Tesla vs. Besetzung: Wie Aktivist:innen den Ausbau der Grünheide-Gigafactory bekämpfen

12.03.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Simon Zoll

Seit zwei Wochen harren Waldbesetzer:innen von „Tesla den Hahn abdrehen” in Grünheide bei Berlin aus, um einer Erweiterung des Tesla-Fabrikgeländes entgegenzustehen. Sie kritisieren Wasserverschmutzung und Ausbeutung – und prangern die globale Verkettung der Zerstörung an.

Spätestens seitdem die linke „Vulkangruppe” einen Strommast in Brand setzte und dadurch Teslas sogenannter „Gigafactory”, aber auch den umliegenden Gemeinden, kurzzeitig die Stromversorgung erschwerten, entrüsten sich Medien und Politik unermüdlich über die angeblichen „Öko-Terrorist:innen” in Grünheide. Dabei haben sich die Aktivist:innen von „Tesla den Hahn abdrehen” von der Aktion längst distanziert und mit Recht als strategielos und taktisch unklug erkannt. Ihre Taktik ist die Besetzung.

Mit beeindruckender Schnelligkeit errichteten etwa 80 bis 90 Aktivist:innen in den frühen Morgenstunden des 27. Februars  mehrere hochgespannte Baumhäuser und weitere Infrastruktur, mittlerweile bereits abgesegnet vom Bauamt. Viele von ihnen bringen Erfahrungen aus anderen Besetzungen wie dem Hambacher Forst oder Dannenröder Forst mit.

Die Grünheide-Besetzung erfolgte unmittelbar im Anschluss an die örtliche Bürgerinitiative, die gegen die Erweiterung gestimmt hatte – und von Politik und Konzern ignoriert wurde. Bisher zeigt sich die lokale Bevölkerung über alle Altersgrenzen hinweg sehr solidarisch, bringt Verpflegung und Material vorbei.

Bis Freitag, 15. März, soll die Besetzung noch unter dem Versammlungsrecht geduldet werden – dann wird vermutlich geräumt. Die Polizei hat bereits eine Vermessung der Bauten durchgeführt. Die Besetzer:innen kündigen allerdings an, auch über den 15. März hinaus standzuhalten. 

Politische Rückendeckung für Umweltzerstörung und Ausbeutung

Im Gespräch mit Klasse Gegen Klasse legten die Besetzer:innen dar, wie der enorme Wasserverbrauch der Fabrik die Versorgung von Trinkwasser in der Region gefährdet – auch im nahegelegenen Berlin. Nicht nur verbraucht der Bau von E-Autos und die Verarbeitung von Rohstoffen Unmengen an Litern von Wasser in einem Wasserschutzgebiet, das verschmutzte Wasser fließt auch in die Spree und über Umwege in den Müggelsee. Zudem soll der private Wasserverbrauch der Anwohner:innen ab 2025 rationiert werden, um Kapazitäten für Tesla freizumachen. Dabei überlässt die Lokal- und Bundespolitik die Schadstoffmessungen im Wasser Tesla selbst. Was kann dabei schon schiefgehen? 

Auch sind bereits häufiger größere Mengen von Chemikalien in das Grundwasser geleckt. Der Grünheidener Wald selbst ist wegen seiner mitunter über 100 Jahre alten Bäume und Mischkultur von besonderer Relevanz für den Naturschutz – seine Rodung wäre fatal.

Trotz dieser Kritikpunkte stellt sich die Politik nach wie vor ungebrochen hinter den Tesla-Konzern. Wie ein am Tisch bettelnder Hund verzehrt sich der Brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke nach Elon Musks Aufmerksamkeit, sehnt sich nach prestigeträchtigen Auslandsinvestitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen in der vernachlässigten Region. 

Aber was sind das überhaupt für Arbeitsplätze, die da geschaffen werden sollen? 

Vor allem migrantisierte Menschen werden von Tesla für die Fabrikarbeit angeheuert, viele davon mit Geflüchtetenstatus. So wird für viele der Arbeitsplatz mit ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer gesamten ökonomischen Existenz verknüpft.

Dabei klingen die Beschreibungen der Arbeitsbedingungen und der Bekämpfung der Arbeiter:innenselbstorganisation wie Horrorgeschichten aus dem Frühkapitalismus der USA oder Großbritanniens. 

So ist die Arbeitssicherheit im Werk nicht gewährleistet. Fließbänder sollen mit keinem Sicherheitsstopmechanismus ausgestattet sein und die Unfallrate ist um ein vielfaches höher als in anderen deutschen Autowerken. Verletzte sollen statt per Krankenwagen mit Taxis abtransportiert werden, um so die Unfallstatistik zu schönen. Auch das Lohnniveau bleibt unterdurchschnittlich. 

Zudem lässt das Management die Beschäftigten bespitzeln und überwachen, ob sie sich politisch zum Konzern äußern. Klauseln in den Arbeitsverträgen zwingen die Beschäftigten, möglichst wenig mit Behörden und Presse zu reden – sonst drohen Konsequenzen bis zur Kündigung. Kolleg:innen, die sich organisieren wollen, werden so von der ganzen Bandbreite der US-amerikanischen Union-Busting-Taktiken getroffen. Obwohl diese Vertragsklauseln mit großer Sicherheit rechtswidrig sind, wagt sich keine Behörde an den mächtigen Konzern heran.

Diese Zustände hat auch die Gewerkschaft IG Metall auf den Plan gerufen. Die unterhält am nahegelegenen Bahnhof Fangschleuse ein eigenes Büro – hatten für ein Interview aber „keine Zeit” – wo die Beschäftigten zur Schicht ankommen, und setzt sich für die gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten ein. 

Mit der Besetzung möchte sich die IG Metall aber nicht solidarisieren. Die Gewerkschaftsführung sei nicht grundsätzlich gegen die Rodung und Erweiterung des Fabrikgeländes, da sie sich davon mehr Arbeitsplätze erhofft, so ein:e Sprecher:in der Besetzung. 

Auch der Betriebsrat der „Gigafactory” ist derzeit komplett nutzlos und vom Management kooptiert. So hat er tatsächlich zu einer Solidaritätskundgebung für die Konzernleitung der Beschäftigten nach dem Brandanschlag aufgerufen, zu der rund 1000 Teilnehmende erschienen sein sollen. Anstelle den Arbeitskampf zu befeuern und sich an Seite der prekarisierten Arbeiter:innen zu stellen, macht der Betriebsrat Werbung für den Ausbeuter. 


Dabei würden sich die Beschäftigten, die mit den Besetzer:innen ins Gespräch treten, durchwegs solidarisch zeigen, so ein:e Besetzer:in. Viele würden die Umweltanliegen teilen und kritisieren die Ausbeutung, könnten sich aber wegen der Repressalien der Konzernführung nicht handfester engagieren. Zu leicht kann ihnen die Anstellung genommen werden. Trotz ihrer besten Bemühungen fällt es der „Tesla den Hahn abdrehen”-Initiative deswegen schwer, in ein wirksameres Bündnis mit den Beschäftigten zu treten. 

Dabei wäre das dringend notwendig. Denn ohne eine gemeinsame Front mit den Beschäftigten werden die Besetzer:innen nie ihre Ziele erreichen. Dagegen kann der „Arbeitgeber” eine Feindschaft gegen die Besetzung mobilisieren, um die Belegschaft inklusive Betriebsrat und IG Metall hinter sich zu versammeln. Über eine Thematisierung kämpferischer und demokratischer Gewerkschaftsarbeit könnten hier aber neue Allianzen innerhalb der Belegschaft, aber auch mit Besetzer:innen, geschmiedet werden, falls nötig gegen die Gewerkschaftsführung. 

Entgegen der top-down Entscheidungen durch „Arbeitgeber”, Gewerkschaftsführung und Betriebsrat könnten die Besetzer:innen zunächst die Perspektive gemeinsamer Komitees und Versammlungen positionieren, was eine Änderung der repressiven Arbeitsverträge voraussetzen würde. Das wäre auch im Interesse der Beschäftigten, die auf einer solchen Basis nicht nur selbst entscheiden können, wie sie sich auf die Klimaschützer:innen beziehen, sondern auch wirksamen Einfluss auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen ausüben können. Anders geht es nicht. 

Warum eine Besetzungsstrategie ohne eine solche Perspektive erfolglos bleiben muss, hat Klasse Gegen Klasse bereits am Beispiel der Besetzung Lützeraths letztes Jahr dargelegt. 

Ein internationaler Kampf

Die Besetzung betont, wie sich ihre lokale Initiative in den internationalen Klassenkampf und den globalen Widerstand gegen die Umweltzerstörung einfügt. Im Baumhauslager hängen Infoplakate und Fotoausstellungen, die auf den Lithium-Abbau in beispielsweise Bolivien, Chile, und der Dem. Rep. Kongo hinweisen und dort nicht nur Ressourcenextraktivismus befeuern, sondern auch mit mörderischen Arbeitsbedingungen einhergehen. 

Auch hängen Palästina-solidarische Banner von den Baumwipfeln, die Kufiya schützt einige Besetzer:innen gegen den Wind, und Wimpel, die sich mit Rojava oder der kurdischen YPG solidarisieren, wehen zwischen den Ästen. 

Im Gespräch kritisieren Aktivist:innen das „Märchen vom grünen Kapitalismus” und entlarven die vermeintlich klimafreundliche Verkehrslösung der E-Autos als „rechte Lüge”. Der Fehler liege im System und zeigt sich unmittelbar in der Wasserverschmutzung und Ausbeutung durch Tesla.  

In einem perfekten Fallbeispiel zeigt so die „Gigafactory”, wie die Ausbeutung prekärer migrantischer Arbeit, Klimazerstörung, die Zersetzung örtlicher Lebensvoraussetzungen, die Ausbeutung von Arbeiter:innen in Ländern des Global Südens, und die Aushöhlung der Demokratie hierzulande zusammenhängen. 


Es wird klar: Ohne eine zusammenhängende Analyse dieser Verhältnisse lässt sich dieses System weder verstehen noch bekämpfen. Klassenkampf und die Bekämpfung des Klimawandels gehören untrennbar zusammen. 

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