Therapeut*innen streiken in Berlin: Gleiches Geld für gleiche Arbeit!
Am Berliner Universitätsklinikum Charité sind die Physio- und Ergotherapeut*innen über eine ausgegliederte Tochterfirma beschäftigt. Am Montag hatten sie ihren ersten Warnstreik für Tariflöhne.
Wer sind die 70 Menschen, die mit wehenden Fahnen vor der Charité herumschreien? Die Antwort auf diese Frage rufen sie immer wieder: „Wir sind die Ergos, Masseure, Therapeuten. Wir streiken heute, weil sie uns ausbeuten!“
Am gestrigen Montag sind die Physio- und Ergotherapeut*innen vom Berliner Universitätsklinikum in einen ganztägigen Warnstreik getreten. Die Beteiligung an dieser ersten Arbeitsniederlegung war riesig: Rund 70 Kolleg*innen streikten mit, während schätzungsweise nur 30 oder 40 weiter schufteten.
„Wir haben Rambazamba gemacht“, erklärt Marzena Manske stolz. Als Mitglied der ver.di-Tarifkomission zeigte sie sich „positiv überrascht“ von der hohen Beteiligung. Seit einigen Jahren kämpfen Kolleg*innen dafür, dass alle Therapeut*innen gleiches Geld für gleiche Arbeit erhalten – und diese Mobilisierungsarbeit zahlt sich nun aus.
Seit 2011 sind die Therapeut*innen an der Charité ausgegliedert. Laut ver.di-Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel war das Outsourcing illegal, weil das Berliner Abgeordnetenhaus nicht befragt wurde. Heute haben manche Kolleg*innen noch einen Arbeitsvertrag mit der Charité und verdienen deswegen Tariflöhne – andere sind bei der hundertprozentigen Charité-Tochterfirma CPPZ angestellt und bekommen mehrere hundert Euro weniger. Alle machen genau den gleichen Job. Deswegen riefen die Streikenden immer wieder: „Zweierlei Lohn – was für ein Hohn!“
Viele junge Beschäftigte haben nur befristete Arbeitsverträge. Manske ist beeindruckt, dass viele von ihnen ihre Angst überwinden und am Streik teilnehmen können. „Da muss man sich zweimal überlegen, ob man rausgeht“, erklären zwei junge Kolleg*innen, die aufgrund ihrer befristeten Verträge anonym bleiben wollen. Sie mussten für die dreijährige Ausbildung rund 15.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen. „Da muss man sich dazu berufen fühlen, Menschen zu helfen“, sagten sie. „Man verdient nicht viel, aber dafür tut man etwas Gutes.“ Therapeut*innen im Krankenhaus sorgen zum Beispiel dafür, dass Patient*innen nach einer Operation wieder auf eigenen Beinen stehen können.
An der Charité hat es in den letzten Jahren zahlreiche Streiks gegeben. Das gesamte Servicepersonal ist in der hundertprozentigen Tochterfirma CFM ausgegliedert. Beim städtischen Krankenhauskonzern Vivantes ist es nicht anders: Hier gibt es auch Tochterfirmen für Therapeut*innen (VTD) und Servicepersonal (VSG), die deutlich unterhalb des Tarifniveaus des Mutterkonzerns verdienen.
„Gegen die Zerstückelung der Charité!“, hieß es auf einem Protestbanner beim gestrigen Warnstreik. Ein Krankenhaus ist eine Belegschaft und braucht einen Tarifvertrag.
Zwei Kräfte könnten etwas gegen diese Zerstückelung tun.
Auf der einen Seite ist der rot-rot-grüne Berliner Senat. Dieser war vor zehn Jahren bereits für das Outsourcing in vielen Berliner Landesunternehmen zuständig. In ihrem aktuellen Koalitionsvertrag haben sie versprochen, dass in landeseigenen Tochterunternehmen Tariflöhne bezahlt werden sollen. Doch in zwei Jahren ist praktisch nichts passiert – im Gegenteil, der Senat hat sich bei verschiedenen Arbeitskämpfen gegen die Umsetzung ihres eigenen Koalitionsvertrags gewehrt.
Auf der anderen Seite ist die Gewerkschaft ver.di, die für das gesamte Personal im Krankenhaus zuständig ist. Die streikenden Therapeut*innen standen heute vor dem Charité-Vorstandsgebäude in Mitte. An der gleichen Stelle protestierten inder Vergangenheit auch Kolleg*innen von der CFM – genauso wie Pfleger*innen bei ihren Streiks für mehr Personal. Doch diese Kämpfe fanden immer getrennt statt. Die privilegierte Bürokratie, die bei ver.di das Sagen hat, wehrt sich gegen die Zusammenführung der Kämpfe, die sich die Basis dringend wünscht.
Deswegen kommt es auf die Kolleg*innen selbst an, sich gegenseitig bei ihren Arbeitskämpfen zu unterstützen und auf gemeinsame Arbeitsniederlegungen hinzuwirken. Die neoliberalen Geschäftsführer*innen tun alles, um die Belegschaften zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Es liegt an uns, mit unseren Kämpfen die nötige Einheit wieder herzustellen.