetzes um einen Paragraphen, der den Kauf, Besitz und Konsum für Volljährige erlaubt, bedarf nicht einmal der Zustimmung des Bundesrates und könnte sofort geschehen. Die Regierung ist allerdings nicht primär daran interessiert, die Kriminalisierung von Konsumierenden zu beenden, sondern möchte am Verkauf von Cannabis mitverdienen, um die zusätzlichen Steuereinnahmen dann über Subventionen z.B. den Aktionären in der Automobil- oder Energiebranche zu schenken.

So könnte Cannabis vernünftig legalisieren werden: 

Die geplante Legalisierung von Cannabis setzt dem Kurs der strafrechtlichen Bekämpfung der Drogennachfrage- und Angebot der deutschen Politik kein Ende. Die Legalisierung muss auf alle Substanzen ausgeweitet werden.

Der Kurs der strafrechtlichen Bekämpfung wird mit dem Schutz der Volksgesundheit begründet. Das bedeutet, dass die Konsument:innen vor sich selbst und der Allgemeinheit geschützt werden sollen. Doch die Repressionen sind nur Einschüchterung und ändern rein gar nichts an gefährlichen Suchtmustern. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und damit die strafrechtliche Bekämpfung ist in ihrer Zielsetzung vollständig gescheitert. Dass der Kampf gegen Drogen schwerwiegendere Konsequenzen hat als die Drogen an sich mit sich bringt, zeigt sich beispielsweise anhand der Etablierung der stetig wachsenden Schattenwirtschaft, die aufgrund von enormen Profiten des illegalen Drogenmarktes immer mehr Drogen in Umlauf bringt und jegliche Kontrolle über den Anbau und die Qualität fehlt. Durch diesen unregulierten Markt, werden die Konsument:innen möglichen gesundheitlichen Schäden ausgesetzt.

Auch wenn wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass es starke Nebenwirkungen und Suchtgefahren geben kann, fordern wir, dass die Legalisierung durchgesetzt und ausgeweitet wird, denn die Kriminalisierung führt nur zu Repressionen gegen die Bevölkerung.  Wir fordern daher das sofortige Ende der  Kriminalisierung von Drogenkonsum, egal ob bei Cannabis oder anderen Drogen. Es braucht auch einen politischen Kampf für ein  Verbot aller rassistischen Polizeikontrollen, egal unter welchem Vorwand. Damit verbunden muss eine massive Aufklärungskampagne durchgeführt werden, die nicht auf Einschüchterung, sondern auf aufgeklärten Konsum und Beratungsgespräche setzt. Mit einer solchen Aufklärungskampagne ist die Zahl der Todesfälle durch Drogenkonsum in Portugal seit 2001 um mehr als 75 Prozent gesunken.

Mit dem Ziel, dass Konsument:innen möglichst sicher und aufgeklärt Cannabis zu sich nehmen können, muss der Anbau unter demokratische Kontrolle der Nutzer:innen und Beschäftigten in diesem Sektor gestellt werden. Nur ohne Profitzwang und unter Arbeiter:innenkontrolle werden gefährliche Züchtungen und Streckmittel der Vergangenheit angehören.

 

Mehr zum Thema