Toter durch Polizeigewalt in Leipzig

08.09.2022, Lesezeit 3 Min.
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Foto: Nehris/Shutterstock

Am gestrigen Mittwoch hat die Polizei im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung einen 36-jährigen Mann erschossen. Der Vorfall ereignete sich im Leipziger Stadtteil Paunsdorf. Er reiht sich damit ein in mehrere Fälle tödlicher Polizeigewalt in den letzten Wochen.

Die Leipziger Polizei hat gestern Abend einen weiteren Todesfall durch Polizeigewalt verkündet: Im Kontext einer Razzia in der Wohnung eines 36-Jährigen, sei es zu einer “bedrohlichen Einsatzlage” und zu “Schusswaffenanwendung” durch die Beamt:innen gekommen. Der Grund für den Einsatz waren “Raubdelikte in einem Einkaufsmarkt, denen sich der 36-Jährige am selben Tag verdächtig gemacht hatte”. Nach schweren Verletzungen vor Ort verstarb der Mann wenig später im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft und Polizei selbst kündigen “intensive Ermittlungen zur Aufklärung der Umstände des Geschehens“ an, die auch den Anfangsverdacht eines Tötungsdeliktes gegen die eingesetzten Polizist:innen beinhalten.

Polizeigewalt in Deutschland

Was die Pressestelle der Polizei mit den gehässigen und irreführenden Worten “Polizeieinsatz in Wohnung – Mann verstorben” betitelt, ist ein weiterer Fall in der jüngst angestiegenen Welle von tödlicher Polizeigewalt in Deutschland. Nachdem vor kurzem, binnen einer Woche, vier Menschen durch die Polizei zu Tode gekommen sind, darunter der erst 16-jährige Geflüchtete Mouhamed D., fordert die Polizei nun ein weiteres Opfer. Das ist kein Einzelfall: Seit der deutschen Wiedervereinigung sind laut CILIP mindestens 317 Menschen durch Polizeischüsse verstorben. Die Copservation Chronik zu Polizeiverhalten dokumentiert zusätzliche 869 Fälle von Polizeivergehen seit 1990, wobei es sich nur um in Medien behandelte Nachrichten handelt. Die Dunkelziffer wird um ein Vielfaches höher sein.

Die Polizei ist bekannt dafür, in angespannten Situationen inkompetent und exzessiv zu handeln. Gerade Linken ist dieser Umstand beispielsweise aus Demo- und Streikerfahrungen allzu bekannt. Auch im Umgang mit psychischen Erkrankungen zeigen sich die Beamt:innen meist uneinsichtig, unsensibel und gewaltbereit, wie bei der Tötung von Mouhamed D. Im akuten Fall beweist die Polizei abermals ihren Hang zum Exzess, indem sie einen Menschen wegen eines in Armut gründenden Delikts erschießt. Die Polizei tötet, um Eigentum zu schützen.

Mangelnde Aufklärung

Die Hoffnungen, dass dieses und vergleichbare Ereignisse restlos aufgeklärt und Konsequenzen folgen werden, halten sich in Grenzen. Wie meistens drohen die Ermittlungen im Sande zu verlaufen. Denn: Es mangelt an einer unabhängigen Beschwerdestelle gegen die Polizei, wie zahlreiche Menschenrechtsorganisationen seit Jahren fordern. Trotz zahlloser Vorfälle und einhergehender Debatten zu polizeilichem Fehlverhalten, wie zum Beispiel dem massenhaften Rechtsextremismus in der Polizei, gibt es eine solche nicht. Solange Polizist:innen gegen Polizist:innen ermitteln sollen, welche ihrerseits von weiteren Polizist:innen gedeckt werden, kann keine vollumfängliche Aufklärung passieren.

Linke Antworten auf das Polizeiproblem

Als Linke stellen wir uns entschlossen gegen jegliche Polizeigewalt. Die Polizei tritt als Verteidigerin des kapitalistischen Staates auf, um die Interessen der Besitzenden durchzusetzen – meist einfach mit Dienstausweis und Druckpapier, aber bei Bedarf auch mit Gewalt und Waffen. Dabei sind ihnen kritische Stimmen ein Dorn im Auge. Außerdem treffen die in der Klassenstruktur bedingten rassistischen, sexistischen, oder anderweitig diskriminierenden Ideologien in ihren reaktionären Reihen auf besonders fruchtbaren Boden. Als Ausgeburt und Verteidigerin dieser Verhältnisse ist die Polizei nicht reformierbar. Es gibt keine “guten” Cops. Ursachenbekämpfung statt mehr Polizei! Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Freund:innen des Getöteten.

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