Taser für die Berliner Polizei

01.09.2016, Lesezeit 4 Min.
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Rund drei Wochen vor den Berliner Wahlen kündigt Innensenator Frank Henkel (CDU) den Einsatz von Elektroschockwaffen (Tasern) durch Streifenpolizist*innen an. Zunächst als dreijähriger Test am Alexanderplatz und der Friedrichstraße in Berlin – Orte, die laut Polizei erhöhtes Konfliktpotential bieten. Kritik erntet das Vorhaben vor allem von der Opposition und Menschenrechtsorganisationen.

Sie seien effektiver und humaner als Schlagstöcke – so wird von CDU und Polizei“gewerkschaft“ für den Einsatz von Tasern geworben. Seit Monaten heult gerade Innensenator Frank Henkel darüber, dass direkte Angriffe auf Polizeibeamt*innen zunehmen. Gerade nach dem Einsatz in der Rigaer Straße 94 fährt er eine kompromisslose Linie gegenüber so genannten linken Gewalttätern. „Ich verurteile diesen Hass – diese völlig enthemmte Gewalt auf das Schärfste.“, schrieb er nach der Rigaer-Demo am 10. Juli auf Twitter.

Dabei ist er seit Amtsantritt für scharfe Angriffe auf gegen Proteste von Geflüchteten und Jugendlichen verantwortlich. Die Ohlauer Straße wurde vor zwei Jahren für eine Woche faktisch zum Sperrgebiet, an der Gürtelstraße ließ er Menschen verhungern und auch der Friedrichshainer Nordkiez ist seit Monaten quasi zum „Gefahrengebiet“ erklärt geworden.

Todesfalle Elektroschocker

Dieser neue Schritt ist somit nur die logische Konsequenz aus der Politik der Einschränkung demokratischer Freiheiten. Denn mit Tasern ist es möglich, mehrere Menschen gleichzeitig aus zehn Metern Distanz kurzfristig außer Gefecht zu setzen. Es gehe dabei um bessere Abwehrmöglichkeiten für Polizist*innen, ohne gleich tödliche Schusswaffen einzusetzen.

Doch können Taser nicht tödlich sein? Der Polizeijustiziar des SEK Oliver Tölle gibt offen zu, dass die Wirkung von Tasern nicht vorhersehbar sei. Auch wenn es sich dabei vorerst nur um eine drei-jährige Testphase halten soll, fordert der Landeshauptvorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Berlin Bodo Pfalzgraf bereits, den Einsatz bereits nach einem Jahr Test auf ganz Berlin auszuweiten. In den USA hat die Waffe laut Amnesty International bereits zu Hunderten Todesfällen (bis 2008: 334 Tote) geführt und auch in Großbritannien starb erst so gut zwei Wochen der Ex-Fußball-Profi Dailian Atkinson an den Folgen dieses Einsatzes. Effektiver als Pfefferspray ist das somit allemal – es als humaner zu bezeichnen, würde aber wohl auch den größten Zyniker*innen schwer fallen.

Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen

Die Frage der Verschärfungen von Sicherheitsmaßnahmen und der Aufrüstung der Polizei ist vor allem nach den Anschlägen in Bayern das zentrale Wahlkampfthema. Besonders die AfD und die CDU fordern harmonisch im Chor mehr „Sicherheit“. Doch auch die SPD steht dem Projekt nicht ablehnend gegenüber. Ihrer Meinung nach bedarf es lediglich einer besseren Vorbereitung dieser Maßnahmen.

Auch die Argumente der vermeintlichen Oppositionsparteien wirken nur allzu schwach. „Das ist eine letzte Verzweiflungstat von Frank Henkel. Er sollte sich lieber um die Grundausstattung der Polizisten kümmern, um Schießstände und Schutzwesten“, heißt es beispielsweise von Ramona Pop von den Grünen. Aufrüstung scheint sie also generell gut zu finden, nur der Zeitpunkt passt ihr offenbar nicht. Die Linkspartei steht dem Einsatz von Tasern zwar ablehnend gegenüber, dennoch fordern auch sie immer wieder eine bessere Ausfinanzierung der Polizei sowie bessere Ausrüstung. Letztlich stellt sich also keine etablierte Partei konsequent gegen jegliche Form der Repression.

Selbstorganisierte Verteidigungsstrukturen aufbauen!

Deshalb dürfen wir uns nicht auf diese Parteien verlassen, sondern müssen eigene, selbstorganisierte Strukturen von Jugendlichen, Arbeiter*innen und Geflüchteten aufbauen. Dabei sind es heute gerade Jugendliche, die sich Rassist*innen in den Weg stellen und deren politisches Engagement von der Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken immer wieder versucht wird niederzuschlagen. In wenigen Jahren vermutlich auch mit Tasern.

Diese neue Stufe zeigt auch deutlich, dass die Herrschenden keine Skrupel haben, ihre Interessen noch gewaltsamer als bisher schon durchzusetzen. Die Verteidigung dagegen müssen wir schon heute organisieren. Antirassistische Basiskomitees an Schulen oder selbstorganisierte Gruppen von Geflüchteten können ein Ausgangspunkt für solche Strukturen sein.

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