Tropischer Protest gegen Ausgliederung am Botanischen Garten Berlin
Arbeiter*innen am Botanischen Garten sind weiterhin von Entlassungen bedroht. Protestiert wird bei den "Tropischen Nächten". Und der regierende Bürgermeister Michael Müller bekommt ein Bäumlein.
Die „Tropischen Nächte“ in Berlins Botanischem Garten finden im Winter jedes Wochenende statt. Während draußen Schnee fällt, ist es unter der Glaskuppel schön warm. Unter den Palmen gibt es fruchtige Cocktails und Musik von einer Salsa-Band. Und da es sich um eine wissenschaftliche Einrichtung handelt, finden auch kleine Vorträge über Pflanzen statt.
Aber eine Gruppe kann diese netten Veranstaltungen nicht genießen: die Beschäftigten. Zum ersten Mal wurde die Arbeit per Werkvertrag an eine Fremdfirma vergeben. Für die Arbeiter*innen im hauseigenen Besucher*innenservice bedeutet das eine schlagartige Reduzierung ihrer Arbeitszeit.
Mit einem Vollzeitjob verdienen sie nur noch 980 Euro netto. Wer damit eine Familie ernähren will, muss beim Jobcenter aufstocken. Deswegen sind praktisch alle auf Überstunden angewiesen. Doch seit Anfang 2016 bekommen sie keine mehr zugeteilt. Sylvia Bayram von der Berliner Aktion gegen Arbeitsunrecht meint dazu: „Der Betrieb will die Kollegen offenbar rausekeln.“
Am Eingang zum Gewächshaus verteilten Bayram und weitere Aktive am vergangenen Wochenende Flyer. „Lohndumping unter Palmen“ ist darauf zu lesen. Besucher konnten ankreuzen, ob sie den Einsatz von Werkvertrags- und Leiharbeitsfirmen im Garten fair finden. „Wie überall“ beschwert sich ein Besucher, nachdem er sich über die Arbeitsbedingungen informiert hat. Doch anders als in der Privatwirtschaft ist es hier ein Landesbetrieb, der aus Steuermitteln finanziert wird.
Seit Jahren schwelt ein Konflikt beim Garten, der zur Freien Universität Berlin gehört. 2007 gründete die FU ein Tochterunternehmen. Die Beschäftigten, die in die „Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum“ (BG BGBM) wechseln mussten, bekommen nur 8,50 bis 11,64 Euro brutto pro Stunde und damit um bis zu 73 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen, die noch direkt bei der Freien Universität (FU) angestellt sind. Letztere verdienen nach dem Tarifvertrag für Landesbeschäftigte.
Ende 2015 verkündete die Geschäftsführung der BG BGBM, dass Besucher*innenservice, Technik und Reinigung an Fremdfirmen vergeben werden sollen. Nach Protesten beim Kuratorium der FU wurde diese Entscheidung vertagt. Doch die damit verbundenen 31 betriebsbedingten Kündigungen sind nicht vom Tisch. Außerdem scheint die Auflösung des Bereichs Reinigung zum 1. April schon beschlossen zu sein. Dabei bekommen viele Kolleg*innen bereits jetzt nur den gesetzlichen Mindestlohn. Keine Firma könnte also ein legales Angebot machen, das billiger wäre.
„Hier geht es nicht in erster Linie um Spareffekte“, meint denn auch Claudius Naumann vom Personalrat der FU. „Hier geht es vor allem um Macht“, sagte er im Gespräch. Tatsächlich hat die neoliberale Unileitung in den letzten Jahren immer neue Möglichkeiten ersonnen, Mitbestimmung und Tarifverträge zu unterlaufen.
Seit Jahren werden auch Zuschläge für Überstunden nicht, wie im Rahmentarifvertrag vorgesehen, ausgezahlt. Aktuell wird vor Gericht darüber gestritten. Vor diesem Hintergrund wirkt die Überstundensperre wie eine Strafaktion. Nach dem Motto: Wenn man die Leute nicht rauswerfen kann, dann immerhin aushungern. Der Betriebsratsvorsitzende Lukas S. nannte es „sehr ungewöhnlich, dass wir uns als Betriebsrat gegen die Eindämmung von Überstunden wehren müssen“. Doch die niedrigen Löhne im Besucher*innenservice ließen vielen Kolleg*innen keine andere Wahl, um über die Runden zu kommen.
Am Dienstag stand S. mit Kolleg*innen und Unterstützer*innen vor dem Rathaus Steglitz, wo der Berliner Senat tagte. Dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) überreichte er einen Pfennigbaum als Symbol der Forderung nach fairen Löhnen.
Inzwischen sind auch Studierende auf die Situation aufmerksam geworden. Es ist also damit zu rechnen, dass die „Tropischen Nächte“ in den nächsten Wochen nicht nur von Freunden der Pflanzen, sondern auch von Freunden guter Arbeitsbedingungen besucht werden.