tjfbg: Union Busting und Diskriminierung

17.02.2024, Lesezeit 8 Min.
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Kundgebung anlässlich des ersten Gerichtstermins im Rechtsstreit von Inés gegen die tjfbg. Foto: Maxi Schulz/KGK

Die Technische Jugend- und Freizeitbildungsgesellschaft gGmbH (tjfbg) inszeniert sich nach außen als guter und sozialer Arbeitgeber. Viele (ehemalige) Beschäftigte sehen das anders. Denn hinter der Fassade steckt vor allem eins: Union Busting.

Im Sommer 2023 wurde der Schulsozialarbeiterin und KGK-Redakteurin Inés Heider fristlos gekündigt. Sie hatte ihre Kolleg:innen in einer internen Mail auf eine Kundgebung gegen die geplanten Kürzungen in Berlin-Neukölln hingewiesen und auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, einer Gewerkschaft beizutreten und eine Betriebsgruppe zu gründen. Gegen diesen Angriff gegen Inés, die Sprecherin der jungen GEW Berlin ist, hat sich ein Solidaritätskomitee gebildet, das ihre Wiedereinstellung fordert, aber auch auf Kürzungen in der Bildung und im Sozialen anklagt. Die politische Kündigung der aktiven Gewerkschafterin ist ein Fall von Union Busting. Über 2.000 Gewerkschafter:innen, Pädagog:innen und solidarische Unterstützer:innen haben die Petition für eine Rücknahme der Kündigung unterschrieben. Unter den Unterzeichner:innen finden sich auch Bundestagsabgeordnete wie Bernd Riexinger (DIE LINKE), und Sevim Dağdelen (Bündnis Sahra Wagenknecht), sowie der Berliner Landtagsabgeordnete Ferat Koçak (DIE LINKE). Die Petition wurde Thomas Hänsgen, dem Geschäftsführer von dem Träger, der Inés gekündigt hat, übergeben. Zusätzlich geht Inés gerichtlich gegen ihre Kündigung vor. 

Wer ist die tjfbg?

Eigentlich sollte man meinen, dass der Träger, bei dem Inés gearbeitet hat, die Technische Jugend- und Freizeitbildungsgesellschaft gGmbH (tjfbg) ebenfalls ein Interesse an Mobilisierungen gegen die Sparpolitik haben sollte. Schließlich erschweren Kürzungen im Sozialen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und führen auch dazu, dass die jungen Menschen in einer schlechteren Situation leben. Der tjfbg gibt sich als sozialer Träger, dem das Wohl der Menschen und qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit am Herzen liegt. So heißt es auf der Website: „Wir fördern Inklusion und pflegen einen regen Wissensaustausch nach außen: mit Fachleuten wie mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft gleichermaßen – sowohl in Deutschland als auch in Europa und der Welt. Aber auch nach innen: mit unseren Mitarbeitern und Fachkräften. Diese gelebte und konstruktive Unternehmenskultur prägt uns seit über 30 Jahren.“ 

Der tjfbg ist vor allem in Berlin tätig und betreibt dort einige soziale Einrichtungen, wie Stadtteilzentren, Kitas oder Jugendclubs. Einen Schwerpunkt hat der Träger in der Arbeit an Schulen. Verschiedene Schulen kooperieren mit dem Träger, der unter anderem Erzieher:innen und Schulsozialarbeiter:innen wie Inés an Schulen entsendet. 

Die Gesellschaftsform des tjfbg ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das klingt erstmal so, als sei er den Menschen und der Gemeinschaft verpflichtet, im Gegensatz zu profitorientierten GmbHs. Jedoch ist es nicht so, dass gGmbHs von Profitstreben und (zum Teil selbstauferlegten) Sparzwängen befreit wären. So machte der tjfbg im Jahr 2021 rund 6 Millionen Euro Gewinn, im Jahr 2022 über 69 Millionen Euro Umsatz. Der Umsatz bezeichnet hierbei die Geldsumme, die der Träger einnahm und der Gewinn die Summe, die nach Abzug der Kosten wie Mieten, Material und Mitarbeiter:innengehälter übrig ist. Also eine ganz schön hohe Summe. Das Steuerrecht sagt Folgendes über die Gemeinnützigkeit: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“ Gemeinnützige Firmen müssen ihre Gewinne also für gemeinnützige Zwecke verwenden. Deshalb müssen sie viel weniger Steuern zahlen als konventionelle Firmen. Diese gemeinnützigen Zwecke beinhalten zum Beispiel die Förderung der Jugend- und Altenhilfe, von Kunst und Kultur, Forschung oder sogar der Religion. Es ist nicht genau festgelegt, wohin diese Gelder fließen müssen. Theoretisch könnte man also auch selber Forschung betreiben und diese über die Gewinne der gGmbH finanzieren. Zudem ist es auch Auslegungssache, was der Gesellschaft dient und was nicht. Die Gemeinnützigkeit einer gGmbH wird durch das Finanzamt geprüft. 

Thomas Hänsgen, der seit 1991 Geschäftsführer des tjfbgs ist, hat ebenfalls einen Lehrauftrag an der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP). Er ist Mitglied des Landesjugendhilfeausschusses von Berlin und des Jugendhilfeausschusses von Berlin-Mitte. Jugendhilfeausschüsse legen unter anderem fest, welche Bedarfe in der Jugendhilfe existieren und durch welche Projekte ihnen begegnet werden soll. Zudem ist Hänsgen Teil des Fachbeirats Inklusion der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Auch ist er Mitglied im Stiftungsrat der Jugend- und Familienstiftung. Hänsgen hat also einen nicht zu unterschätzenden politischen Einfluss auf die Finanzierung der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. 

Mitarbeiter:innen äußern deutliche Kritik

Der tjfbg versteht sich als „innovativer Arbeitgeber, der engagierten Mitarbeitern den Raum gibt, sich selbst und ihre Ideen produktiv zu entfalten“. Das Engagement hat aber offensichtlich gewisse Grenzen, die nicht überschritten werden sollen, wie der Fall von Inés zeigt.

„Wir schätzen Vielfalt in unserem Unternehmen und unterstützen Bewerbungen von Menschen unabhängig von Geschlecht und Alter, Behinderung, sexueller Orientierung, Religion, Familienstatus, Geschlechtsidentität oder Herkunft.“ Dieser Satz, den man auf der Homepage des tjfbg bei den Stellenangeboten lesen kann, habe sich laut einer ehemaligen Mitarbeitenden, die mit Klasse Gegen Klasse sprach, nicht in der Praxis des Trägers niedergeschlagen: „Ich habe beim tjfbg gearbeitet und war in einer Schule angestellt. Die Schulleitung tätigte über mich eine diskriminierende Aussage: Mit meiner feministischen Mädchenarbeit würde ich Freundinnen unter den Kindern suchen, weil ich lesbisch sei. Ich habe den Träger direkt informiert und mir wurde Rückhalt seitens meines Vorgesetzten zugesichert. Es dauerte über fünf Wochen, bis sein Vorgesetzter ein Gespräch mit der Schulleitung suchte. In dieser Zeit war ich immer wieder krank, habe psychosomatisch reagiert.“

Die ehemalige Mitarbeiterin habe sich in dem Zeitraum vom Träger „im Stich gelassen“ und „nicht ausreichend geschützt“ gefühlt. In einem Mitarbeiter:innengespräch sei die Schulleitung von ihrem Vorgesetzten bei der tjfbg in Schutz genommen worden – da es sich um ein Missverständnis handele. Als wäre es nicht genug, dass offen queerfeindliche Diskriminierung kleingeredet wird, wurde der Kollegin auch noch nahe gelegt, an eine andere Schule zu gehen: „Ich wurde vor die Wahl gestellt, ob ich an der Schule bleiben möchte oder die Schule wechsel. Ich habe daraufhin die Schule verlassen. Damit hat der Träger seinem Auftrag zum Diskriminierungsschutz Rechnung getragen. Ich habe mich mit dem Fall an eine offizielle Anti-Diskriminierungsstelle gewandt. Auch diese schätzte die Aussage als Diskriminierung ein. Gemeinsam reichten wir Beschwerde bei der Schulaufsicht ein. Ohne Erfolg.“

Die Kollegin habe den Eindruck, dass die Kooperationen mit den Schulen dem tjfbg wichtiger sind als das Wohl der Mitarbeiter:innen. Denn durch die Kooperationen bekäme der Träger Geld. Sie habe selbst erlebt, dass die tjfbg einfach hinnahm, dass gesetzliche Vorschriften seitens der Schulleitungen nicht eingehalten wurden. 

Auf dem Online Portal kununu können (ehemalige) Mitarbeiter:innen einer Firma anonyme Bewertungen darüber abgeben, wie sie ihre Arbeit und die Bedingungen dort empfunden haben. Von kununu wird geprüft, ob die betreffenden Personen wirklich dort arbeiten oder gearbeitet haben, um die Seriösität der Bewertungen zu gewährleisten. 

In einer Bewertung heißt es: „Hat Mensch kein Problem, kann er bei diesem Träger bestimmt für eine kleine Weile gut arbeiten. Probleme mit Mitarbeitenden oder dem Arbeitsplatz werden stets im Sinne der Kooperation behandelt. Meist zum Nachteil der Mitarbeitenden. Es gibt eine klare Hierarchie nach altem Top-Down Prinzip. Informationen werden nach meiner Erfahrung nicht adäquat geteilt. Der Wunsch oder die Gier nach Wachstum hat den Träger auf jeden Fall irgendwann mal aufgefressen. Es ist ein Trauerspiel mit anzusehen, wie schlecht tolle MitarbeiterInnen behandelt werden“. Sämtliche Diskriminierungsformen seien den Chef:innen bekannt, jedoch würde nicht diskriminierungssensibel gehandelt, so die:der ehemalige:r Mitarbeiter:in weiter.

Dies alles zeigt, dass gGmbHs nicht nur der Allgemeinheit dienen. Auch handelt die tjfbg nicht im Interesse ihrer Beschäftigten und im Fall von Inés auch nicht im Interesse der Kinder. Junge Menschen sollten ermutigt werden, sich Meinungen zu verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Themen zu bilden. Zudem sollten sie bestärkt werden, sich für ihre Rechte und Überzeugungen einzusetzen. Was für ein Signal sendet es, wenn ihre Schulsozialarbeiterin gekündigt wird, nachdem sie sich gegen die Kürzungen und für gewerkschaftliche Organisierung ausgesprochen hat? 

Am 17. April ist der nächste Gerichtstermin von Inés im Rechtsstreit gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber. Kommt um 11 Uhr zum Arbeitsgericht Berlin (Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin) um zu zeigen, dass wir gemeinsam mit Inés gegen ihre Kündigung, gegen Union Busting und Einsparungen im Sozialen kämpfen.

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