Terror im Libanon: Eskaliert Israel den Krieg?

20.09.2024, Lesezeit 5 Min.
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Luftangriff auf libanesisches Territorium. Foto: Shutterstock.com

In der Nacht auf Freitag flog Israel Luftangriffe im Libanon. Zuvor wurden hunderte Pager und Funkgeräte an zwei verschiedenen Tagen in die Luft gesprengt, mutmaßlich durch Fernzündung. Will Israel seinen Krieg gegen die Hisbollah eskalieren?

Hunderte Pager-Explosionen verletzten über 3.000 Menschen und kosteten Dutzenden das Leben. Die Geschehnisse der letzten Wochen und Monate an der libanesischen Grenze zu Israel legen nahe, dass Israel und sein Geheimdienst Mossad für diese Massenexplosionen verantwortlich ist. Bisherigen Erkenntnissen zufolge handelte es sich um neue Pager, die durch die Hisbollah-Verwaltung des Gebiets bestellt und eingesetzt wurden.

Neue Stufe der Eskalation

In der Nacht auf Freitag folgten weitere Luftangriffe Israels auf Raketenstellungen der Hisbollah. Diese antwortete wiederum mit Raketenschlägen auf israelisches Territorium. Die neuen Attacken sowie der mutmaßlich israelische Angriff auf die libanesische Bevölkerung sorgen für eine neue Eskalationsstufe. Erst kürzlich hat Israel Sicherheitszonen in der Westbank bombardiert, mit verheerendem Ausmaß und Hunderten weiteren Toten. Die Tendenz der steigenden Eskalation durch Israel ist unschwer erkenntlich, wenn man sich anschaut, wie gewaltig die Aktionen und Angriffe des israelischen Militärs IDF an Zerstörungskraft zunehmen. 

Vor einigen Monaten war noch die Bombardierung des Al-Shifa-Krankenhauses eine enorme Eskalation des Genozids am palästinensischen Volk, doch mittlerweile wurde selbst dieser Angriff überschattet von etlichen weiteren, tödlicheren Angriffen wie dem Mehl-Massaker, der Bodenoffensive in Rafah und der Bombardierung von Sicherheitszonen in Gaza und zuletzt auch in der Westbank. 

Nach vereinzelten Raketen auf libanesisches Gebiet zeigen die  jetzigen Luftschläge und der jetzige Pager-Angriff eine Sache ganz klar: Israel hat keine Angst, einen Regionalkrieg zu eskalieren – man könnte sogar meinen, sie wollen ihn unbedingt. Seit Monaten trainiert Israel auch seine Armee für einen Einsatz von Bodentruppen im Süden Libanons. Dies wäre jedoch aufgrund der militärischen Kräfte der Hisbollah, die vom Iran ausgerüstet wird, ein sehr viel gefährlicheres Unterfangen als der Waffengang gegen die Hamas.

Statt die Pager-Explosionen als einen terroristischen Akt zu verurteilen, äußerte sich die Bundesregierung nur dahingehend, dass eine völkerrechtliche Einordnung noch nicht möglich sei. Die USA und Deutschland haben Israel zur Deeskalation aufgerufen, doch im Allgemeinen lassen sie es weiter gewähren. Bei der jüngsten UN-Vollversammlung enthielt sich Deutschland bei der Abstimmung, ob Israel besetzte palästinensische Gebiete räumen sollte. Die USA stimmten dagegen. In der Presidential Debate für die kommenden US-Wahlen hielten sowohl Harris als auch Trump beide an ihrer Unterstützung zu Israel fest.

Psychisches Ausmaß der Folgen für die libanesische Bevölkerung

In Videos ist zu sehen, wie die Pager und am nächsten Tag auch Fernfunkgeräte in den alltäglichsten Situationen detonieren. Beim Einkaufen, an der Kasse oder noch im Laden, in Anwesenheit von Kleinkindern, auf der offenen Straße, in Verwaltungsgebäuden, in Krankenhäusern und und und. Gestern gab es sogar solch eine Explosion bei der Beerdigung einer Person, die durch die Explosion am vorherigen Tag getötet wurde.

Es sind nicht nur die Tausenden Verletzten und die Angehörigen der mittlerweile über 30 Toten, die von diesen Angriffen bleibende Schäden davontragen müssen. Die psychischen Folgen durch die explodierten Elektrogeräte, die wie aus dem Nichts in alltäglichen Situationen passiert sind, müssen die Bevölkerung in eine allgegenwärtige Angst versetzt haben, dass es auch sie jederzeit treffen könnte. Menschen werfen Berichten zufolge Elektrogeräte weg, auch nach Ansagen der Hisbollah-Führung, dass Mobiltelefone eine Gefahr darstellen könnten. Unter anderem mit dieser Begründung wurden Pager und Funkgeräte vor einiger Zeit angeschafft.

Die Entmenschlichung der Opfer durch deutsche Medien und Bekanntheiten

Die deutschen bürgerlichen Zeitungen wie Spiegel, Zeit oder Tagesschau berichten zwar von den Explosionen, aber ignorieren in vielen Fällen, dass die meisten Opfer Zivilist:innen sind und benennen Israel nicht als klaren Aggressor des Kriegszustand an der libanesischen Grenze. Die Staatsräson wird auch nach fast einem Jahr glasklarem Genozid strikt durchgezogen.

Und Bekanntheiten wie Ulf Poschardt, Chefredakteur der WELT, oder Jan Fleischhauer sind nicht nur weiterhin Hardliner des deutschen Zionismus – sie machen sich auch lustig darüber. „Next Level Terrorbekämpfung“ schreibt Poschardt in einem Tweet, Fleischhauer setzt noch einen drauf und tweetet „Blow out the balls“, weil die betroffenen Pager hauptsächlich in den Hosentaschen der Menschen explodiert sind. Noam Petri, Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion JSUD, twittert hämisch „Danke für deinen Dienst, Mossad Agent Mani Pager“. Die taz spricht von „einer militärischen Glanzleistung“ und hält diese abscheulichen Kriegsverbrechen für „genial“. Diese Äußerungen zeigen, wie weit der antimuslimische Rassismus um sich greift und wie selbstverständlich sich manche Kommentator:innen eine Eskalation herbeiwünschen.

Die Lage ist jedenfalls höchst besorgniserregend. Weitere Angriffe und Gefechte bis hin zum Einsatz von Bodentruppen und einem Regionalkrieg können nicht ausgeschlossen werden.

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