#Trotsky2020: „Die Diktatur des Proletariats kann den Volksmassen nicht aufgezwungen werden“

18.09.2020, Lesezeit 4 Min.
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Anlässlich des 80. Jahrestags der Ermordung Leo Trotzkis spricht Giacomo Turci im Rahmen des Films #Trotsky2020 über die Lehren aus Trotzkis Texten zu Italien und ihre Bedeutung für heute und dem Verhältnis von demokratischen Fragen zu Übergangsforderungen.

Dieser Beitrag ist Teil des Films #Trotsky2020, der hier in gesamter Länge angeschaut werden kann.
Die Verbindung Trotzkis zu Italien ist eng verwoben mit der tragischen Erfahrung des Aufstiegs des Faschismus, mit der Errichtung der Regierung Mussolinis auf Einladung des Königs im Jahr 1922, nach der Niederlage der revolutionären Bewegung der „Zwei roten Jahre“, als hunderttausende Arbeiter die Fabriken im Norditaliens besetzten: eine Bewegung, auf die jahrelang heftige Repressionen und das Verbot der italienischen Arbeiter*innenbewegung folgten.

Trotzki, verkörperte in seinen Briefwechseln mit den italienischen Genoss*innen, genau wie Lenin, die Besessenheit für eine ambitionierte Parteipolitik und nicht für eine verschlossene und sektiererische Politik. Es war fundamental, auch für die italienischen Genoss*innen, sich gerade die Politik der Einheitsfront zu eigen machen, um neue Schichten der Arbeiter*innen durch gemeinsame Kämpfe zu gewinnen und nicht nur durch abstrakte Propaganda.

Es war also wichtig, dass das Programm einer kommunistischen Partei in der Lage war, genaue Ziele zu formulieren, Übergangsziele, die sich nicht darauf beschränkten, die Diktatur des Proletariats einzufordern. So kritisierte Trotzki das Dokument, das vom Kongress der Kommunistischen Partei Italiens 1922 angenommen wurde und als „Thesen von Rom“ bekannt ist:

Ein Programm sollte nicht nur die Tendenzen der Entwicklung aufzeigen und die Formen der Durchsetzung unserer eigenen finalen Ziele: es sollte vielmehr die Übergangsziele festlegen, für die wir jetzt die Massen in den Kampf rufen, bei dem es leider noch nicht um die Eroberung der Mehrheit der Arbeiterklasse  geht.

Ein paar Jahre später, 1930, schloss sich eine kleine, anfängliche Gruppe von Gründer*innen und Anführer*innen der Kommunistischen Partei Italiens der Internationalen Linken Opposition an, dem bolschewistischen Flügel, der gegen die Degeneration der Kommunistischen Internationale kämpfte: eine großartige Gelegenheit, revolutionäre Politik im Spannungsfeld zwischen Faschismus, demokratischen Fragen und sozialistischer Revolution anzuwenden. Die italienische kommunistische Partei „mit der einzigen Ausnahme Gramscis“, erinnert sich Trotzki, hatte den Aufstieg zur Macht des Faschismus nicht für möglich gehalten, ausgehend von einer oberflächlichen Analyse dieses politischen Phänomens. Im Gegenteil war es Aufgabe der Revolutionär*innen zu verstehen welche Forderungen und Ziele im Rahmen des Sturzes des faschistischen Regimes ermöglicht hätten, den antifaschistischen Kampf und Aufstand in eine soziale Revolution zu verwandeln, ohne sich auf die Ausrufung einer bürgerlichen „Demokratie“ zu beschränken… also genau das, was die KPI unter Togliatti tat. So ging Trotzki damit um:

Lehnen wir Kommunisten von vornherein jede demokratische Forderung, jede Übergangsforderung oder Vorbereitung ab, um nur die Diktatur des Proletariats zu fordern? Das würde nur ein eitles, doktrinäres Sektierertum beweisen. Wir glauben für keinen Augenblick, dass ein einfacher revolutionärer Ansturm ausreicht, um die Kluft zu überbrücken, die das faschistische Regime von der proletarischen Diktatur trennt. Wir leugnen keinesfalls die Übergangsphase mit ihren Übergangsforderungen, einschließlich den demokratischen Forderungen. Aber es ist genau mit Hilfe dieser Übergangsforderungen, die immer Ausgangspunkt des Wegs zur Diktatur des Proletariats sind, mit denen die kommunistische Avantgarde die gesamte Arbeiterklasse gewinnen muss, damit diese dann die ausgebeuteten Klassen der Nation um sich vereinen kann.

Die Diktatur des Proletariats kann den Volksmassen nicht aufgezwungen werden. Man kann sie nur durch den Kampf – bis zum Schluss – für alle Übergangslosungen, die Forderungen und Notwendigkeiten der Massen und an der Spitze der Massen umsetzen.

Heute befinden wir uns nicht in einem Italien unter faschistischer Diktatur. Aber in unserem Land, wie auch auf internationaler Ebene, ist die Verteidigung eines Übergangsprogramm, welches die demokratischen Fragen aufnimmt und wieder aktuell macht, ohne sie von den anderen getrennt zu halten, vollständig gültig, und sie ist es auch, weil wir nicht einen bürokratischen und von oben diktierten Sozialismus fordern, sondern einen Sozialismus auf der Grundlage der Selbstorganisation der Massen, der Demokratie der in Räten versammelten Arbeiter*innen und Massen.

 Schaue hier den Beitrag von Giacomo Turci im Video:

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