Transgender Day of Visibility: Widerstand leisten, Befreiung erkämpfen

27.03.2025, Lesezeit 10 Min.
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„Proud and Trans“ auf der Queer Pride in München 2024. Foto: Ricarda Julia (KGK).

Die internationale Rechte befindet sich auf dem Vormarsch. Dabei spielen ihre transfeindliche Hetze und Politik eine große Rolle. Was können wir dagegen tun?

Seit 2009 findet jedes Jahr am 31. März der Transgender Day of Visibility (TDoV) statt, der an die Erfolge von trans und nicht-binären Personen im Kampf um Gleichberechtigung erinnert sowie immer noch bestehende Aspekte der Diskriminierung hervorhebt. Seit der Wiederwahl Donald Trumps zum Präsidenten nehmen die Angriffe auf die Rechte von queeren Personen in den USA massiv zu: Derzeit werden landesweit rund 806 Gesetzesentwürfe geprüft, die sich negativ auf die Lebenssituation von trans Personen auswirken würden – zehn Jahre zuvor, das heißt in 2015, waren es lediglich 21, was einem Anstieg um 3.738 Prozent entspricht. Zu einer der ersten Amtshandlungen Trumps gehörte der Erlass eines Dekrets, demzufolge es in den USA nur noch männlich und weiblich als Geschlecht gibt und zwar basierend auf dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht. Gestrichen wird damit beispielsweise das „X“, das trans und nicht-binäre Personen in Pässen und anderen Dokumenten eintragen lassen konnten. Das Auswärtige Amt passte daraufhin seine Reise- und Sicherheitshinweise für die USA an: trans, nicht-binären und inter Menschen wird geraten, sich vor der Einreise an die zuständige Auslandsvertretung der USA in Deutschland zu wenden.

Darüber hinaus strich Trump die Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion. Behörden wurden außerdem angewiesen, sämtliche Erklärungen, Vorschriften, Formulare, Mitteilungen und interne wie externe Nachrichten zu entfernen, die eine angebliche „Gender-Ideologie“ fördern oder vermitteln würden. Seine Anordnungen dienten Trump zufolge dem Schutz von Frauem, seine Administration habe sich der Verteidigung der Rechte der Frauen verschrieben, die von trans Frauen bedroht würden. Trump bedient sich hier eines beliebten Narrativs von Rechten und Konservativen, die unterstellen, trans Frauen seien Männer, deren einziges Ziel darin bestünde, in Frauenhäuser, Frauentoiletten und weitere Schutzräume einzudringen und (sexuelle) Gewalt zu verüben. Jenes „Argument“ entbehrt jeglicher Grundlage, insofern trans Frauen keine Männer sind und Männer, die Frauen missbrauchen wollen, dies tun können, ohne in irgendeiner Weise vortäuschen zu müssen, trans zu sein.

Dass diese Transfeindlichkeit nicht nur für trans und nicht-binäre Personen zur Gefahr wird, zeigte eine an Absurdität kaum zu übertreffende Behauptung Trumps in Bezug auf die von Elon Musk, der seine eigene Tochter für tot erklärte – wobei diese wiederum den Kontakt zu ihrem Vater abbrach und ihn ein „lächerliches Mannskind“ nannte –, geführte Regierungsstelle DOGE (Department of Government Efficiency). Das Department habe aufgedeckt, dass die Regierung von Joe Biden acht Millionen Dollar dafür ausgegeben hätte, Mäuse trans werden zu lassen. Es wird vermutet, dass der Wahnsinn der Trump Regierung, Begriffe in Zusammenhang mit Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion auszumerzen, zu Gesundheitsstudien mit „transgenen“ Mäusen führte – Forschungen zu Asthma und Krebs mit transgenen (engl.: transgenic) Mäusen, nicht „transgender Mäusen“. Musks Department dient dazu, Mittel und Gelder zu kürzen beziehungsweise ganz zu streichen. Dieses Beispiel dürfte mehr als verdeutlichen, dass die Konsequenzen dieser wahnhaften Transfeindlichkeit die gesamte Gesellschaft betreffen könnten.

Auch wenn die Angriffe auf die Rechte von trans und nicht-binären Personen unter der neuen Trump-Regierung derzeit besonders drastisch sind, beschränken sie sich nicht auf die USA. Als etwa in Hamburg eine Unterkunft für queere Geflüchtete errichtet werden sollte, sind Anwohner:innen auf die Stadt zugegangen und haben die Errichtung verhindert. Stattdessen werden dort nun alleinerziehende Frauen mit Kindern untergebracht. Obwohl es sich bei queeren Geflüchteten um Menschen handelt, die in besonderer Weise von Unterdrückung und der Gefahr von Angriffen betroffen sind, machten die Anwohner:innen ausgerechnet angebliche Sicherheitsbedenken zu ihrem Widerspruchsgrund, da es vor der Unterkunft zu Protesten und Angriffen kommen könne. Carola Ensslen, queerpolitische Sprecherin bei der Linkspartei in Hamburg, betrachtet dies als vorgeschoben; vielmehr verberge sich hinter „scheinbar fürsorglichen Argumenten eine ausländerfeindliche Haltung“. Es komme ihr so vor, als seien queere Geflüchtete schlichtweg nicht erwünscht.

Im Vorfeld der Bundestagswahl machte unter dem Hashtag #WasIstEineFrau eine Kampagne aus Kreisen der „Trans Exclusionary Radical Feminists“ (TERFs) die Runde. Die Frage, die von vermeintlichen Feminist:innen gestellt wird, zielt darauf ab, Geschlecht allein auf die Reproduktionsfunktion zu reduzieren und eine strikte Zweigeschlechtlichkeit zu behaupten und damit die Existenz von trans, inter und nicht-binären Personen entweder als Abweichung oder pure Einbildung zu diskreditieren – entgegen anderslautender wissenschaftlicher Erkenntnisse. Auch Friedrich Merz bediente sich im Wahlkampf queerfeindlicher Positionen: Ginge es nach CDU und CSU würde das erst letztes Jahr in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz sofort wieder abgeschafft werden. Wenngleich sich dies nicht so einfach umsetzen lassen würde, wie von der Union behauptet, besteht hier dennoch eine Kontinuität hinsichtlich eines rechten Kulturkampfes, wie er eben auch von Trump, Musk & Co. geführt wird.

Der Widerstand gegen Transfeindlichkeit ist international

Transfeindlichkeit ist international, aber genauso ist es auch der Widerstand dagegen. Jedes Jahr gehen am TDoV hunderttausende Menschen weltweit auf die Straße.

In den USA wendeten sich diese Woche Protestierende mit einer großen Demo an der Greely High School gegen Trumps Versuch, trans Athlet:innen aus dem Highschool-Sport auszuschließen. So heißt es in einem Bericht: „Eltern, Schüler:innen und trans-Allys, die Schilder mit der Aufschrift ‚Support Trans Youth‘ trugen, versammelten sich, um den Schulbezirk und den Bundesstaat aufzufordern, trotz der gezielten Maßnahmen und des Drucks von außen, sich zu ändern, die integrative Politik von Maine beizubehalten und die trans Gemeinschaft im Allgemeinen weiterhin zu unterstützen. Die Bundesregierung hat Maine eine Frist von etwas mehr als einer Woche gesetzt, um entweder der Forderung nachzukommen oder den Verlust von Millionen an Bundesmitteln zu riskieren.“

In Frankreich hat im vergangenen Jahr eine beispiellose Mobilisierung für Transrechte stattgefunden, die auch von den sozialistischen Feminist:innen von Du Pain et Des Roses mit inittiert wurde. In mehr als 45 Städten gingen Zehntausende auf die Straßen, um sich gegen geplante Einschränkungen von Maßnahmen der medizinischen Transition zu wenden und stattdessen für eine kostenlose und frei zugängliche Gesundheitsversorgung für trans Personen zu positionieren.

In Argentinien gingen Anfang Februar Hunderttausende für die Verteidigung queerer Rechte auf die Straße, „eine klare Botschaft der Ablehnung des Machismo und der Hassreden als Staatspolitik“. Eine Qualität der Mobilisierung war es, dass sie sich auch mit dem Kampf von Beschäftigten eines Krankenhauses verband. Dort sollen über 200 Kolleg:innen entlassen werden, als Resultat von Javier Mileis neoliberaler Politik. Das Bonaparte Krankenhaus gehört zu den drei Gesundheitszentren, welche über 70 Prozent der Leistungen für trans Gesundheit durchführen. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, den Widerstand von queeren Bewegungen und Arbeitskämpfen gegen die Regierungen zusammenzuführen.

Rechtsruck zurückschlagen

Wer den „Diskurs“ in der bürgerlichen Presse und auf einschlägigen Social-Media-Plattformen auch nur am Rande verfolgt, dem wird schnell auffallen, dass es allen voran eine Gruppe ist, die am häufigsten und lautesten über Transidentität und Nichtbinarität spricht: Konservative und Rechte. Kürzlich beschwerte sich Trump, dass alles und jeder transgender sei und er deshalb die Wahl mit Rekordergebnissen gewonnen hätte. Sicherlich lässt sich mit diesem Thema derzeit relativ einfach hetzen, doch wäre es verkürzt, hier allein Populismus verantwortlich zu machen.

Transfeindlichkeit ist in das Herz des Kapitalismus gebrannt: Queere Personen sprengen zumeist das Konzept der bürgerlichen, patriarchal organisierten Kleinfamilie, die von einem binären Geschlechterbild und einer sexistischen Rollenverteilung, wie, dass Reproduktionsarbeit zumeist von weiblichen Personen übernommen wird, lebt. Sie ist ein zentraler Baustein der kapitalistischen Gesellschaft und deren wirtschaftlicher und sozialer Struktur.

Aktuell kommt es vorangetrieben durch Trump, Merz und Co. zu einem Comeback klassischer patriarchaler Strukturen in Beziehungen und Familien. Dafür sind zum einen wirtschaftliche Krisen, aber eben auch eine zunehmende internationale Militarisierung ausschlaggebend. Beispielsweise soll, weil es gut für die Wirtschaft sei, die Geburtenrate angekurbelt werden; dafür werden queere Menschen und Partnerschaften, weil sie angeblich nicht in der Lage seien, Kinder zu bekommen beziehungsweise zu erziehen, immer wieder abgewertet. Um die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten, muss der kapitalistische Staat queere Personen ausgrenzen oder aber sie bis zu einem gewissen Grad tolerieren und in das System integrieren.

Weiterhin dienen Queerfeindlichkeit und Sexismus, das heißt Formen der Unterdrückung, der Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Dies liegt mitunter im Interesse der Kapitalist:innen, da es den vereinten Kampf der gesamten Klasse verhindert. Es ist also kein Zufall, dass die Rechte queerer Menschen in einer Zeit, in der die Krisen des Kapitalismus stärker offensichtlich werden und es daher vermehrt zu Phänomenen des Klassenkampfes kommt, umso härter bekämpft werden. Es ist daher notwendig, dass Kämpfe gegen verschiedene Formen der Unterdrückung und damit gegen die Spaltung von der gesamten Arbeiter:innenklasse zusammengeführt werden.

Für uns ist der Kampf von trans und queeren Personen von immenser Bedeutung. Die Angriffe auf trans Personen zielen darauf ab, nicht nur queere, sondern alle Menschen an ein konservatives und patriarchales Weltbild anzupassen, in dem klar definiert ist, dass es nur zwei Geschlechter gibt und wie diese zu sein haben. Es geht bei diesem Kampf also nicht nur um „die Rechte einer Minderheit“, sondern auch um die kollektive Befreiung von einem System, welches uns die Bestimmung über unsere Körper nimmt, uns in konservative Rollenbilder hinein presst und vieles mehr. Der Großteil der trans und queeren Personen ist Teil der Arbeiter:innenklasse und wird mitunter besonders stark ausgebeutet. Trans Personen haben es schwerer, einen Job zu finden, sind häufiger von extremer Armut sowie Obdachlosigkeit betroffen oder werden schlechter bezahlt als ihre cis Kolleg:innen, um nur einige Beispiele zu nennen. Wenn wir dafür kämpfen, dass unsere Arbeitsplätze Orte sein sollen, an denen wir als Beschäftigte das Sagen haben, an denen wir nicht länger zu niedrigen Löhnen für Superreiche schuften, an denen wir frei von Diskriminierung sind, dann ist der Kampf für die Rechte und Interessen von trans Personen ein wichtiger Teil dieses Kampfes der Emanzipation der Arbeiter:innenklasse. Das wollen wir in Kämpfen am Arbeitsplatz, wie Streiks und Versammlungen, in den Betriebsgruppen und Gewerkschaften deutlich machen: Die Arbeiter:innenbewegung muss den Kampf für eine queere Befreiung als eine zentrale Aufgabe aufnehmen.

Unser Weg zur Befreiung ist also kein individueller. Ein Rückzug in vermeintliche Safe Spaces, die es im Kapitalismus ohnehin nicht gibt, ist eine Sackgasse, die letztendlich in der eigenen Bubble und in Isolation endet. Rechtsruck, Aufrüstung und Militarismus bedeuten eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse von queere Personen sowie der gesamten Arbeiter:innenklasse.

Daher braucht es jetzt Mobilisierungen sowie eine Verbindung und Politisierung bestehender Kämpfe. Wir wollen als Klasse Gegen Klasse unter anderem folgende Forderungen in diesen und an den Orten, an denen wir aktiv sind – wie den Unis und Betrieben –, stark machen:

– Echte Selbstbestimmung jetzt! Volle Rechte über Körper und Geschlecht! Kostenfreie und unbürokratische medizinische Versorgung bei Geschlechtsangleichung!

– Weg mit Paragraph 218!

– Für ein Gesundheitssystem ohne Profite und die Enteignung von Pharmakonzernen, da sie nicht im Interesse der Gesundheit von trans Personen funktionieren!

– Stoppt die Morde und Gewalt gegen trans Personen! Selbstschutz organisieren statt auf den Staat vertrauen!

– Offene Grenzen und gleiche Rechte für alle! Queere Befreiung geht Hand in Hand mit dem Kampf gegen Rassismus!

– Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, keine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt!

– Enteignung von Wohnungskonzernen, um die häufige Obdachlosigkeit und Prekarität von trans Personen zu beenden!

– Keine Kriminalisierung von Sexarbeitenden, sondern Kampf gegen die Ursachen, die viele trans Personen dazu zwingen, und Förderung der gewerkschaftlichen Organisierung!

– Für eine Aufklärung in Betrieben und Schulen, die weder Geschlecht noch Sexualität diskriminiert!

Ihr wollt mehr mit uns zu den Rechten von trans und nicht-binären Personen und Perspektiven für eine echte queere Befreiung diskutieren? Dann kommt gerne zu folgenden Veranstaltungen:

Kundgebung zum Trans Day of Visibility München: 29. März, 15 Uhr, Gärtnerplatz (München)

Kundgebung zum Trans Day of Visibility Berlin: 31. März, 17 Uhr, Mariannenplatz (Berlin)

Diskussionstreffen „Feministisch gegen Krieg“: 2. April, 18 Uhr, Kulturzentrum Paradox (Bernhardstraße 12, Bremen)

Brot und Rosen Lesekreis: 2. April, 18 Uhr, Leviné (Astallerstraße 11, München)

Offene feministische Versammlung von „Grenzenlos Feministisch“: 3. April, 19 Uhr, EineWeltHaus (Schwanthalerstraße 80, München)

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